Dass ein ambulanter Termin ihrer Tochter in der Kinderklinik in Lörrach zu solchen Komplikationen führt, hätte Katharina Salomo nicht gedacht. Sie hat fünf Kinder – sie sind elf, zehn, acht und drei Jahre sowie drei Monate alt. Vor allem die Corona-Regeln lassen die Mutter aus Laufenburg in vielen Situationen verzweifeln. Denn die Geschwisterkinder dürfen zu vielen Terminen nicht mitkommen. Die Mutter erzählt, welche Ausmaße diese Regeln für junge Mütter mit mehreren Kindern haben können.
Wie wurden die Corona-Einschränkungen für die Mutter zur besonderen Herausforderung?
Die zehnjährige Tochter hatte einen Termin zum Vorgespräch in der Chirurgischen Ambulanz des Elisabethen-Krankenhauses in Lörrach. Die Corona-Regeln der Klinik lassen nur eine erwachsene Begleitperson zu, minderjährige Geschwisterkinder dürfen nicht dabei sein. Zu diesem Zeitpunkt war der jüngste Sohn von Katharina Salomo jedoch erst sechs Wochen alt, wurde von der Mutter noch voll gestillt. Inklusive Fahrtzeit von Laufenburg nach Lörrach und zurück wäre die Mutter für gut fünf Stunden abwesend gewesen. Weg vom hungrigen Baby, das bisher nur durchs Stillen ernährt wurde.
„Ich fragte also die Mitarbeiterin der Klinik am Telefon vorsichtig, ob ich mein kleines Baby mitnehmen dürfte“, erzählt Salomo. Die Antwort sei enttäuschend gewesen, wie sie sagt: Es sei doch nicht schwer, das Baby in dieser Zeit irgendwo abzugeben. Und die Mutter solle doch ans Baby und die Gefahr durch Corona denken, erzählt Salomo. Die Mutter sei seit dem Ausbruch der Pandemie schon vorsichtiger geworden, aber eine Gefahr für ihr Baby habe sie in dieser Situation nicht erkennen können, erzählt sie. Doch Regel sei eben Regel.
Die 31-Jährige habe alles abgewogen, überlegte sogar Folgemilch zu kaufen und hoffte, es würde ohne Stillen gehen. Ihr Freund bekam an dem Tag nicht frei. Salomo sei sogar kurz davor gewesen, den Termin ganz abzusagen. Die Notlösung: Schlussendlich ging die Oma mit der 10-Jährigen zum Termin. Auch, wenn diese Aufgabe gerne die Mutter selbst übernommen hätte. Das Vorgespräch ergab: Die Tochter müsste für eine Operation zu zwei weiteren Terminen in die Klinik kommen. Wenn die Mutter dabei sein möchte, dann wieder ohne Baby. Zum Glück sei die Operation dann doch nicht nötig gewesen. „Zur Operation hätte ich sie auf jeden Fall begleiten wollen“, erzählt die Mutter.
Warum geht sie damit an die Öffentlichkeit?
„Natürlich verstehe ich, dass wegen Corona einiges beachtet werden muss, doch als Mutter mit mehreren Kindern muss man nun echt Berge versetzen, um einen Termin beim Arzt wahrnehmen zu können“, erzählt die 31-Jährige. Warum sie ihre Geschichte öffentlich machen wollte? „Damit überlegt wird, dass Geschwisterkinder nicht immer untergebracht werden können“, sagt sie. „Und ich will zum Denken anregen, dass die Kliniken dann auch andere Lösungen finden könnten.“
Was waren die Folgen?
Durch die Corona-Regeln sei alles sehr unflexibel geworden. So habe sie nun abgestillt, weil oft bei Terminen das Baby nicht dabei sein dürfte. Und nicht notwendige Arzttermine schiebe die Familie nun so weit es geht auf. Sie selbst habe den Partner und den Vater der Kinder in der Nähe, auch wenn er nicht bei der Familie wohnt.
Doch Salomo denkt auch an viele andere Mütter, bei denen das nicht so ist. Etwa ihre alleinerziehende Freundin, die ohne Familie hier wohnt. „Sie wäre in so einem Fall echt aufgeschmissen“, sagt Salomo. „Und ich habe mich auch gefragt, was in einem Notfall passiert.“ Dann könne sie ihre anderen Kinder auch nicht alleine lassen. „Doch ich meine es ja nicht böse, wenn ich mein Baby nicht mitnehme, ich habe nur einfach keine andere Wahl“, so die Mutter aus Laufenburg.
Wie sind die aktuellen Besuchsregeln der Kinderklinik?
„Zu nicht notfallmäßigen ambulanten Behandlungen darf ein Erziehungsberechtigter das Kind begleiten“, erklärt Marion Steger, Pressesprecherin der Kliniken des Landkreises Lörrach GmbH, zu den Besuchsregeln im Elisabethen-Krankenhaus. Dort ist die Kinderklinik untergebracht. „Bei stationären Aufenthalten von Minderjährigen ist gleichfalls eine erziehungsberechtigte dauerhafte Begleitperson zugelassen“, so Steger. Kinder mit Begleitperson könnten jedoch keinen zusätzlichen Besuch empfangen. „Minderjährige Begleitpersonen oder Besucher können wir nicht ermöglichen“, so die Pressesprecherin.

Sie fügt hinzu: „Im Regelfall stoßen wir hierfür auf Verständnis und verstehen die dadurch entstehenden Schwierigkeiten sehr gut.“ Die aktuellen Besuchsregeln der Kinderklinik seien immer auf der Homepage veröffentlicht und dort für jeden einsehbar.
Warum gibt es die Regeln?
Die Regeln wurden vom Krisenstab der Kliniken beschlossen. Dabei werde auf die Besonderheiten einer Kinderklinik und einer Geburtshilfe eingegangen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es auch eine Gynäkologie mit Brustzentrum und eine Urologie und HNO im Klinikum gibt. „Alle Patienten und Begleitpersonen und auch die Mitarbeiter müssen geschützt werden“, so Steger. „Vom ersten Lockdown an haben wir diese Balance gewährleisten können und die Versorgung sichergestellt.“
Gibt es auch Gegenwind?
„In zunehmenden Einzelfällen kommt es zu persönlichen Beleidigungen oder Anfeindungen der Mitarbeiter am Empfang“, berichtet Steger. Die Kollegen würden dem jedoch mit professioneller Geduld und sehr kompetent begegnen, da ihnen bewusst sei, wie belastet die Menschen durch die Einschränkungen sind. „Wir bedauern, dass wir zu ambulanten Terminen keine Betreuung für Geschwisterkinder anbieten oder gar die Regelungen je nach Bedarf der Eltern oder Angehörigen individuell anpassen können“, so die Sprecherin der Klinik.