Kadelburg Keine Religion ist mit dem Christentum enger verbunden als das Judentum. Schließlich waren Jesus und die Apostel selbst Juden. Trotzdem ist das Judentum vielen Christen fremd. In der jüdisch-christlichen Tora-Lernwoche mit Johann und Mirijam Flusser aus Jerusalem ist es gelungen, Interessierten einen kleinen Einblick in das jüdische Leben mit seinen Regeln und Geboten zu vermitteln.

Rund 30 Personen kamen zu den vier Abenden ins Dietrich-Bonhoeffer-Haus nach Kadelburg und näherten sich so Stück für Stück der Tora an, den fünf Büchern Mose im Alten Testament und ihrer Auslegung. „Das Wort steht fest und ist nicht veränderbar“, stellte Johann Flusser fest, „aber es ist auch wichtig, zu wissen, was das Wort tatsächlich bedeutet.“ Schnell wurde klar, dass es im Judentum sehr wichtig ist, über das Wort zu diskutieren und die unterschiedlichsten Ansichten gegenüberzustellen. Demnach gibt es im Judentum kein Dogma, wie beispielsweise in der katholischen Kirche, sondern unterschiedliche Ansichten, die sich im Laufe der Zeit auch ändern können. Schließlich stammt die Tora aus dem ersten Jahrtausend vor Christus, als das gesellschaftliche Umfeld in Israel sich deutlich von den heutigen Verhältnissen unterschied.

Die Tora als Gesetzestext und ihre Auslegungen durch unterschiedliche Rabbis sind in etwa mit modernen Gesetzen und den dazugehörigen Kommentaren zu vergleichen. Es war spannend, zu hören, wie sich das Christentum zu einer Zeit entwickelte, als sich das Judentum neu entwickeln musste. Als im Jahr 70 nach Christus der Tempel in Jerusalem durch die Römer zerstört wurde, ging ein zentrales Element für die Juden verloren.

Trotz der sich entwickelnden Differenzen zwischen dem Judentum und der neuen Religion, dem Christentum, wurden bei der Tora-Lernwoche die Gemeinsamkeiten deutlich. Letztlich sei das Christentum ein Judentum für Heiden, also die polytheistischen Völker der Welt. Und um alle Zweifel an Gottes Treue zu seinem Volk zu zerstreuen, zitierte Pfarrerin Andrea Kaiser Römer 11,18: „Denn nicht ihr tragt die Wurzel, sondern die Wurzel trägt euch.“

Zum Schluss der Tora-Lernwoche ging Johann Flusser auch noch auf die Ereignisse des 7.¦Oktober 2023 ein, als die radikalislamische Hamas mehr als 1200 Menschen in Israel ermordete und rund 250 als Geiseln nahm, von denen noch immer mehr als 50 in der Gewalt der Terroristen seien. Besonders perfide sei die Tatsache, dass die meisten der Toten Anhänger der Friedensbewegung gewesen seien.