Sabine Gems-Thoma

Vor 20 Jahren war er europaweit der erste seiner Art: Ein Skulpturenweg, angelegt über eine Landesgrenze hinweg. „Übers Wasser – übers Land“, so der Titel des Kulturwanderweges entlang des deutschen und schweizerischen Rheinufers. Die Resonanz auf die Idee Kultur und Natur miteinander zu verbinden war und ist ausgesprochen gut. Und auch in der kalten Jahreszeit lohnt es, sich auf den 9,5 Kilometer langen Rheinrundweg mit seinen 12 Skulpturen zu machen.

Im Juni 2003 wurde der Skulpturenweg erstmals ergänzt. Beim Landbach in Herdern beobachtet seitdem die „Die Rote“, eine von ...
Im Juni 2003 wurde der Skulpturenweg erstmals ergänzt. Beim Landbach in Herdern beobachtet seitdem die „Die Rote“, eine von Klaus Prior geschaffene, archaisch anmutende Skulptur aus Zedernholz, das vorbeiströmende Wasser und ist Teil der Landschaft geworden. | Bild: Sabine Gems-Thoma

17. Juni 2000: Ein herrlicher Sommertag – das Wetter hätte zur Eröffnung des Skulpturenweges nicht schöner sein können. Viele hundert Besucher waren dabei, neugierig auf die zehn installierten Skulpturen machten sie sich zusammen mit den Initiatoren, Sponsoren und Künstlern auf den Weg „Übers Wasser – übers Land“.

Wie kam es eigentlich zu dem Projekt? Es war der Tiengener Künstler Sepp Briechle, der im Gespräch mit der Hohentengener Inhaberin der damaligen Galerie im Lotto Café, Mechthild Wagner, von seiner Beteiligung am Skulpturenweg im Tessiner Verzascatal erzählte. Und beide befanden: Der grenzüberschreitende Rundweg entlang der beiden Rheinuferseiten würde sich sehr gut für einen solchen Weg eignen.

Begeisterte Unterstützung für ihre Idee fanden sie bei den beiden Gemeinden Hohentengen/D und Kaiserstuhl/CH, mit ihren Vertretern Bürgermeister Martin Benz und dem damaligen Stadtammann Walter Suter. Und auch die Betreiber der Wasserkraftwerke Reckingen und Eglisau, Besitzer des größten Teils der Uferflächen, spielten gerne mit. Damit waren die Voraussetzungen gegeben. Die Region bekannter machen, für die reizvolle Hochrheinlandschaft werben, die grenzüberschreitenden Begegnungen fördern waren Ansatzpunkte des Projektes.

Nachdem das hinter Glas liegende Innenleben der beiden Halbsäulen des Kunstwerks von Sepp Briechle, Ideengeber und Mitinitator des ...
Nachdem das hinter Glas liegende Innenleben der beiden Halbsäulen des Kunstwerks von Sepp Briechle, Ideengeber und Mitinitator des Skulpturenweges, mehrfach beschädigt wurde, sind die Symbole der Gemeinsamkeiten wie Fluglärm, Kirchengeschichte, Pendelverkehr, Jasskarten, in stabiler Form erneuert worden. Im Hintergrund der Zollübergang mit Rheinbrücke und Schloss Rötteln. | Bild: Sabine Gems-Thoma

Zehn Skulpturen sollten für jeweils maximal 10.000 DM angekauft werden. Eine ganze Reihe Sponsoren unterstützten durch den Erwerb der Werke, Sachleistungen und Tatkraft das Projekt. Der damalige Kulturreferent des Landkreises, Dr. Jürgen Glocker, übernahm zusammen mit Sepp Briechle die künstlerische Leitung und half behördliche Hürden zu nehmen. Maßgeblich an der Realisation beteiligt war Mechthild Wagner, unterstützt auf schweizerischer Seite durch die damalige Stadträtin Dorothee Neuhaus-Weibel. Innerhalb eines knappen Jahres konnte das Projekt realisiert werden.

Das neueste Kunstwerk ist die „Welle 2“, vier Meter hoch aus einem Buchenstamm, die sich formschön und harmonisch in die ...
Das neueste Kunstwerk ist die „Welle 2“, vier Meter hoch aus einem Buchenstamm, die sich formschön und harmonisch in die Landschaft einfügt. 2016 wurde sie von Tobias Mattern (links) installiert. Bei der Eröffnung mit dabei Behrouz Varghaiyan (Zweiter von links), Künstler der „ersten Stunde“ und Mechtild Wagner (vorne rechts), Mitinitiatiorin des Skulpturenweges. | Bild: Sabine Gems-Thoma

Künstlerisch zielt der Skulpturenweg darauf ab „Kunst und Natur zusammenzuführen, Landschaft, den Fluss und sein Ufer neu erlebbar zu machen, den Blick auf eine nahezu intakte Natur zu schärfen. Kunst und Natur zu einer neuen Einheit zu verschmelzen“, so Jürgen Glocker in seinem Vorwort im Katalog zum Skulpturenweg. Elf international bekannte Künstler, vorwiegend aus der Region, brachten ihre Ideen dazu auf ganz unterschiedliche Weise ein. Entlang der deutschen Seite von Schloss Rötteln Richtung Kraftwerk Eglisau stehen bis heute die Arbeiten von David Zehnder, die Gemeinschaftsskulptur von Ulla Rohr und Bernd Salfner, die Werke von Mechthild Ehmann, Jo Niemeyer und Behrous Varghaiyan, weiter auf der Schweizer Seite die Skulpturen von Gillian White, Ekkehard Altenburger, Jürgen Knubben, Rosmarie Vogt-Rippmann und Josef Briechle. Neu dazugekommen sind 2003 „Die Rote“ von Klaus Prior bei Herdern und 2016 „Die Welle 2“ von Tobias Mattern bei der „Badi“ Kaiserstuhl. Jedes Kunstwerk ist mit einer kleinen Informationstafel versehen, die Denkanstöße geben kann.

Ursprünglich waren die Erinnerungsstücke und Alltagsgegenstände des Verbindenden der Menschen hüben und drüben des Rheins hinter Glas zu ...
Ursprünglich waren die Erinnerungsstücke und Alltagsgegenstände des Verbindenden der Menschen hüben und drüben des Rheins hinter Glas zu sehen. Sie sind Teil der beiden an der Kaiserstuhler Promenade gegenüber aufgestellten Halbsäulen „Dialog“ von Sepp Briechle. | Bild: Sabine Gems-Thoma

Zu tun gab es immer einiges rund um den 9,5 Kilometer langen Weg, abgesehen von der Pflege und den begleitenden Veranstaltungen in der Galerie im Lotto Café (seit 2008 geschlossen) und dem Turm von Kaiserstuhl sowie den geführten Wanderungen. So kam 2002 die tonnenschwere Stahlskulptur von Behrous Varghaiyan bei einem Hangrutsch am Kraftwerk Eglisau mit ins Rutschen, musste zwischengelagert werden, bis 2004 ein neuer passender Aufstellungsort am Ende des Herderner Campingplatzes gefunden wurde. 2010 wurde der Katalog neu aufgelegt, diesmal in Farbe. An anderem Platz neu gestaltet werden soll im kommenden Frühjahr die schon länger zum Großteil zerstörte Skulptur von Ekkehard Altenburger. Das filigrane Innenleben der zugewandten Halbsäulen von Josef Briechle, ursprünglich hinter Glas, wurde mehrfach beschädigt und durch stabilere Teile ersetzt. Ganz im Sinne der Künstlerin Rosmarie Vogt- Rippmann ist indes der allmähliche Zerfall der am Rheinufer liegenden Baumstämme – einst nach dem Chaos durch Sturm Lothar (Ende 1999) zur Erinnerung daran in Form gebracht, die dadurch der Natur wieder zurückgegeben werden. Einen neuen, wirkungsvolleren Platz, unweit des bisherigen, erhielt 2018 die Skulptur von Gillian White.

Fast schon in der Uferlandschft verschwunden sind die einst in Form gebrachten und in Fließrichtung des Rheins ausgerichteten Baumstämme ...
Fast schon in der Uferlandschft verschwunden sind die einst in Form gebrachten und in Fließrichtung des Rheins ausgerichteten Baumstämme von Rosmarie Vogt-Rippmann am schweizerischen Rheinufer. Sie werden Teil der Landschaft und der Natur zurückgegeben. | Bild: Sabine Gems-Thoma

„Das Fenster“, wie das unbetitelte Werk landläufig heißt, ist zum Freiluft-Standesamt geworden, hier kann man sich trauen lassen. Und von den Kindern erobert und besonders ins Herz geschlossen ist der „Geteilte Tisch“ von Ulla Rohr und Bernd Salfner, zum Hochklettern und verstecken bestens geeignet. Es sind aber nicht nur die Skulpturen, die den Reiz des Weges ausmachen. Die 9,5 Kilometer lange Wanderstrecke führt am noch sehr ursprünglichen Rheinufer entlang, auf teils schmalen, steil abfallenden Pfaden. Es empfiehlt ich bei trockenem Wetter zu laufen, gutes Schuhwerk ist unbedingt erforderlich.

Ohne Titel ist die zweiteilige Eisenplastik von David Zehnder, die auf der Anhöhe des Rheinufers auf dem Weg von Schloss Rötteln zum ...
Ohne Titel ist die zweiteilige Eisenplastik von David Zehnder, die auf der Anhöhe des Rheinufers auf dem Weg von Schloss Rötteln zum Kraftwerk Eglisau auf deutscher Seite steht, im Volksmund „Das Fenster“. An diesem schönen Platz finden heute standesamtliche Trauungen im Freien statt. Auf der anderen Rheinseite ist der Obere Turm, das Markenzeichne von Kaiserstuhl, zu erkennen. | Bild: Sabine Gems-Thoma

Eigentlich war zum 20-jährigen Bestehen des Skulpturenweges ein besonderes Kunstevent geplant, die erste Hochrhein Triennale. Dazu wurde der Trägerverein „Kulturbrücke“ gegründet, der bereits alle Vorbereitungen getroffen hatte, um die Nachbarn von hüben und drüben in kulturellen Austausch zu bringen. Aufgrund der Corona-Pandemie musste umgeplant werden. Jetzt ist für das späte Frühjahr 2021 ein Kulturspaziergang zu fünf verschiedenen Orten in Kaiserstuhl und Hohentengen geplant, an denen Ausstellungen und Aktionen von zehn Künstlern stattfinden. Anhand einer Broschüre können die Plätze individuell besucht werden.

Wie sieht Mechthild Wagner, eine der treibenden Kräfte des Skulpturenweges und Mitinitiatorin der ersten Hochrhein Triennale, das Projekt rückblickend? „Ich habe mich unglaublich gefreut, dass die Bevölkerung den Weg so gut angenommen hat und noch immer viele Wanderer auf der Strecke unterwegs sind, stehen bleiben, schauen und ins Gespräch kommen“, fasst sie zusammen – und freut sich auf die Aktionen im Jahr 2021.