Der von der Schwester gebackene grüne Kuchen und die grünen Luftballons, mit denen Nachbarn sein Haus im Wutöschinger Ortsteil Ofteringen am Wahltag verzierten, entpuppten sich wenige Stunden später als gutes Omen für Niklas Nüssle. Der 26-Jährige erobert den Wahlkreis Waldshut (59) für Bündnis 90/Die Grünen und zieht als direkt gewählter Abgeordneter in den Stuttgarter Landtag ein. Mit 37,1 Prozent der abgegebenen Stimmen verbessert er nicht nur das Grünen-Ergebnis von vor fünf Jahre um 6,7 Prozentpunkte, sondern liegt damit auch über dem Landesergebnis seiner Partei. Ob die bisherige Abgeordnete Sabine Hartmann-Müller über ein Zusatzmandat auf Regierungsbezirksebene doch noch den Sprung ins Landesparlament schaffte, stand bis Redaktionsschluss nicht fest.
„Ich kann es noch gar nicht richtig fassen“, sagt Niklas Nüssle als feststeht, dass er die Wahl gewonnen hat. Und weiter erklärt der junge Mann, der 2019 seinen Master of Science in Chemical- and Bioengineering an der ETH in Zürich gemacht hat, im Gespräch mit dieser Zeitung: „Die Deutlichkeit des Ergebnisses hat mich dann doch überrascht. Ich freue mich über das große Vertrauen, dass mir die Wähler entgegen gebracht haben. Wir haben heute Abend Historisches geschafft. Ich freue mich über die Chance, als erster Grüner Abgeordneter überhaupt den Wahlkreis Waldshut zu vertreten und dass ich dafür eintreten kann, Umwelt und Menschen zukunftssichernd zusammenzubringen. Ich werde mich mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass in Stuttgart die richtigen Entscheidungen für den Hochrhein getroffen werden.“
Die Nase vorn in allen 23 Gemeinden
Während Niklas Nüssle in allen 23 Gemeinden des Wahlkreises die Nase vorn hatte, wurde der Wahltag zur großen Enttäuschung für die amtierende Abgeordnete. Sabine Hartmann-Müller aus Rheinfelden holte für die CDU mit 22,9 Prozent ein historische schlechtes Ergebnis und konnte ihr Mandat nicht direkt verteidigen. „Das ist ein Desaster“, erklärte sie in einer ersten Reaktion. Es freue sie aber, dass die CDU zweitstärkste Kraft im Wahlkreis geblieben sei. Dass der Abstand zu den Grünen mit gut 14 Prozentpunkten allerdings so deutlich ausfallen würde, habe sie nicht erwartet. Aktuell habe sie noch keinen Plan B, auch vermochte sie am Wahlabend nicht zu sagen, ob sie in fünf Jahren noch einmal antreten werde.
Sabine Hartmann-Müller war im Oktober 2017 als Zweitkandidatin auf der CDU-Liste für Felix Schreiner in den Landtag nachgerückt, nachdem dieser seine Zukunft im Bundestag in Berlin sah und sieht. Schon beim Urnengang vor fünf Jahren mussten die Christdemokranten einen deutlichen Stimmenrückgang (von 39,2 im Jahr 2011 auf 30,8 Prozent im Jahr 2016) hinnehmen und landeten 2016 mit gerade einmal 0,4 Prozentpunkten Vorsprung vor den Grünen auf Platz eins.
Die beiden Waldshut-Tiengener Kandidaten Harald Ebi (FDP) und Bernhard Boll (AfD) lagen mit ihren Wahlkreis-Ergebnissen in etwa im Landestrend, Peter Schallmayer (Höchenschwand) fuhr für die SPD mit 9,6 Prozent ein nur noch einstelliges Ergebnis ein. Die Lust der Wähler an der Landtagswahl war nicht sehr hoch. Die Wahlbeteiligung lag mit gerade einmal 56,6 Prozent deutlich unter der von vor fünf Jahren mit 64,5 Prozent.