Wehmut liegt in der Luft, als Jürgen Pflüger an diesem Vormittag seine Tiere besucht. Kaum ist Pflüger aus dem Auto gestiegen, kommt die Kuh Kressie sofort angelaufen. Sanft stupst sie mit dem Kopf gegen seine Hand. Jene Hand, die sie sozusagen fast ihr ganzes Leben gefüttert hat. 22 Jahre alt ist Kressie. Ein Jahr älter als das Gersbacher Wisentgehege.

Zeichen der Zuneigung: Bubi stupst die Hand von Jürgen Pflüger. Doch Wehmut liegt in der Luft. Alle Versuche, eine neue Obhut für Kuh ...
Zeichen der Zuneigung: Bubi stupst die Hand von Jürgen Pflüger. Doch Wehmut liegt in der Luft. Alle Versuche, eine neue Obhut für Kuh Kessi und Bulle Bubi zu finden, sind bislang gescheitert. Jetzt droht ihnen die Einschläferung. | Bild: André Hönig

„Bubi, komm her!“ Auch der 14-jährige Bulle kommt auf Zuruf von Jürgen Pflüger jetzt angetrabt. Bubi ist ein wahrer Pfundskerl, bringt wohl um die 800 Kilo auf die Waage. Überhaupt stehen die Tiere gut im Futter – oder besser gesagt: wieder.

Diesen Schritt bereut er nachträglich

Ende 2022 hatte Pflüger seine damals fast 20 Jahre lang mit viel Liebe, Aufwand und auch eigenem Geld – erst ab 2015 übernahm die Stadt die Kosten für Futter und Tierarzt, im Schnitt etwa 6000 Euro pro Jahr – gehegte und gepflegte Herde in neue Gehegepächter-Hände gegeben. Nicht zuletzt aus Altersgründen, Pflüger wird demnächst 70. Ein Schritt, den er nachträglich bitter bereut hat.

Fünf der sieben Tiere sterben in kurzer Zeit

„Das war der größte Fehler, den ich je gemacht habe“, sagt er. Denn: In neuer Obhut starben binnen kurzer Zeit fünf der sieben Tiere. Seit Herbst 2023 lief denn auch ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen. Jetzt hat sie eine Geldstrafe wegen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz in zwei tateinheitlichen Fällen beim Amtsgericht Schopfheim beantragt, teilt Sprecherin Rahel Diers auf Nachfrage mit. Der Vorwurf: Die neue Halterin habe mehrere Wochen lang die Tiere nicht ausreichend mit Futter und Wasser versorgt. Dies sei zumindest für den Tod von zwei Tieren die Ursache.

Einspruch gegen den Strafbefehl

Allerdings sei gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt worden. Die Sache liegt jetzt beim Amtsgericht Schopfheim. Richter Stefan Götz teilt auf Nachfrage mit, dass der Fall öffentlich verhandelt werde. Das Ganze hatte aber auch kommunalpolitisch Folgen. Der Gemeinderat nahm dies zum Anlass, im November 2023 zu beschließen, die Kosten für das Gehege, das der Stadt gehört, einzusparen – zumal für die drei Hektar große Fläche eine neue Umzäunung erforderlich ist.

Freiburger Firma zeigt Interesse an der Übernahme

Abgewendet wurde das Aus damals nur, weil sich eine Freiburger Firma, die sich mit Kuhmilchzellen beschäftigt, Interesse an der Übernahme des Geheges und der beiden Tiere anmeldete, die überlebt hatten: Bubi und Kressie, die sich – ab Sommer 2023 zurück in den Händen von Jürgen Pflüger – wieder erholten. Der Plan war, Tiere dazuzukaufen und einen hiesigen Landwirt mit der Betreuung zu beauftragen.

Aber es zeichnet sich ab: Daraus wird wohl nichts

Jedoch zeichnete sich nach einigen Monaten ab, dass aus dem Engagement der Firma wohl doch nichts wird. Pflüger und die Stadt vereinbarten daraufhin im Juni, dass die Wisente wenigstens bis Herbst im Gehege bleiben können und vom Jürgen Pflüger versorgt werden. Bis dahin sollten mögliche Abnehmer für die Tiere gesucht werden.

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Wenn sich bis Ende Oktober nichts tut, war‘s das

Nun ist jedoch der Sommer vorüber. Und alle Versuche, eine neue Obhut zu finden, sind bislang gescheitert. Gerade auch Ortsvorsteher Andreas Falk hatte zahlreiche Einrichtungen im In- und Ausland kontaktiert. „Aber keiner will sie aufnehmen.“ Bis Ende Oktober sei noch Zeit. Dann werde er wohl die Tiere einschläfern lassen müssen – „abschießen kommt für mich nicht infrage“.

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“

Pflüger hadert auch deshalb mit der Entscheidung, die Tiere damals abgegeben zu haben, weil sich ohne die Todesfälle vielleicht auch eine Lösung für die Umzäunung gefunden hätte. Pflüger ist überzeugt: Statt einer komplett neuen Holzumzäunung, was wohl um die 60.000 Euro kosten würde, reicht auch eine billigere Lösung aus – eine Elektrozaun-Abgrenzung, befestigt an Recyclingstangen. Auch wenn die Tiere wohl nun für immer gehen werden – das Zaunproblem bleibt.

Ortsvorsteher Falk stellt jedenfalls schon mal klar, dass der Ortschaftsrat dafür kein Geld hat. Und wer weiß? Vielleicht finde sich jetzt in allerletzter Minute doch noch ein Retter? Vielleicht ein Gnadenhof? „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt Andreas Falk. „Ja,“, fügt Jürgen Pflüger hinzu. „Schön wär‘s.“

Kontakt: Jürgen Pflüger, Telefon 07620¦988890; 0172 6248354 oder per E-Mail christelpflueger@outlook.de oder Andreas Falk (A.Falk@schopfheim.de).

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