Mit deutlicher Mehrheit hat der Bundestag am 23. Februar das Cannabis-Gesetz beschlossen, das Erwachsenen ab 1. April Besitz und Konsum von THC-haltigem Cannabis in bestimmten Mengen erlaubt. Befürworter einer liberaleren Drogenpolitik, aber auch die Fachstelle Sucht befürworten diese Entscheidung zur Entkriminalisierung von Cannabis. Die Vorbereitungen auf diesen Tag laufen bereits seit Monaten – doch es gibt durchaus auch noch einige Unklarheiten.

„Entscheidung längst überfällig“

Aus Sicht von Stefanie Arndt, Inhaberin des CBD-Shops Starnabis in der Tiengener Innenstadt, war die Bundestagsentscheidung ein „längst überfälliger Schritt“, wie sie sagt: „Es ist wichtig, Menschen aus der Illegalität zu holen und ein Gegenangebot zum Schwarzmarkt zu schaffen.“ Die Gründe, die zum Verbot von Cannabis geführt hätten, seien heute längst nicht mehr stichhaltig und generell habe sich ihrer Beobachtung nach der gesellschaftliche Diskurs und die Haltung zu diesem Thema erheblich verändert. Dass dies nun in einem Gesetz seinen Niederschlag finde – es sei nur die logische Konsequenz dieser Entwicklung, so Arndt.

Wie auf diesem Symbolbild könnte bald auch von Cannabis-Social-Clubs im Landkreis Waldshut THC-haltiges Cannabis angebaut werden
Wie auf diesem Symbolbild könnte bald auch von Cannabis-Social-Clubs im Landkreis Waldshut THC-haltiges Cannabis angebaut werden | Bild: DPA

Dass das Thema dennoch bis zur Entscheidung polarisiert hat, dass Bayern nun sogar mit einer Klage gegen das Gesetz droht – all das sei nicht überraschend: „Auch in anderen Ländern, zum Beispiel in Kanada, war es so, dass die Gegner der Liberalisierung bis zum Schluss schwere Geschütze aufgefahren haben.“ Sie habe die Debatten und die Abstimmung aber dennoch mit einer gewissen Gelassenheit verfolgt, auch wenn das jetzt ein historischer Moment gewesen sei.

Vorbereitungen laufen schon seit vielen Wochen

Die Gelassenheit kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass Arndt und ihre Mitstreiter schon vor Wochen mit den Vorbereitungen auf die Gesetzeslage begonnen haben. Längst hat die Gründung von zwei Cannabis-Social-Clubs stattgefunden, die auch schon im Vereinsregister eingetragen sind – einen in Waldshut-Tiengen und einen in Hamburg. Weitere Club-Gründungen seien noch in Planung, so Arndt.

Die Nachfrage nach Mitgliedschaften habe seit der Entscheidung des Bundestags massiv zugenommen. Der Waldshut-Tiengener Club habe bereits 200 Mitglieder, der Hamburger etwa 40, so Arndt. „Aber die Nachfrage hat enorm zugenommen.“ Bis zu 500 Mitglieder pro Verein könnten aufgenommen werden.

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Die Vereine sollen schließlich Cannabis anbauen und an die Mitglieder ausgeben dürfen. Geplant sei eine gemeinsame Anbaufläche für beide Clubs. Entsprechende Räumlichkeiten seien bereits gepachtet, Fachleute stehen in den Startlöchern: „Es fehlt nur noch die Behörde, die entsprechende Lizenzen erteilen kann. Hier ist es am Gesetzgeber, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen“, so Arndt.

„Erste Ernte frühestens im Dezember“

Stand heute könnten somit zum Stichtag 1. April allenfalls die notwendigen Produkte und Beratungsangebote verfügbar sein, um den erlaubten privaten Anbau von Cannabis zu Hause zu gewährleisten.

Bis die Genehmigungsbehörde etabliert sei, rechnet Arndt mit mindestens drei Monaten. Lege man eine Bearbeitungszeit von etwa acht Wochen für die Anträge zugrunde, könne im besten Fall im Frühherbst mit der ersten vereinseigenen Pflanzung begonnen und Ende des Jahres das erste Cannabis geerntet und an die Mitglieder ausgegeben werden.

Gemeinsam mit ihrem Team bereite sie unterdessen auch ein Jugendschutzkonzept vor, inklusive Aufklärungsangeboten, die sie an Schulen präsentieren wolle, schildert Arndt. Denn wie auch beim Alkohol sei der Cannabis-Konsum bei Jugendlichen nicht ratsam: „Eine fundierte Aufklärung und Information bringt dabei mehr als Verbote. Denn Verbote reizen eher zu Verstößen an“, so Arndt.

Fachstelle Sucht: Entkriminalisierung wichtig, aber Gefahren durchaus vorhanden

Auf Zustimmung stößt die Cannabis-Freigabe derweil auch bei der Fachstelle Sucht, wie deren Leiter Jonas Firnkes sagt: „Wir befürworten durchaus die Entkriminalisierung des Cannabis-Konsums und Besitzes für Erwachsene.“ Die nun beschlossene Gesetzesvorlage erfülle aber an vielen Stellen nicht das, was sich Experten erhofft hätten, schränkt er ein.

Jonas Firnke, Leiter der Fachstelle Sucht in Waldshut.
Jonas Firnke, Leiter der Fachstelle Sucht in Waldshut. | Bild: SK Archiv

Tatsächlich habe es die Fachstelle Sucht bislang vorwiegend mit rechtlichen Problemen im Zusammenhang mit Cannabis zu tun bekommen. Dazu zählt Firnkes Führerscheinverlust oder Beratungen im Zusammenhang mit Verurteilungen wegen Drogenbesitzes.

Das bedeute nicht, dass es die Berater nicht auch mit Suchtproblemen zu tun bekämen und auch in Zukunft zu tun bekommen würden, auch wenn sich die Zuweisungswege ändern werden: „So harmlos, wie es einige Stellen darstellen, ist Cannabis auch wieder nicht“, sagt Firnkes. Dies genau zu beziffern falle jedoch schwer, denn häufig lägen bei Suchtfällen Mischungen vor – mit anderen Drogen oder auch mit Alkohol.

Nicht von der Hand zu weisen seien derweil, dass es für Menschen mit Vorbelastung auch ein Risiko für Psychosen gebe. Und dass Cannabis-Konsum sich massiv negativ auf die Gehirnentwicklung Jugendlicher auswirke, sei ebenso unbestritten, so Firnkes. Aber es sei nicht mit sogenannten harten Drogen vergleichbar.

Gesetz nicht in allen Punkten ideal oder konkret genug

Dass der ursprünglich geplante lizenzierte Verkauf über offizielle Stellen in der beschlossenen Fassung durch Anbau und Abgabe auf Vereinsbasis ersetzt wurde, ist derweil ein gravierender Nachteil aus Sicht der Fachstelle Sucht. „Der Kontrollaufwand ist jetzt ungleich höher. Wer sollte das denn leisten können?“ Das sei eine ganz grundlegende Frage, so Firnkes weiter. Genauso gebe es noch an zu vielen Stellen Unklarheiten bis hin zu den Grenzwerten, ab denen eine Person sich nicht mehr hinters Steuer des eigenen Autos setzen dürfen.

Dennoch: „Wir sind gespannt, wie sich die kommenden Veränderungen auswirken und weiterhin für alle da, die Unterstützung benötigen“, so Firnkes. Auch werde die Fachstelle die Cannabisprävention in den kommenden Monaten besonders ins Auge fassen.

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