Lauchringen Für ein paar Stunden stand Lauchringen im Zentrum des Weltgeschehens. Gut 80 Menschen trafen sich zu einer Zeremonie an der Gedenkstätte zur Erinnerung an die Toten des Genozids an den Tutsi in Ruanda im Jahre 1994. Seit dem vergangenen Jahr erinnert ein Gedenkstein am Oberlauchringer Friedhof an die Opfer. Es ist – noch – der einzige Erinnerungsort dieser Art in ganz Deutschland.

Warum erinnern sich die Menschen gerade in Lauchringen, ganz am äußersten Rande der Bundesrepublik?

Zwei Lauchringer Bürger entwickelten eine tiefe Freundschaft mit dem kleinen Land in Zentralafrika: Ilse und Klemens Nirk. Ilse Nirk engagiert sich bis heute, ihr Mann Klemens bis zu seinem Tod im Jahr 2016. 1985 erhielten die beiden die Anfrage, ob sie in der Lage seien, eine afrikanische Schwester, Schwester Raphael Marie vom Orden der Benebikira-Schwestern, die sich zu einem Gesundheitscheck in Deutschland aufhielt, zu beherbergen. Aus anfänglicher Gastfreundschaft wurde im Laufe der Jahre tiefe Verbundenheit. Da die Nirks an der Justus von Liebig Schule unterrichteten und Schwester Raphael Marie in Save/Ruanda eine berufliche Schule für Mädchen leitete, war bald der Grundstein einer Schulpartnerschaft gelegt, die bis heute hält. Das liegt auch daran, dass sowohl die Kollegien als auch die Schüler mitziehen.

Die Nachrichten über den Genozid, bei dem von April bis Juli 1994 über eine Million Menschen ermordet wurden, gingen damals um die Welt. Mittlerweile werden – insbesondere von Anhängern der ehemaligen Regierung – die Taten heruntergespielt, gar verleugnet. Deshalb haben Exilruander am 14. Dezember 2019 den Verein Ibuka Deutschland gegründet, um dauerhaft an den Genozid zu erinnern sowie als Interessen-Vertretung der Überlebenden, ihrer Angehörigen und Nachfahren. Ibuka heißt übersetzt „Erinnere Dich“. Und diesem Erinnern war die Gedenkfeier in Oberlauchringen gewidmet.

Der Dank der Vorsitzenden des Vereins Ibuka Deutschland, Judence Kayitesi, galt zu Beginn der Zeremonie besonders dem Lauchringer Bürgermeister Thomas Schäuble, der dieses Gedenken ermöglichte. Der Kranzniederlegung folgte eine Schweigeminute für die Opfer. Gemeinsam bewegten sich die Teilnehmer dann in einem Gedenkmarsch vom Friedhof zum Gmeindshus in die Dorfmitte Oberlauchringens. Die Feier begann dort mit dem Anzünden der „Flamme der Hoffnung“, das Symbol für die Widerstandsfähigkeit und für den Wunsch nach Versöhnung. Es folgten die Ansprachen der Vertreterin des Vereins Ibuka Deutschland, Judence Kaytesi, des Bürgermeisters Thomas Schäuble und der Vorsitzenden des Freundeskreises „Gemeinsam mit Save/Ruanda – Urunana na Save e. V.“, Ilse Nirk. Sie skizzierte die Hintergründe der Folgen der Kolonialisierung und die Einteilung der Ruander in künstliche ethnische Kategorien, woran vor dem Ersten Weltkrieg auch deutsche Kolonialmächte maßgebend mitgewirkt hatten.

Alle Rednerinnen und Redner setzten sich gemeinsam für eine Welt ohne Hass und Verfolgung ein. Einem ergreifenden Bericht einer Zeitzeugin, vom Genozid und dessen Folgen betroffen, folgten Fotos von Angehörigen anwesender Ruander und Ruanderinnen, die beim Genozid an den Tutsi in Ruanda 1994 ihr Leben verloren haben.

Der Erste Botschaftssekretär, Gildas Mukunde, zeigte in seiner Ansprache die Folgen der Genozid-Ideologie auf. Mit Blick auf das kleine Land in Zentralafrika gelte es überall auf der Welt, jede Form von Rassismus und Verleugnung des Genozids zu bekämpfen und die Menschenrechte zu verteidigen. In Lauchringen wurde mit dieser Veranstaltung ein kleiner Mosaikstein im Sinne der Völkerverständigung gesetzt.