Es ist ein Thema, das bei den meisten Menschen Ekel und Abscheu auslöst. Sexueller Missbrauch von Kindern ist eine Straftat, die sich quer durch die Gesellschaft und durch das ganze Land zieht. 13.670 Fälle waren es in Deutschland 2019, die angezeigt wurden und in die Kriminalstatistik eingingen. Jedes Jahr gibt es auch am Hochrhein mehrere Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch: 2019 waren es laut Auskunft des Polizeipräsidiums Freiburg 50 in den Kreisen Waldshut und Lörrach, die bei der Polizei angezeigt wurden, im Jahr davor 67. Die Opfer waren jeweils im Kindesalter bis 13 Jahren. Die Bandbreite der Taten ist weit und reicht von Berührungen, bis zum schweren sexuellen Missbrauch, bei dem eine Penetration erfolgt. Die Aufklärungsquote in der Region ist mit 88 bis 96 Prozent sehr hoch – allerdings sind diese Fallzahlen nur die Spitze des Eisbergs.
Die Dunkelziffer schätzen Experten um ein Vielfaches höher, denn Missbrauch bleibt oft im Verborgenen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht von einer Million betroffener Kinder in Deutschland aus und auch die Polizei geht davon aus, dass die polizeilich erfassten Fälle das eigentliche Ausmaß des Missbrauchs bei Weitem nicht abbilden würden. Trotz zahlreicher Informationen der Bevölkerung über sexuellen Kindesmissbrauch wird diese Straftat verhältnismäßig selten polizeilich bekannt – vor allem, wenn sexuelle Gewalt innerhalb der Familie oder des Bekanntenkreises ausgeübt wird.
Unterstützung für Opfer
Doch noch ehe es zu einer Anzeige bei der Polizei kommt, nutzen viele Betroffene zunächst die Angebote von Fachberatungsstellen für Opfer wie dem Weissen Ring, oder auch dem Verein Wendepunkt. Letzterer zog jüngst Bilanz des Jahres 2019: 623 Beratungen und 220 Fälle. Von den Betroffenen seien 57 Prozent weiblich und 42 Prozent männlich gewesen. Über die Hälfte aller Fälle habe das Stadtgebiet Freiburg betroffen.
Vorsitzende Anja Menner berichtete in Sachen Präventionsarbeit von einem „Rekordjahr“ mit über 60 Fortbildungs- und Präventionsmaßnahmen. An insgesamt 13 Schulen seien Präventionen durchgeführt worden. Bei all diesen Maßnahmen habe man über 800 Schulkinder erreicht sowie über 500 Personen bei Elternabenden.
Information und Beratung
Auch die Außenstelle des Weißen Rings in Waldshut-Tiengen ist in Sachen Prävention aktiv: 2019 lag der Schwerpunkt im Rahmen der Kriminalprävention bei sexuell motivierten Straftaten gegen Kinder. So gab es insgesamt zehn Veranstaltungen, unter anderem auch mit der Puppenbühne Konstanz.
Missbrauch verhindern
Das Präventionsprogramm der Polizei „Missbrauch verhindern!“ zielt vor allem darauf ab, Erwachsene zu befähigen, Kinder vor sexueller Gewalt zu schützen. „Schützen Sie Kinder durch Ihr Handeln, ist die wichtigste Botschaft der Kampagne ‚Missbrauch verhindern!‘. Damit wollen wir Erwachsenen im Umfeld von betroffenen Kindern Handlungsmöglichkeiten zum Kinderschutz aufzeigen. Dazu gehört auch eine Strafanzeige bei der Polizei“, appelliert Stefanie Hinz, Vorsitzende der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes.
Fünf Schritte der Kampagne „Missbrauch verhindern!“
15.701 Kinder werden 2019 Opfer
13.670 Fälle des sexuellen Kindesmissbrauchs registrierte die Polizei im Jahr 2019 in Deutschland. 2018 waren es 12.321. Der Großteil der 10.259 erfassten Tatverdächtigen im Jahr 2019 war männlich (9.632 Tatverdächtige), mehr als zwei Drittel der 15.701 Opfer weiblich. In den meisten Fällen kannten sich Opfer und Täter: Von den im Jahr 2019 erfassten Opfern eines sexuellen Missbrauchs waren 2.664 mit dem Tatverdächtigen verwandt und 3.399 mit dem Tatverdächtigen bekannt oder befreundet. 1.683 kannten den Tatverdächtigen durch eine flüchtige Bekanntschaft, 5.154 hatten mit dem Tatverdächtigen keine Beziehung.
Wichtig zu wissen: Taten von Fremden werden eher angezeigt als der sexuelle
Kindesmissbrauch im sozialen Umfeld. Gründe für die mangelnde Anzeigenbereitschaft bei Taten im sozialen Nahraum sind neben der Abhängigkeit
des Opfers vom Täter auch die Angst der Angehörigen vor den Folgen einer Anzeige
und einem damit verbundenen Gerichtsverfahren. Missbrauchende Erwachsene oder Jugendliche nutzen ihre Überlegenheit und das Vertrauen des Kindes aus, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Zur Strategie der Täter gehört es, Gelegenheiten und Situationen herbeizuführen, in denen der Missbrauch ungestört stattfinden kann.
Wie wirkt sich Corona aus?
Anja Menner vom Verein Wendepunkt spricht über die laufenden Aktivitäten im Corona-Jahr von „erschwerten Bedingungen“. Über Monate waren persönliche Beratungen aufgrund der Pandemie nicht möglich, Telefon- und Videoberatungen derweil schon. Mittlerweile seien auch wieder persönliche Gespräche unter den gängigen Corona-Hygienevorschriften möglich. Aufgrund des stark erhöhten Bedarfs und erhöhter Nachfragen in allen Bereichen sei man in Freiburg längst an der Kapazitätsgrenze angelangt und müsse über eine räumliche Ausweitung nachdenken.

Hohe bundesweite Medienpräsenz habe zuletzt die Aktion „Melde Dich“ erreicht. Der Verein und der SC-Freiburg-Spieler Nicolas Höfler hatten die Aktion gestartet, mit der man Kinder ermutigen will, sich bei erlittenem Missbrauch direkt bei Wendepunkt zu melden. Seit Ende Juni hängen in Freiburg nun die Litfaßsäulen-Plakate samt der Telefonnummer und einem Bild des bekannten Fußballspielers. Der Slogan: „Niemand darf dich anfassen, wenn du es nicht willst!“