
Seine sanfte Buchten inmitten der Natur und das kühle, chlorfreie Wasser locken jedes Jahr aufs Neue viele Menschen an und in den Rhein. Doch verwandelt sich der Lockruf immer wieder in ein Sirenengeheul, wenn man den Fluss falsch einschätzt. Denn in einigen Situationen sind selbst geübte Schwimmer chancenlos.
Dann sind die Strömungsretter der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) im Einsatz. Im Team der DLRG Waldshut-Tiengen sind das unter anderem Gut ausgebildet: Judith Zimmermann, Tim Kiefer, Max Lehr und Björn Heid (von links).
Die speziell ausgebildeten Retter kennen die Gefahren genau, die jedes Jahr Menschen zum Verhängnis werden und Leben kosten. Gemeinsam mit DLRG-Einsatzleiter und Ausbilder David Lehr zeigen sie im Bereich Waldshut, die Gefahren im Rhein und wie schwierig Rettungseinsätze im Wasser sein können.
Mit an Bord ist SÜDKURIER-Reporterin Julia Becker. Mit Schwimmweste, Sicherheitsabstand und einer ordentlichen Portion Respekt vor dem Gewässer wollte Sie von den Rettern wissen: „Warum ist das Baden im Rhein so gefährlich?“
„Die größte Gefahr ist die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und die Unterschätzung dieses dynamischen Fließgewässers“, schildert David Lehr, Einsatzleiter bei der DLRG Ortsgruppe Waldshut-Tiengen und Ausbilder der Strömungsretter.
„Das Problem ist der Instinkt“, erklärt Lehr: „Zuerst versucht man, an die Einstiegsstelle zurückzukommen. Wenn das nicht gelingt, versucht man auf der deutschen Seite zu bleiben.“
Strömungsretter Max Lehr zeigt, wie schnell man von der Strömung mitgerissen wird.
„Der Rhein ist sehr dynamisch mit Kurven, Querströmungen, unterschiedlichen Tiefen und einem sich immer wieder verändernden Flussbett“, erklärt David Lehr. Es gebe keine Sicherheit, die Badestelle genauso vorzufinden wie beim letzten Mal.
Gegen die Fließrichtung anzuschwimmen ist kaum möglich, wie Max Lehr demonstriert.
Die Strömung raubt die Kraft
Bei starker Strömung helfe es auch nicht, dem Ertrinkenden ein Seil zuzuwerfen: Sich gegen die Strömung festzuhalten schaffe man bei Erschöpfung kaum, dazu drücke einen die Strömung unter Wasser.
So schon geschehen bei einer Gruppe in einem Schlauchboot: Auf einem kleinen Beiboot fuhr die Kiste Bier mit, diese blieb in Treibgut hängen. Die Strömung riss das Schlauchboot unter Wasser. Glücklicherweise konnten sich die Männer retten. Auch Tiere sind ein häufiger Unfallgrund. „Wird der Hund abgetrieben, springen Hundehalter oft hinterher und müssen selbst gerettet werden“, so Lehr.
Absolut lebensgefährlich wird es an Brücken und Wehren: Hier kann das Risiko so groß sein, dass auch die Retter nicht immer helfen können. „Am Wehr entsteht eine Wasserwalze, die Material und Personen lange festhalten kann. Der Sog zum Wehr reicht sehr weit, darum sollte man die Warnschilder unbedingt ernst nehmen“, so Lehr.
Denn selbst eine Schwimmhilfe nützt in diesen Bereichen nicht mehr, denn das mit Sauerstoff verwirbelte Weißwasser hat kaum noch Auftrieb: Man sinkt wie ein Stein. An Brücken ist mit Verwirbelungen zu rechen, dazu sammelt sich an den Pfeilern Schwemmgut.
Schwierigste Einsätze
Einen besonders dramatischen Einsatz hatten die Retter im Februar 2020 in Unterlauchringen: Ein Arbeiter versuchte Schwemmholz aus der Wehranlage zu entfernen, stürzte in den Fluss und wurde von der Strömung an den Pfeiler gedrückt. Fast eine Stunde brauchten die DLRG-Retter, um den Mann zu befreien.
Die Strömungsretter wie Johannes Flügel sind speziell für solche Einsätze ausgebildet – sowohl für Rettung als auch für die Bergung.
„Wir haben ungefähr zehn bis 20 Alarmierungen im Jahr“, berichtet Einsatzleiter David Lehr. Wider Erwarten mussten die Retter aber 2020 trotz geschlossener Schwimmbäder und Sommerhitze nicht häufiger als sonst ausrücken.
Wie tückisch die Strömung selbst ohne Hindernisse im Fluss sein kann, wird bei der Probe einer Personenrettung deutlich: Der Sog des Hauptstroms sorgt für ein Kehrwasser, welches den unerfahrenen Schwimmer immer wieder auf den Totpunkt in seiner Mitte zurückzieht.
Wie bei dieser Übung sind die Retter immer mindestens zu zweit im Einsatz und haben trotz Erfahrung mit diesen anspruchsvollen Bedingungen zu kämpfen.
Schließlich gelingt es ihnen, den Ertrinkenden an Land zu bringen.
Wenn man dennoch im Rhein schwimmen will, was ist zu beachten?
Wer sich gerne im Rhein treiben lässt, sollte immer eine Schwimmhilfe dabei haben. Mit nach vorne gerichteten Füßen schützt man sich vor unerwarteten Hindernissen.
Und wie verhält man sich im Notfall richtig?
Im Wasser: Verliert man die Kontrolle, gelte es Ruhe zu bewahren: „Oben bleiben, nicht gegen die Strömung ankämpfen und mit Winken und Rufen auf sich aufmerksam machen“, so Lehr. Wenn es die Situation ermöglicht, könne man auch mit der Strömung versuchen, in Richtung eines der beiden Ufer zu gelangen.
Am Ufer: Als Beobachter eines Schwimmers in Not sollte man auf keinen Fall selber ins Wasser springen: „Nach Möglichkeiten eine Schwimmhilfe zuwerfen und sofort Hilfe über die 112 alarmieren“, so Lehr. Schnelligkeit ist hier entscheidend: Die Retter haben ein großes Einzugsgebiet, im Extremfall kann die Anfahrt bis zu einer halben Stunde dauern. „Durch die hohe Fließgeschwindigkeit haben wir sehr schnell einen großen Bereich abzusuchen“, so Lehr. Darum sollte man nach Möglichkeit die Person in Not im Blick behalten, um die Retter zur richtigen Stelle zu lotsen – im Zweifelsfall auch dahin, wo die Person untergegangen ist.