Keine Schule, kein Kindergarten, kein Treffen mit Freunden und Familie, dafür Kurzarbeit oder Homeoffice: Die Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie stellt vor allem viele Familien vor eine große Herausforderung. Experten warnen deshalb davor, dass es auch zu einer Zunahme von häuslicher Gewalt kommen kann.

Damit hat auch Marlies Sonntag, Geschäftsführerin des Vereins Frauen- und Kinderschutzhaus Kreis Waldshut, gerechnet. Doch die aktuelle Lage in der Region sieht auf den ersten Blick anders aus: „Wir haben bisher keinen Anstieg von Frauen verzeichnet, die Schutz im Frauenhaus suchen.“ Auch bei der Polizei sind im Kreis laut Pressesprecher Mathias Albicker nicht mehr Anrufe als vor der Corona-Pandemie wegen häuslicher Gewalt eingegangen.
Fördert die Wohnsituation den familiären Frieden?
Doch Marlies Sonntag warnt vor einer möglicherweise falschen Einschätzung: „Vielleicht melden sich bisher weniger Frauen, die massiv von häuslicher Gewalt betroffenen sind, weil sie einfach keine Möglichkeit dazu haben, wegen der Isolation. Und deshalb können sie uns nicht anrufen oder eine E-Mail schicken. Aber das ist nur eine Vermutung, Beweise gibt es dafür nicht.“
Eine weitere Möglichkeit, weshalb sich nicht mehr Frauen als sonst melden, könnte für Sonntag auch in der Region Südbaden selbst liegen: „Die Wohnsituation ist – anders als in Großstädten – oft etwas geräumiger. Zudem ist es hier weitläufiger, man ist schnell in der Natur.“ Diese Möglichkeit zieht auch Mathias Albicker in Betracht: „Vielleicht ist die Wohn- und Lebenssituation hier etwas besser als anderswo.“
Vermieter bieten Unterkünfte kostenlos an
Doch weil niemand die Situation in der Region abschätzen konnte, haben sich die Ehrenamtlichen und Mitarbeiterinnen des Frauen- und Kinderschutzhaus, die wie vor der Krise auch jetzt rund um die Uhr erreichbar sind, schon früh auf einen Anstieg vorbereitet.
„Glücklicherweise haben sich viele Vermieter bei uns gemeldet, die uns Ferienwohnungen, Gartenhäuser oder Zimmer in Hotels kostenlos vorübergehend zur Verfügung stellen. Das ist ein wichtiges Angebot, weil unser Frauenhaus derzeit komplett belegt ist“, sagt Marlies Sonntag und ergänzt: „Damit brauchen Frauen und Kinder auch jetzt nicht in einer gewaltvollen Situation zu bleiben. Wir haben Platz und können sie in Sicherheit bringen.“
Schutz vor Ansteckung
Damit der Gesundheitsschutz gewährleistet ist, gibt es im Frauenhaus ein isoliertes Zimmer, für Frauen, die neu hinzukommen. „Für uns ist es in dieser Zeit natürlich sehr wichtig, dass sich auch bei uns niemand mit dem Virus infiziert. Deshalb kommen Frauen, die sich bei uns melden, zunächst in dieses Zimmer, abgegrenzt von den anderen Bewohnerinnen mit ihren Kindern.“ Anschließend würden sie dann verlegt werden. Wie wichtig das ist, weiß Sonntag genau: „Auch die Angst vor einer Ansteckung ist bei den Frauen im Frauenhaus sehr hoch. Sie halten sich an die Vorschriften, gehen kaum vor die Tür außer zum Einkaufen oder für Arztbesuche.“
Bisher arbeiten alle 15 ehrenamtlichen Frauen weiter für den Verein Frauen- und Kinderschutzhaus Kreis Waldshut. „Unsere Frauen sind sehr taff, auch wenn einige sogar in die Risikogruppe fallen. Dennoch hat niemand sein Ehrenamt bisher aufgegeben“, sagt Marlies Sonntag. „Und deshalb können wir auch weiterhin die Hilfe leisten, die wir auch vor der Krise anbieten konnten.“