Eine einzige Krankenschwester für ein ganzes Spital – so sah bis 1934 die Lage im damaligen „Städtischen und Klettgauer Bezirkskrankenhaus in Tiengen“ aus. 1892/93 wurde das mächtige Bauwerk unterhalb des Vitibucks erbaut.
Schon vorher gab es bereits seit dem 15. Jahrhundert ein Spital, nämlich innerhalb der Tiengener Stadtmauern, am Unteren Tor (heute auf Höhe „Geldbaum“). Später folgte ein Krankenhaus im Haus Zettler (heute gegenüber Penny-Markt) – wie Stadtführer und Tiengener Urgestein Ronald Landwehr berichtet. „Als das alte Spital in einen zu schlechten Zustand gekommen war, wurde das neue gebaut.“ Landwehr geht unter anderem bei seiner Stadtführung „Tiengener Abend – ein Rundgang, wenn es dunkel wird in den Gassen“ (zum Beispiel am Freitag, 1. September, 19 Uhr, ab Kirchplatz in Tiengen) auf das ehemalige Spital ein.

Der heutige Bau macht immer noch was her: Wuchtig, mit großen Steinen und schnörkeligen Fensterbemalungen fällt er auf. Mittlerweile hat er ganze 130 Jahre überdauert und war laut Stadtarchivar Ingo Donnhauser zunächst Eigentum der jahrhundertealten städtischen Stiftung „Klettgauer Mildestiftungsfond“. Katholische Ordensschwestern kümmerten sich um die Belange der Ärzte und Patienten in der Klettgauhauptstadt Tiengen.
„Erst 1934 wurde laut Quellen aufgrund zahlreicher Kranker eine zweite Schwester benötigt“, so Donnhauser. Rund 35 Betten bot das Spital. 1935 kam offiziell ein Kreißsaal hinzu. Und in Kriegszeiten stieg die Zahl der Krankenschwestern sogar auf sechs an. „Das Krankenhaus genoss damals einen guten Ruf und wurde auch von Personen außerhalb des Landkreises genutzt“, weiß der Stadtarchivar zu berichten, „dennoch stand es bereits 1963 aufgrund von Personalmangel kurz vor dem Aus.“ Die Ordensschwester mussten damals beispielsweise ihren Dienst quittieren, weil auch in ihrem Orden Schwesternmangel herrschte.

Um den Standort attraktiv zu halten, gab es 1964 eine umfassende Sanierung samt Aufzug und neuem Treppenhaus. Am 1. Januar 1973 übernahm der Landkreis Waldshut die Trägerschaft sowie das gesamte beschäftigte Personal und führte zunächst den Krankenhausbetrieb weiter. Doch wegen der geringen Bettenzahl, die zuletzt 30 Patienten Platz bot, wurde das Tiengener Krankenhaus Ende der 1980er-Jahre aus dem Bedarfsplan gestrichen. Die Schließung bahnte sich an.
Vom Spital zum Kreispflegeheim
Weil es laut Zeitungsberichten zu dieser Zeit in der Region an Pflegeplätzen mangelte, entschied man sich, aus dem Spital ein Pflegeheim zu machen. Im Februar 1989 begannen die Umbauarbeiten und etwas mehr als 15 Monate später, am 3. Juli 1990, wurde aus dem ehemaligen Tiengener Spital das Kreispflegeheim mit 41 Betten für betagte Bürger.

Schon zwei Jahre später, konnte man eine etwas kuriose Anekdote in der Zeitung lesen: Zu Beginn des 100. Jubiläumsjahres des Gebäudes, nämlich 1992, war der Sandstein mit der Gedenk-Inschrift „Erbaut unter der Regierung Grossherzog Friedrich 1892-93“ quasi „ins Jubiläumsjahr hineingestürzt“, wie in einem Zeitungsbericht aus dem Jahr zu lesen ist. Darin gab dann Steinmetz Friedrich Ebi aber sogleich Entwarnung, dass es sich nicht um ein schlechtes Omen für das Jubiläumsjahr handeln muss: „Bei einem solch alten Stein kann‘s schon mal vorkommen, dass er bricht.“
Zurück in den Spital-Besitz
Weitere 20 Jahre, bis 2012, wurde das Kreispflegeheim als solches weiter betrieben und dann aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen. 2013 kaufte die Spitäler Hochrhein GmbH das 4546 Quadratmeter große Gelände samt Gebäude, um darin eine Krankenpflegeschule unterzubringen – damals noch für die Spitäler Waldshut und Bad Säckingen (seit Ende 2017 geschlossen).
Der damalige Oberbürgermeister von Waldshut-Tiengen Martin Albers betonte, dass das historische Gebäude dem Stadtbild erhalten bliebe. Der damalige Landrat Tilman Bollacher freute sich 2013 im SÜDKURIER-Interview auch über die neue Nutzung: „Der Zweck ist nicht weit entfernt vom ursprünglichen Krankenhaus und dem späteren Kreispflegeheim.“

Heute wird das Gebäude als Wohnheim für Mitarbeiter des Waldshuter Spitals genutzt. Laut Luisa Denz, Pressesprecherin der Klinikum Hochrhein GmbH, befinden sich im ersten und zweiten Stock je neun vermietete Zimmer. Das dritte und vierte Obergeschoss werden dieses Jahr saniert, sodass je neun weitere Zimmer vermietet werden können. Zudem befinden sich in dem historischen Gebäude Büro und Stützpunkt der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV), die mit Fachkräften Patienten mit lebensverkürzenden Krankheiten und deren Angehörige in der schweren letzten Zeit im häuslichen Umfeld unterstützt. All die vielen Jahre und auch heute steht und stand das Gebäude also ganz im Zeichen der Gesundheit der Menschen unter dem Motto: „Salus aegroti suprema lex“ (deutsch: „Das Wohl des Patienten ist höchstes Gesetz“).