Einen Monat nachdem Pro Juve Caritas Jugendhilfe Hochrhein Hals über Kopf die Betreuung autistischer Menschen am Hochrhein übernommen hat, zieht die Einrichtung eine positive erste Zwischenbilanz. Sie hebt die Bereitschaft der Landkreise Waldshut und Lörrach zu unbürokratischen Lösungen hervor. Am 8. November soll über die endgültige Struktur der Betreuung und Förderung beraten werden.
Nach der dramatischen Insolvenz des Zentrums für Autismus-Kompetenz Südbaden (ZAKS) mit seinem Therapiezentrum in Bad Säckingen im August hat Pro Juve am 1. September die Förderung und Begleitung von Menschen im Autismus-Spektrum begonnen. Damit ist es gelungen, innerhalb kürzester Zeit eine schwere Krise bei der Erfüllung dieser Pflichtaufgabe der Landkreise Waldshut und Lörrach zu bewältigen.
Die vertrauten Betreuer konnten fast alle übernommen werden
Von den einst 13 Mitarbeitern des ZAKS konnte Pro Autismus elf übernehmen. Für 120 Klienten können fast alle Therapien nach einer nur zweiwöchigen Unterbrechung seit Mitte September fortgesetzt werden. Zuvor waren es 140 Klienten. Ob zukünftig ein erhöhter Bedarf entstehen wird, ist noch offen.
Für Martin Riegraf, Geschäftsführer der Caritas Hochrhein, galt es zwei Stränge zur Krisenbewältigung zu verbinden: „Wir mussten auf der einen Seite sicherstellen, dass die Begleitung der Menschen ohne Unterbrechung fortgesetzt wird und müssen nun auf der anderen Seite eine neue Leistungsvereinbarung mit den Jugendämtern der Landkreise abschließen“, erklärt Ziegraf.
Das Pferd wurde von hinten aufgezäumt
Von Beginn an habe er gegenüber den staatlichen Stellen klargemacht, dass Pro Juve zu einer überregionalen Lösung für den gesamten Regierungsbezirk Freiburg nicht zur Verfügung stünde. „Wäre eine solche angestrebt worden, dann wären wir aus den Verhandlungen draußen gewesen. Die Caritas Hochrhein versteht sich als ein Regionalversorger und wir sind der Region verpflichtet. Deshalb sind wir im Bereich der Autismus-Förderung auch nicht auf Expansion aus.“ Dass es im Landkreis Lörrach möglicherweise weitere Träger in diesem Bereich geben werde, sei für ihn daher auch unproblematisch. „Unser Thema ist die Grundversorgung. Wenn das dort auch andere machen, ist es uns recht“, erklärt Riegraf mit Nachdruck.

Zum Wohle der Menschen seien die Caritas Hochrhein und die Landkreise einen ungewöhnlichen Weg gegangen. „Unsere Strategie war, dass die Jugendämter zunächst die Zustimmung dazu geben, dass die bisherigen Mitarbeiter des ZAKS mit ihrer Erfahrung und Kompetenz von uns eingestellt werden können, bevor die Verhandlungen en détail fortgesetzt werden. Wir haben also das Pferd von hinten aufgezäumt“, erläutert Ziegraf.
Pro Juve erhält von den Landkreisen einen großen Vertrauenvorschuss
Zugleich habe er jedoch darauf achten müssen, dass er Pro Juve nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringe. „Ich habe daher dem Landratsamt mitgeteilt, dass ich einen gewissen Freibrief benötige und das Landratsamt hat mir diesen gegeben und zugesagt, dass sie das weitere Procedere konstruktiv begleiten werden“, so der Geschäftsführer.
Dabei habe er stets optimistisch in die Zukunft geblickt, „denn Pro Juve ist ein großer Träger, uns bläst nichts so schnell um. Aber dennoch muss ich auch unternehmerisch denken, damit wir das Förderangebot langfristig sichern können, etwas anderen kann ich den Klienten nicht zumuten“, ergänzt Riegraf.
Was ist noch zu klären?
Auch wenn die schwere Krise des Sommers durch diese Herangehensweise nunmehr überwunden sei, gäbe es aber noch Klärungsbedarf. „Es ist gelungen, aus der Schockstarre der vergangenen Monate herauszukommen und die größten Sorgen der Betroffenen zu überwinden. Die eigentliche Arbeit fängt aber jetzt erst richtig an. Hierbei stehen auch die Jugendämter der Landkreise Waldshut und Lörrach in der Verantwortung, da die Förderung der Menschen aus dem Autismus-Spektrum eine Pflichtaufgabe für die öffentliche Hand ist“, führt Ziegraf aus.

Nach der Sicherung des Therapie- und Förderangebots gelte es nun, die weiteren Schritte zu gehen, um diese langfristig abzusichern. „Dies ist im Sinne der Kinder und ihrer Familien und wir werden uns auf diesem Weg mit potenziellen anderen Anbietern abstimmen“, ergänzt er. Angedacht sei darüber hinaus, das Angebot im östlichen Landkreis durch eine Verzahnung bei der Beschulung und Schulbegleitung sowie den Tagesgruppen zu dezentralisieren.
Alle Kosten werden offen gelegt
„Seit September legen wir alle Kosten vorbehaltlos offen und werden dies auch bis zum Ende des Jahres so fortführen. Am 8. November werden die Jugendämter und Träger in den beiden Landkreisen im Rahmen einer Konferenz darüber sprechen, wie es dann im Jahr 2025 weitergehen soll. Entscheidend ist für Pro Juve dann der kommende Januar, denn da müssen wir wissen, ob unser Angebot wirtschaftlich darstellbar ist, um es mit einer langfristigen Perspektive anbieten zu können“, hält Riegraf fest.

Dass er bei den Zukunftsplanungen sehr vorsichtig sein müsse, ist ihm bewusst, „doch ich bin optimistisch, denn alle Beteiligten wissen um die Problemlage und gehen offen damit um“, ergänzt er. „Ich habe ein großes Vertrauen darauf, dass der Prozess zu einem guten Ende kommt und alle Beteiligten können Stolz auf das sein, was sie geleistet haben.“
Eine Einschätzung, der sich Michaela Hilger, Leiterin von Pro Autismus Hochrhein vorbehaltlos anschließen kann und zu der ihre Stellvertreterin Carina Mutter erklärt: „Würden wir nicht daran glauben, dass alles ein gutes Ende findet, wären wir nicht hier geblieben. Wir spüren viel Dankbarkeit und Freude von Seiten der Kinder und ihrer Familien und freuen uns, wenn wir von ihnen hören ‚Hey, wir dürfen wieder kommen‘.“