Der Stein des Anstoßes besteht aus einer Waffel mit Schaumzuckerfüllung, die von einer Schicht Schokoladenglasur umhüllt ist. Diese süße Delikatesse ist unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt. Sind hierzulande Bezeichnungen wie „Mohrenköpfe“ schon seit längerem verpönt und die Produkte entsprechend umbenannt, war das in der Schweiz anders. Zwar gab es immer wieder Initiativen, etwas zu ändern. Diese fanden aber keine Mehrheit. Nun hat die Diskussion um die politisch korrekte Sprache auch in der Schweiz neue Fahrt aufgenommen. Der „Mohrenkopf“ ist zu so etwas wie dem Symbol für die kontroverse Auseinandersetzung geworden.

Worum geht es bei der Debatte eigentlich?

Die weltweiten Anti-Rassismus-Proteste in der Folge des Todes des Afro-Amerikaners George Floyd haben auch in der Schweiz Fuß gefasst ...
Die weltweiten Anti-Rassismus-Proteste in der Folge des Todes des Afro-Amerikaners George Floyd haben auch in der Schweiz Fuß gefasst (hier eine Aktion in Genf). | Bild: Jean-Christophe Bott

Immer wieder wurde auch in der Schweiz in den vergangenen Jahren die möglicherweise rassistische Bezeichnung von Produkten Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Jedoch waren die Ergebnisse bislang weitgehend überschaubar bzw. die Debatten versandeten ohne greifbares Ergebnis. So energisch wie dieses Mal war es aber bisher noch nicht.

Denn vor dem Hintergrund der aktuellen weltweiten Proteste gegen Rassendiskriminierung infolge des Todes des Afro-Amerikaners George Floyd hat auch in der Schweiz eine breite Diskussion über Alltagsrassismus und Diskriminierung neue Energie erhalten. Der Streit um die Produktbezeichnung „Mohrenkopf“ ist dabei aktuell das plakativste Element dieser Debatte.

Das nicht ganz neue Problem mit der Schaumzucker-Delikatesse

Konsequent, aber nicht bis zum Äußersten: Migros hat in seinen Zürcher Filialen Dubler-Produkte aus dem Sortiment genommen, vertreibt ...
Konsequent, aber nicht bis zum Äußersten: Migros hat in seinen Zürcher Filialen Dubler-Produkte aus dem Sortiment genommen, vertreibt aber unter dem Dach der Eigenmarke weiterhin „kleine Mohren“. | Bild: Salvatore Di Nolfi

Besonders ins Visier der Kritik ist die Aargauer Firma Dubler geraten, die ihre Produkte offensiv als „Mohrenköpfe“ vertreibt und deren Geschäftsführer Robert Dubler genauso offensiv an dieser Produktbezeichnung festhält. Allerdings gibt es auch eine Reihe kleinerer Confisserien und Manufakturen, die eigene „Mohrenkopf“-Variationen herstellen.

In den vergangenen Jahren geriet aber gerade Dubler, ein Unternehmen, das seit 1946 besteht und das von Robert Dubler in zweiter Generation geführt wird, immer wieder ins Visier von Kritikern, die in der Produktbezeichnung eine Form von Rassismus sehen. Vor drei Jahren formierte sich gar eine Online-Initiative, die die Umbenennung des Produkts forderte. Begründung: „Mohr war also ganz eindeutig von Beginn weg eine rassistische Bezeichnung: dumm und schwarz.“, so das Komitee. Der Intiative mangelte es aber letztlich an Unterstützung.

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Jetzt sieht die Sache allerdings ganz anders aus, denn die Kritiker üben auf den verschiedensten Kanälen Druck auf die Handelsriesen wie Coop, Migros und Volg aus – und das mit Erfolg. Die Zürcher Migros-Genossenschaft hat Dublers „Mohrenköpfe“ schon vor zwei Wochen aus dem Sortiment genommen. „Unter den aktuellen Entwicklungen verstehen wir, dass dieses Produkt als provozierend empfunden werden kann“, erklärte eine Mediensprecherin des Unternehmens.

Weitere Einzelhandelsketten prüfen derzeit immerhin, ob sie in dieser Hinsicht nachziehen. Da der Druck gerade in den sozialen Medien anhält, ist durchaus mit weiteren Konsequenzen zu rechnen.

Der „Mohrenkopf“-Produzent stellt sich stur

Ein appetitlicher Anblick: Doch gerade an Dubler-“Mohrenköpfen“ scheiden sich gerade besonders die Geister in der Schweiz.
Ein appetitlicher Anblick: Doch gerade an Dubler-“Mohrenköpfen“ scheiden sich gerade besonders die Geister in der Schweiz. | Bild: Justus Obermeyer

Robert Dubler wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe, er unterstütze mit seinem Festhalten am Begriff „Mohrenkopf“ den vielfach stark ausgeprägten Alltagsrassismus. Die Argumente Dublers haben sich dabei in den vergangenen Jahren kaum verändert.

Auf dem Höhepunkt der „Mohrenkopf“-Initiative von 2017 konstatierte er, wie auch heute, vollkommenes Unverständnis angesichts der Aufregung: „Im Zusammenhang mit der Süßigkeit ist der Begriff doch nicht rassistisch, sondern sogar positiv besetzt“, konstatierte er vor drei Jahren gegenüber Schweizer Medien. Im Übrigen würde das Produkt austauschbar, wenn der Name geändert oder gar an den anderer Hersteller angeglichen werde.

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Auch in der aktuellen Debatte, die seit Anfang des Monats richtig an Fahrt aufgenommen hat, gibt sich Dubler kämpferisch. Er werde den Namen keinesfalls ändern, sagte er jüngst in einer Schweizer Fernsehsendung. Dass das Festhalten der Firma an der Produktbezeichnung etwas mit Rassismus zu tun habe, weist er energisch zurück. Es gehe ihm um die Bewahrung von Tradition. Und so wie er den Begriff „Mohrenkopf“ verwende, sei es auch nicht abwertend, sondern ein Merkmal für hohe Qualität. Ganz abgesehen davon: „Die Welt wird aber nicht weniger rassistisch, wenn ich den Namen ändere“, sagte Dubler in einem Zeitungsinterview. Und: „Wer den Namen nicht mag, sollte keine Mohrenköpfe essen.“

Woher kommt eigentlich der Name „Mohrenkopf“?

Lecker: Schokoküsse sind einfach eine Delikatesse, die anmacht. Aber viele der Produktbezeichnungen gelten als rassistisch.
Lecker: Schokoküsse sind einfach eine Delikatesse, die anmacht. Aber viele der Produktbezeichnungen gelten als rassistisch. | Bild: Uwe Anspach

Unterdessen versucht die Firma Othmar Richterich aus Laufen eine ganz andere Herangehensweise an das ThemaÜberaus – nämlich in Form von Erklärungsversuchen, woher das Wort „Mohrenkopf“ eigentlich stamme.

„Das hat im Laufental und „Schwarzbuebeland“ einen geschichtlichen Hintergrund, der nichts mit dunkelhäutigen Menschen zu tun hat“, schildert das Unternehmen auf seiner Homepage. Zwingener hießen im Volksmund „Chabischöpf“, die Dittinger „Schnägge“, und „Mohr“ sei demnach der althergebrachte Spitzname für Menschen aus Laufen.

Das Wort leite sich laut Richterich von „Moor“, was im Altdeutschen „Wildschwein“ bedeutete. Dies habe Firmengründer Othmar Richterich vor 65 Jahren zur Kreation eines eigenen „Mohrenkopfs“ inspiriert, wie auf der Seite ausführt.

Es bleibt kontrovers

Wer nun glaubt, dass trotz des öffentlichen Protests und der wirtschaftlichen Konsequenzen bereits alles geklärt sei, der irrt gewaltig.

Denn tatsächlich ist nicht einmal die Haltung des Migros-Konzerns so eindeutig, wie die Verbannung der Dubler‚schen „Mohrenköpfe“ vermuten lässt. Tatsächlich verkauft Migros nämlich unter der Eigenmarke M-Budget weiterhin „Schoggichöpf“ und „kleine Mohren“, was dem Konzern massive Kritik einbringt, wie Schweizer Medien berichten.

Andererseits gibt es weiterhin eine breite Phalanx an Unterstützern für Dubler und Konsorten. Nach eigenen Angaben tue ihm nämlich der Bruch mit Migros überhaupt nicht weh, denn statt in den Supermarkt zu gehen, stürmten die Kunden nun sein Fabrikgeschäft. Auf der Firmenhomepage warnte Dubler am Freitag gar: „Situation am Schalter außer Kontrolle. Ein Karton pro Person. Bitte nächste Woche wieder!“ Gegenüber Medien sagte er, dass er bereits vor drei Jahren, als schon einmal die Wellen so hoch geschlagen sind, eine Umsatzsteigerung von zehn Prozent erzielt habe.

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Unterdessen erhält Dubler zwischenzeitlich Unterstützung von verschiedenen Seiten, die dem „Mohrenkopf“-Produzenten aber nicht unbedingt schmeckt: Die Jugendorganisation der rechtskonservativen SVP verteilte kürzlich kostenlose „Dubler„-Produkte in Zürich um gegen das Vorgehen von Migros zu demonstrieren.

Eher wenig angetan zeigte Robert Dubler sich dagegen angesichts einer Aktion eines Unbekannten in St. Gallen: Dieser hatte sich schwarz geschminkt und Dubler-“Mohrenköpfe“ verkauft. Nach viel Kritik auf Twitter und Facebook, distanzierte sich der „Mohrenkopf“-Patriarch öffentlich von derartigen Umtrieben.