„Ankommen in Laufenburg“ heißt das über neunzigseitige in Herausgeberschaft der beiden Laufenburg im Gutacher Drey-Verlag erschienene Werk. Der Titel ist der Aufgabe geschuldet, die die Burgschreiber-Jury um Petra Gabriel und Martin Willi dem Empfänger des 2018 erstmals ausgeschriebenen Stipendiums stellte, nämlich den Themenkreis „Flucht, Heimat, Ankommen“ literarisch zu verarbeiten. Manfred Markus Jung konzentrierte sich dabei aufs Ankommen.
Der Schriftsteller aus dem Wiesental nähert sich seinem Ziel in der Manier seines großen Kollegen Theodor Fontane. Dieser beschrieb in seinen zwischen 1862 und 1889 erschienenen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ ebenfalls Landschaften, Orte, Menschen und ihre Geschichte. Auch Manfred Markus Jung nahm sein literarisches Objekt unter die Sohlen, unter die Räder und auch unter die Paddel, bevor er darüber schrieb.
Gleich acht Texte sind mit „Ankommen“ betitelt. In ihnen schildert Jung, wie er sich auf Laufenburg zubewegt. Mal im Auto von Sisseln her auf der Schweizer, mal durch Hauenstein und Luttingen auf der deutschen Rheinseite. Zu Fuß die Höhen des Jura und die des Hotzenwalds hinab. Selbst im Paddelboot steuert er auf dem Rhein die Stadt an.
Jung öffnet den Einheimischen die Augen für einen neuen Blick
Der aufmerksame Wanderer Jung schildert nicht nur seine Beobachtungen und Begegnungen, die er in seinem gelben Notizbuch festgehalten hat. Es stellt sich und seinen Lesern auch jede Menge Fragen – und öffnet so als Fremder den Einheimischen die Augen für einen neuen Blick auf ihre Stadt. Soll die Altstadt ein luxussaniertes „potemkinschen Schlafdorf“ werden? Was sollen die überall in der Landschaft aufgestellten Warn-, Hinweis-, Informations- oder Verbotsschilder? „Wer wüsste noch, was zu tun wäre bei mehrwöchigem Stromausfall im Winter?“, fragt er sich beim Unterqueren der Stromtrasse am Kraftwerk. Und wie sähe diese Stadt überhaupt heute aus, wären nicht Anfang des 20. Jahrunderts die hiesigen „Niagara-Fälle“ gesprengt und dem „Industrie- und Elektrizitätsteufel geopfert“ worden, wie Jung Heinrich Hansjakob zitiert.
In seinen „Schwarzen Miniaturen“ hält Jung weitere nachdenklich oder Schmunzeln machende Episoden fest. Mal geht es hier um die Farbe Schwarz, mal um schwarzen Humor, mal um melancholische Szenen. So beschreibt Jung einen einsamen Breakdancer, der nachts vor dem Rappensteintunnel tanzt. Oder er berichtet von seinem Finderglück, als er bei einem Spaziergang den 50.000 Jahre alten Backenzahn eines Mammuts entdeckt und dem Dunkel der Vergangenheit entreißt. Dann wieder erzählt er die Geschichte von der Frau im schwarzen Lackledermantel, die morgens nackt an der Bootslände für Erotikaufnahmen posiert.
Wenn beim „Brünneli“ etwas daneben geht
Natürlich ist der Dialekt immer wieder ein Thema für Jung. Nicht nur benutzt er ihn als literarische Sprache, er macht Alemannisch/D und Alemannisch/CH auch gerne zum Inhalt seiner Texte. Und das kann mitunter sehr komisch sein. So in der Geschichte über jenen Schweizer, der in der Laufenburger Buchhandlung nach dem Gang aufs WC gesteht: „Si, s tuert mer leid, mir isch bim Brünneli obbis dänäbe gange.“ Hat der Mann etwa...? Nein, nein. Er verwendet nur die auf der anderen Rheinseite übliche Varietät des Alemannischen und hätte besser vom „Wäschbecki“ gesprochen.
Stilistisch ist „Ankommen“ in Laufenburg äußerst vielfältig. Anekdoten und Betrachtungen im Stile Kleists oder Hebels wechslen sich mit Glossen und oft bestimmten Personen zugedachten Gedichten ab. Nicht alle abgedruckten Texte resultieren aus Jungs Burgschreiberzeit. So verhält es sich auch mit „Die Bluetschuld vo Laufeburg“, einem Mundart-Stück, das Jung im Auftrag der Pfarrgemeinde Heilig Geist fürs Stadtjubiläum 2007 schrieb, und das sich mit der Besetzung der Stadt im 30-jährigen Krieg befasst.
2021 soll es den nächsten Burgschreiber in Laufenburg geben. Mit „Ankommen in Laufenburg“ hat Markus Manfred Jung für seinen Nachfolger einen hohen Maßstab gesetzt.