Über den ungewöhnlichen Mix der Regionen in so manchem baden-württembergischen Wahlkreis wird seit der Reform im Jahr 2009 immer wieder kontrovers diskutiert. Ziel der vom Staatsgerichtshof 2007 per Urteil verfügten Neuordnung war, die Größe der Wahlkreise mit einer vergleichbaren Zahl der Wahlberechtigten in Einklang zu bringen. Im Regelfall dürfe eine Abweichung von 10 bis 15 Prozent nicht überschritten werden. Herausgekommen sind nach dieser Reform teilweise kunstvolle Konstrukte, wie sie unter anderem im Landkreis Waldshut vorkommen: Der Wahlkreis 46 (Freiburg I) schneidet im Norden zwischen Wutach und Bernau den Landkreis vom Rest der Kreisgemeinden ab. Auch durch den Stadtkreis Freiburg geht ein harscher Schnitt, dazu kommen Gemeinden aus dem Kreis Breisgau-Hochschwarzwald. Auch diesmal kommt kein einziger Erstkandidat im Wahlkreis 46 aus dem Landkreis Waldshut.
1. Warum hat der Wahlkreis 46 diesen Zuschnitt?
Hintergrund für diesen Neuzuschnitt waren verfassungsrechtliche Gründe. Der Staatsgerichtshof erklärte in seinem Urteil vom 14. Juni 2007, dass Größenabweichungen von mehr als 25 Prozent von der durchschnittlichen Wahlkreisgröße als nicht mehr verfassungsgemäß angesehen wurden. Aus diesem Grund beschloss der Landtag im Oktober 2009 eine Änderung des Landtagswahlgesetzes. Erstmals wurden für die Landtagswahl vor zehn Jahren in 37 der 70 Landtagswahlkreise Änderungen vorgenommen. Für den Wahlkreis Waldshut bedeutete die Reform, dass die nördlichen Landkreisgemeinden Bonndorf, Grafenhausen Ühlingen-Birkendorf und Wutach dem Wahlkreis 46 zugeordnet wurden, Bernau, Dachsberg Häusern, Höchenschwand, Ibach, St. Blasien und Todtmoos gehörten schon davor zu diesem Wahlkreis.
3. Was sagt Landrat Martin Kistler dazu?
„Die Wahlkreiseinteilung ist für meine Arbeit weniger von Relevanz, als es das für die betroffenen Landtagsabgeordneten der Fall sein dürfte“, erklärt Landrat Martin Kistler auf Anfrage des SÜDKURIER. Was die Vertretung gemeinsamer Interessen mit den Landkreisen Lörrach und Breisgau-Hochschwarzwald betreffe, gehe er davon aus, dass sie sogar von der Wahlkreisreform profitiert hätten. Dass das Landtagswahlgesetz vorsieht, dass Wahlkreise vergleichbar groß sind, sei sinnvoll. Die zum Wahlkreis Waldshut zählenden Lörracher Gemeinden Rheinfelden und Schwörstadt zählen rund 36.000 Einwohner, die Waldshuter Kreisgemeinden im Wahlkreis 46 kommen auf rund 29.000. „Eine Umverteilung würde somit nicht zu 100 Prozent passen, zumal mit Freiburg I und Lörrach zwei Wahlkreise betroffen wären, bei denen der Zuschnitt nach der Änderung auch wieder den Landesvorgaben entsprechen müsste“, erklärt Kistler.
3. Wie sieht es der Sprecher der Bürgermeister?
Michael Scharf, Sprecher der Bürgermeister im Kreis Waldshut, sagt: „Einerseits verstehe ich die Wahlkreisreform, da die Landkreise sehr unterschiedliche Einwohnerzahlen haben: Waldshut 160.000, Breisgau-Hochschwarzwald 260.000. Da für diejenigen Kandidaten, die kein Direktmandat haben, die Stimmenzahl maßgeblich ist, müssen die Wahlkreise gleich groß sein.“ In der täglichen Arbeit habe es aber viele Nachteile. Welche Abgeordneten soll er zur Kreisversammlung der Bürgermeister einladen? An welche Abgeordneten soll er sich mit welchen Themen wenden? „So werden wir mit dem Problem leben müssen“, stellt er nüchtern fest.
4. Wer war aus diesem Wahlkreis 46 bisher im Landtag?
Im Jahr 2006 waren aus dem alten Wahlkreis Freiburg Ost noch drei Abgeordnete im Stuttgarter Parlament vertreten: Reinhold Pix (Die Grünen), Klaus Schüle (CDU) und Walter Krögner (SPD), der vom 6. November 2009 bis 30. April 2011 im Landtag war. Er rückte für den ausgeschiedenen Gustav-Adolf Haas nach. Nach der Wahl 2011 blieb Reinhold Pix als einiger Abgeordneter aus diesem Wahlkreis übrig. Überraschend sicherte er sich das Direktmandat im neu zugeschnittenen Wahlkreis 46 knapp vor Klaus Schüle (CDU).
5. Welche Kandidaten treten 2021 an?
Von den im Landtag bisher vertretenen Parteien nimmt Daniela Evers aus Titisee-Neustadt (Bündnis 90/Die Grünen) den Platz von Reinhold Pix ein, der seit 2006 als Abgeordneter im Landtag sitzt und 2011 sowie 2016 jeweils das Direktmandat im Wahlkreis Freiburg I holte. Nun wechselt er als Kandidat in den Wahlkreis Breisgau (48). Für die CDU tritt Manuel Herder an, für die FDP Marianne Schäfer, für die SPD ist es Jennifer Sühr und Daniel Rottmann bewirbt sich für die AfD um ein Mandat im Landtag. Rottmann wurde 2016 mit 15,9 Prozent der Stimmen im Wahlkreis Ehingen (Wahlkreis 65) in den Landtag gewählt. Nun hat auch er den Wahlkreis gewechselt, weil er bei der Nominierung in Ehingen nicht mehr berücksichtigt wurde.