Liszt für Fortgeschrittene: So könnte man den zweiten Klavierabend des amerikanischen Pianisten Corbin Beisner überschreiben, den die Schweizerische Franz-Liszt-Gesellschaft im Rehmann-Museum vermittelt und veranstaltet hat. Die poetischen Vorlagen lieferten unter anderem selten gehörte letzte Stücke.
Diffizile Werke
Erfreulich, dass sich der 30-Jährige, der seit Kurzem im Dreiländereck wohnt, diesem bedeutenden Spätwerk annimmt. Auch fingertechnisch kommt Beisner direkt von Liszt, hat er doch an der Franz-Liszt-Akademie in Budapest studiert. Das verpflichtet. Es gibt nur wenige große Pianisten, die Liszts späte Klavierwerke spielen, Corbin Beisner kann in diffizilen Werken wie „Trübe Wolken“ sein Klangbewusstsein zeigen.
Anspruchsvolles Programm
Das Programm – nach der Pause ein halbes Liszt-Recital – war intelligent und anspruchsvoll. Der Beginn mit Beethoven (A-Dur-Sonate Nr. 28) passte, denn Liszt hat oft Beethoven gespielt, alle die späten Sonaten auch, und war sehr inspiriert von ihm. Der in Nevada geborene Pianist bot einen gemischten Liszt-Block mit lyrischen Stücken (Liedreflektionen nach Schubert und Chopin), traurigen („Nuages gris“, Petrarca-Sonett), abstrakten ohne Tonart (Bagatelle), virtuosen, wie der geisterhaften Bewegungsstudie „Wilde Jagd“ mit ihren metrischen Finessen (aus „Transzendentale Etüden“), und diabolischen (erster Mephisto-Walzer „Der Tanz in der Dorfschenke“).
Ohne Anstrengung
Das Publikum im gut gefüllten Ausstellungsraum konnte also den Unterschied bei Liszt hören, einmal nicht nur den Komponisten von hochvirtuosen Opernparaphrasen oder populären Ungarischen Rhapsodien, sondern den anderen Liszt. Zumal Beisner mit einer solchen Zusammenstellung und großem Ernst diesen „Proteus der Pianisten“ von der zweifelhaften Aura der Zirkusnummern befreit, überdies ein dezent-muskulöses Spiel vorführt, mit kraftvoll-lockerer Anschlagsdynamik, ohne Anstrengung, und mit individueller Technik.
Klavierfreunde werden glücklich
Seinem Beethoven-Beginn hätte indes – rein handwerklich – da und dort etwas akribischere Notengenauigkeit und mehr Emotion nicht geschadet. Dafür zeigte Beisner bei vier Debussy-Stücken musikalisches Feingefühl. Das beliebte „Clair de Lune“ pedalisiert er nicht stark, es bleibt transparent; „Reflets dans l’eau“ perlt wie klares Wasser; „L’isle Joyeuse“, die klangmagische „Insel der Fröhlichkeit“, entbehrt jeglicher impressionistischer Klanghudelei und auch für die Oktaven-Etüde (Nr.5) hat er die richtigen Pianistenhände. Dass dem Klavierklang etwas die Farbvaleurs fehlten, lag wohl eher am stumpf klingenden Steinway-Flügel, was der Interpret aber mit geschicktem Pedalgebrauch zu kaschieren vermochte. Das Publikum hatte bei diesem Konzert eine Steigerungskurve miterlebt: Der Pianist spielte sich immer mehr frei und machte zuletzt die Klavierfreunde mit zwei Chopin-Walzern als Zugaben glücklich.