Die Energiepreise scheinen derzeit nur eine Richtung zu kennen – steil bergauf. Gut, wer jetzt einen Vertrag mit seinem Gas- oder Stromanbieter hat, der zumindest für ein bis zwei Jahre keine Kostensteigerung vorsieht. All jene, die von einem Billiganbieter kommen, der pleiteging, müssen nun oft höhere Preise als Bestandskunden in kauf nehmen. Der SÜDKURIER fragte bei Energieversorgern am Hochrhein nach, wie sich die Lange am Energiemarkt aktuell darstellt.
1. Wie ist die derzeitige Preisentwicklung beim Gas- und Strompreis?
Energiedienst
Alle angefragten Energieversorger erklären, dass der Krieg in der Ukraine Ursache für den teils enormen Preisanstieg auf dem Strom- und Gasmarkt ist. Alexander Lennemann, Pressesprecher der Energiedienst Holding AG mit Sitz in Laufenburg, sagt, dass sich der Einkaufspreis für das Jahr 2023 an der Strombörse seit Dezember 2021 von 10 Cent pro Kilowattstunden (ct/kWh) auf aktuell über 20 ct/kWh mehr als verdoppelt habe.
Die Hauptgründe hierfür liegen im Importstopp für Kohle aus Russland, was zu einer Preisexplosion für Kraftwerkskohle und damit zu einem Preisanstieg des Stroms geführt habe. Beim Gaspreis sieht die Entwicklung wieder entspannter aus. „Das liegt daran, dass es bisher zu keinem Embargo von russischem Gas gekommen ist. Gas hat sich für das nächste Jahr an den Energiemärkten von 5 ct/kWh auf aktuell 8 ct/kWh verteuert“, so Lennemann. Sie lägen somit deutlich unter den Extrempreisen im März (25 ct/kWh).
EnBW
Rashid Elshahed, Konzernpressesprecher der EnBW AG in Stuttgart, erklärt ebenfalls, dass sich mit dem russischen Angriff auf die Ukraine Ende Februar 2022 der Gaspreis eine bis dahin nie dagewesene Höhe erreicht habe.
Wie sich die Lage weiterentwickelt, lasse sich angesichts starker Schwankungen sowie vieler Faktoren, die auf die Strom- und Gaspreise einwirken, nicht sagen.
„Wir rechnen jedoch auch mittelfristig mit einem weiterhin hohen Niveau.“Rashid Elshahed, EnBW AG
Beim Strom dürfte der Wegfall der EEG-Umlage für eine gewisse Entlastung sorgen.
Badenova
Yvonne Schweickhardt, Pressesprecherin von Badenova in Freiburg, erklärt, dass die Großhandelspreise für Strom und Gas im April 2022 auf hohem Niveau seien. Am 19. April kostete eine Megawattstunde Strom 143 Euro, im Vorjahreszeitraum waren es 52 Euro.
Der Großhandelspreis für Gas lag an diesem Tag bei 109 Euro pro Megawattstunde, vor einem Jahr waren es 21 Euro – ein Anstieg von 419 Prozent.
2. Was bedeutet dieser Preisanstieg für die Kunden?
Für Bestandskunden habe der Energiedienst den Strom frühzeitig bei den eigenen Wasserkraftwerken am Rhein und im Schwarzwald reserviert. „Deshalb werden die Preise auch in diesem Jahr nicht erhöhen und hoffen, dass wir auch 2023 die Preise für Bestandskunden stabil halten können. Das hängt natürlich auch von der weiteren Preisentwicklung an den Börsen ab.“
Mit Blick auf die hohe Dynamik könne EnBW zum jetzigen Zeitpunkt keine konkrete Aussage treffen. Die Entwicklungen am Markt werden sehr genau beobachtet.
Bei Badenova rechnet die Pressesprecherin vor: Bei einem Musterhaushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 20.000 kWh, habe sich der Preis in etwa verdoppelt, was dem Branchenschnitt entspräche. Dies bedeute für einen Haushalt Mehrausgaben von rund 900 Euro im Jahr.
3. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung bei Gas und Strom?
Beim Energiedienst rechnet Alexander Lennemann für die nächsten Jahre mit weiterhin hohen Strompreise, da der Bedarf massiv zunehmen werde.
Bei einem deutlichen Ausbau der Erneuerbaren Energien werde der Preis langfristig aber deutlich fallen: „Die Produktion von Strom aus Wasser, Wind- und PV-Anlagen benötigt im Gegensatz zu Gas und Kohlekraftwerken keine Brennstoffe und keine CO2-Zertifikate. Deshalb gibt es selbst bei den heute im Mittel sehr hohen Strompreisen Stunden, in denen der Strompreis auf 0 Cent/kWh fällt oder sogar negativ wird.“
Wenn der Einbau von Gasheizungen verboten werden sollte und die Preise für Emissionszertifikate weiter steigen, könnte Gas teuer bleiben. Für Rashid Elshahed von EnBW ist der Krieg in der Ukraine der große Unsicherheitsfaktor bei Vorhersagen. „Deshalb lassen sich aktuell keine verlässlichen längerfristigen Prognosen zur Entwicklung der Preise an den Energiemärkten treffen.“
Auch bei Badenova hält man eine Voraussage für schwierig:
„Die Situation an den Energiemärkten ist dynamisch und von politischen und wirtschaftlichen Einflussfaktoren abhängig.“Yvonne Schweickhart, Badenova
4. Welche Auswirkungen haben die Pleiten von Billiganbietern?
Die Insolvenz vieler Billiganbieter habe dem Energiedienst über Weihnachten und zum Jahreswechsel viel Arbeit beschert. Als Grundversorger in der Region stelle der Energiedienst sicher, dass auch bei einer Insolvenz betroffene Haushalte und Unternehmen Strom erhalten.
„Oftmals werden diese Kunden nur für wenige Tage von uns versorgt, bis sie einen anderen Stromanbieter gefunden haben. Aktuell ist die Situation wieder ruhiger geworden.“Alexander Lennemann, Energiedienst
Auch von Badenova werden in solchen Fällen die betroffenen Kunden in die Ersatzversorgung aufgenommen. Für sie müssen zusätzliche Energiemengen zu aktuell extrem hohen Börsenpreisen beschafft werden, heißt es in der Mitteilung.
Wie viele Grundversorger führte das Unternehmen einen separaten Grund- und Ersatzversorgungstarif ein, der auf Basis der aktuellen Marktpreise angepasst wurde.
Auch EnBW springt nahtlos ein, wenn Kunden in die Ersatzversorgung fallen. „Diese Zugänge bringen für EnBW deutliche Mehrkosten mit sich, da wir die entsprechenden Gas- und Strommengen zusätzlich bei deutlich gestiegenen Preisen am Markt beschaffen müssen“, sagt Rashid Elshahed.
5. Wie viele Kunden kamen neu hinzu?
Seit Herbst 2021 gewinne der Energiedienst im Stromvertrieb deutlich Kunden hinzu, erklärt Pressesprecher Lennemann. 6000 Neukunden waren es, etwa die Hälfte kam hinzu, ohne von der Insolvenz eines Versorgers betroffen zu sein.
Insgesamt habe der Energiedienst rund 5000 Kunden aufgenommen, deren Versorger die Stromlieferung eingestellt hatte, 2000 Kunden haben sich einen anderen Versorger gesucht. Beim Gas ist der Energiedienst kein Grundversorger.
Badenova habe in beiden Segmenten Kunden gewonnen: Zum einen waren es Neukunden, zum anderen musste der Grundversorger per Gesetz „versorgerlose“ Kunden kurzfristig in die Belieferung übernehmen.
Bei EnBW wurde ein „signifikanter Zugang von Kunden“ festgestellt, die in die Ersatz- und Grundversorgung fallen. Beim Strom seien auf diesem Wege in den letzten zwölf Monaten eine mittlere fünfstellige Zahl an Kunden hinzugekommen, beim Gas sei es eine höhere vierstellige Zahl, sagt Rashid Elshahed.
6. Wie ist die Lage bei den örtlichen Stadtwerken?
Energieversorgung Klettgau-Rheintal (EVKR)
Andreas Linger, Geschäftsführer der Energieversorgung Klettgau-Rheintal (EVKR) gibt sich bedeckt. „Leider kann ich nicht all Ihre Fragen, so wie Sie es wünschen, beantworten, da ich sie unter dem Aspekt der Geschäftsgeheimnisse der EVKR sehe.“
Die EVKR habe keinen physikalischen Netzanschluss nach Deutschland und bezieht weiterhin den gesamten Strombedarf über die Schweiz.
„Wir haben zum 1. Januar 2022 unsere Preise erhöht.“Andreas Linger, Energieversorgung Klettgau-Rheintal (EVKR)
Auf der Internetseite des EVKR ist zu erfahren, dass es aktuell ein eingeschränktes Angebot für Neukunden gibt. Grund ist demnach, dass die „Preise an den Energiemärkten nahezu explodiert“ seien und es gab einen sehr starken und in diesem Ausmaß noch nie dagewesenen Strompreisanstieg.
Für Bestandskunden wurde die benötige Energiemenge langfristig eingeplant und beschafft, um eine zuverlässige Belieferung gewährleisten zu können. Kunden bezahlen im Tarif EVKRextra ab 10.001 kWh/Jahr 31,743 Cent/Kilowattstunde.
Stadtwerke Bad Säckingen
Udo Engel, Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Säckingen, erklärt, dass die Entwicklung der Gas- und Strompreise den Steigerungen entspricht, mit denen alle Energieversorger zu kämpfen haben: „Die Preise wurden zum Jahresbeginn angepasst. Jedoch zwingen uns die hohen Marktpreise im Sommer zu weiteren Anpassungen in der Grund- und Ersatzversorgung“.
Im Bereich der Sonderkunden müssen aller Voraussicht nach weitere Anpassungen zum Jahreswechsel vorgenommen werden.
„Für die treuen Bestandskunden der Stadtwerke Bad Säckingen ist die aktuelle Preissteigerung nicht ganz so tragisch. Da wir nur Jahresverträge anbieten, ist für den Kunden sichergestellt, dass er unterjährig keine Preisanpassung zu erwarten hat.“Udo Engel, Stadtwerke Bad Säckingen
Die Preissteigerung für einen klassischen Haushalt im Strom beträgt etwa 20 Prozent, was eine Mehrbelastung von etwa 380 Euro im Jahr bedeutet. Beim Gas beträgt die Steigerung rund 60 Prozent, das sind etwa 700 Euro mehr im Jahr. Die Insolvenz von diversen Stromanbietern habe sich nicht dramatisch ausgewirkt. Die Stadtwerke Bad Säckingen haben beim Strom etwa 40, beim Gas 60 Kunden in der Grundversorgung.
Stadtwerke Waldshut-Tiengen
Frank Zarska von den Stadtwerken Waldshut-Tiengen erklärt, dass die Stadt ihren Strom an der Energiebörse für ihre Kunden beschafft. Seit 1990 sei er in diesem Geschäft und sagt: „Die Weltpolitik spielt bei der Preisentwicklung eine Rolle und alle hängen mit drin. Aber so etwas wie jetzt, das habe ich noch nicht erlebt!“
Auf den Markt werde flexibel reagiert. Teilmengen der benötigten Energiemenge werden kontinuierlich an der Börse beschafft, um das Risiko hoher Preise zu minimieren. Der Preis für Kunden ist dann bis zu 24 Monate fix.
„Beim Preis für die Kunden können wir nicht machen, was wir wollen“, betont der Leiter des Vertragsmanagements. Was an Strom Kleinkraftwerke und Photovoltaik produziert werde, wird ins Netz eingespeist.“Frank Zarska, Stadtwerke Waldshut-Tiengen
Durch die Pleiten von Billigstromanbietern konnten die Stadtwerke „eine mittlere zweistellige Zahl“ an Kunden hinzugewinnen, einige sind in der Grundversorgung.