In der Gemeinde Küssaberg bildet sich rasant eine plastikfreie Gemeinschaft, die in Selbstversuchen beweist: Ein Wocheneinkauf (fast) ohne Plastikmüll ist möglich. Und das Interesse an ihren Erfahrungen ist groß. Über 100 Interessierte kamen zum Vortrag „Plastikfrei! Wie soll das gehen?“ in das Dietrich-Bonhoeffer-Haus Kadelburg.
Kerstin Mommsen berichtet über Selbstversuch
Von ihrem eigenen Selbstversuch berichtete SÜDKURIER-Redakteurin Kerstin Mommsen aus Friedrichshafen, die zu diesem Thema bereits bei der ARD-Fernsehsendung „Hart aber Fair“ zu Gast war. Inspiriert wurde sie von ihrem Sohn Paul. Konfrontiert mit den Bildern von durch Plastik in den Meeren verendeten Tieren wollte er wissen, warum so viel davon dort landet. Entschlossen, dass tatsächlich jeder etwas tun kann, begann sie das „Plastik-Fasten“ und berichtete in ihrem Vortrag darüber, wie sie nach und nach auf Plastiktüten, -verpackungen und -produkte verzichtete.
Dem Problem von Mikroplastik in Kosmetika und Waschmitteln begegnete sie mit selbstgemachter Seife und Waschmittelrezepten zum Selbermachen aus dem Internet. „Es ist wirklich schwierig, aber wenn man erst mal angefangen hat, dann ist das super“, sagte Mommsen, in deren Familie das Vermeiden von Plastik zu einer Lebenseinstellung geworden ist, auf die sie stolz ist.

Nur die Gummibärchen sind noch in Plastik verpackt
Lediglich die plastikverpackten Gummibärchen habe sie noch nicht ersetzen können. Alles andere aber sei auch ohne die noch rar gesäten „Unverpackt-Läden“ möglich. Zwar gebe es noch viele Unsicherheiten aufgrund von Hygienegesetzen, aber durch regionales Einkaufen sei fast überall der Einkauf mit mitgebrachten Behältern möglich, sei es beim Landwirt, an der Fleischtheke oder sogar im Supermarkt. Grundsätzlich gelte aber: „Alles kann – nichts muss.“
Plastik-Fasten macht den Anfang
Tina Prause aus Küssaberg berichtete von ihrem eigenen Selbstversuch. Gemeinsam mit den Gemeinderäten Susanne Böger und Jürgen Fesser sowie Frederike Magjar und Andrea Kaiser von der evangelischen Kirchengemeinde hat sie die Initiative „Plastikfrei in Küssaberg“ erst vor wenigen Wochen, an Aschermittwoch, gestartet, doch schon jetzt gibt es ein großes Interesse seitens der Gemeinde, Vereinen, Bürgern und anderen Gemeinden.
Die Ideen reichen von der Vernetzung und dem Informationsaustausch mittels WhatsApp-Gruppen und Stammtischen, über Sammelbestellung zur Vermeidung von Verpackungsmüll bis hin zu gemeinsamem „Plastik-Fasten“.
Plastikfrei Einkaufen
Unverpackt-Läden, in denen es sehr viele gängige Produkte ohne Verpackung zu kaufen gibt, gibt es bisher nur in Konstanz, Freiburg und Bülach. Viele Bauernläden der Region bieten aber ebenfalls eine große Auswahl als regionalen Produkten ohne Verpackung an. Dies gilt auch für die Erzeuger selbst. Oft wird auch in Supermärkten, an Fleisch- und Käsetheken das mitgebrachte Behältnis akzeptiert.
Die zehn Regeln der Initiative "Plastikfreies Küssaberg"
1. Immer die eigene Tasche mitbringen.
2. Glasflaschen, statt Plastik nutzen.
3. Obst und Gemüse offen kaufen.
4. Mit Bedacht wählen.
5. Wurst und Käse an der Theke kaufen und im eigenen Behälter mitnehmen.
6. Milchprodukte im Glas kaufen.
7. Eigener Becher, statt Einwegbecher für „Coffee to go“.
8. Haushaltsreiniger selber herstellen.
9. Kosmetika per App auf Mikroplastik überprüfen.
10. Kein Stress. Nach und nach umstellen, „alles kann, nix muss“.
"Die Gemeinde hat eine Vorbildfunktion"
Jürgen Fesser, Gemeinderat in Küssaberg und Bio-Landwirt, erklärt im Interview, wie sich die Gemeinde in Sachen plastikfrei verhält.
Herr Fesser, was hält die Gemeinde von der Initiative "Plastikfrei in Küssaberg", zu der auch Sie selbst gehören?
Die Gemeinde ist sehr an dem Projekt interessiert und möchte uns unterstützen. Wir werden uns auch in der nächsten Sport- und Kulturausschusssitzung vorstellen.
Wie verhält sich die Gemeinde selbst in Sachen "plastikfrei"?
Die Gemeinde hat eine Vorbildfunktion. Sie kann zum Beispiel öffentliche Veranstaltungen plastikfrei halten, indem kein Wegwerfgeschirr und nur Pfandbecher verwendet werden.
Wie kann sich die Gemeinde noch engagieren?
Seitens der Gemeinde kann vermittelt und informiert werden. So erreicht man auch die Vereine. Gegenüber dem Einzelhandel kann die Gemeinde ebenfalls motivierend und vermittelnd wirken. Derzeit werden Optionen mit Einzelhändlern abgeklärt.
Fragen: Peter Rosa