Aus einer geplanten knappen schwarzen Null ist innerhalb kurzer Zeit ein dickes Defizit geworden: Mehr als fünf Millionen Euro fehlen im Ergebnishaushalt, mit der die Stadt ihren laufenden Betrieb finanziert. Ausgeglichen wird dieser Betrag mit einem Nachtragshaushalt, die Mittel kommen aus dem städtischen Sparschwein. Weitreichender werden jedoch die Einschnitte sein, die Verwaltung und Gemeinderat vornehmen müssen, um den Haushalt strukturell wieder auf Kurs zu bekommen.
Die Stadt hat es gleich mit zwei Phänomenen zu tun, die im Vorhinein nicht kalkulierbar waren, wie Oberbürgermeister Klaus Eberhardt dem Pressegespräch am Montag vorausschickte: zum einen die millionenschwere Gewerbesteuerrückzahlung, die auf Termin gezahlt werden musste. Zum anderen die Effekte der Corona-Pandemie, die in ihrer Gänze noch gar nicht absehbar sind. Mit diesen Themen beschäftigten sich Gemeinderat und Verwaltung am Freitag in einer Klaustagung.
Der Nachtragshaushalt
Nach der Steuerschätzung von Mai lässt sich Folgendes sagen: Die Stadt muss Steuerausfälle in Höhe von mehr als acht Millionen verschmerzen. „Davon entfallen 5,6 Millionen auf die Gewerbesteuer und 2,5 Millionen auf die Einkommenssteueranteile“, so Kristin Schippmann, die neue Kämmerin in spe, die gemeinsam mit Amtsinhaber Udo Düssel die Lage erläuterte.
Drei Millionen Euro erhält Rheinfelden an Soforthilfen und Gewerbesteuerkompensation, so dass unterm Strich das Minus von fünf Millionen steht.
Um für 2020 wieder „Haushaltsklarheit“ herzustellen, greift die Stadt in die liquiden Mittel. Geplant war für 2020 eigentlich eine Entnahme in Höhe von 6,3 Millionen, nun kommen weitere sechs Millionen hinzu. Außerdem stehen Haushaltsübertragungen vom vergangenen Jahr für Investitionen in Höhe von neun Millionen an.
In Summe nimmt die Stadt also allein in diesem Jahr 21 Millionen Euro vom Sparbuch, auf dem dann noch 18 Millionen vorhanden sind. „Jeder Euro, den wir von der Liquidität zum Ausgleich nehmen, fehlt bei den Investitionen“, so Düssel. Und weil die in der Zukunft nicht eben kleiner werden, blicken Verwaltung und Gemeinderat nun auf den Ergebnishaushalt: Wo lassen sich Ausgaben senken, wo Einnahmen generieren?
Der Ergebnishaushalt
Der Blick auf die Einnahmen und Ausgaben der Stadt macht deutlich, dass auch ohne Corona Handlungsbedarf bestanden hätte: Denn die Erträge sind nicht im gleichen Umfang gewachsen wie die Aufwendungen. Daher will Eberhardt die notwendigen strukturellen Veränderungen auch nicht nur unter dem Stichwort „Corona“ verstanden wissen.
„Die Stadt hat in den vergangenen Jahren extrem viel geleistet, gerade im sozialen Bereich“, so Eberhardt. „Wir hatten pro Jahr Stellenmehrungen im zweistelligen Bereich.“ Bei vielen freiwilligen Leistungen – etwa bei Öffnungszeiten städtischer Einrichtungen – liege man weit über Kreisdurchschnitt. In anderen, etwa bei den Kita-Gebühren, unter dem Schnitt. Diese freiwilligen Aufwendungen kommen nun auf den Prüfstand. „Es geht nicht um radikale Kürzungen, sondern um einen langfristigen Effekt“, sagte Eberhardt.
Die Stadt hat eine lange Liste mit Prüfaufträgen, die sie abarbeiten wird (wir berichten noch ausführlich). „Wir wollen transparent darstellen, was uns jeder einzelne Punkt bringt und Aufwand gegen Nutzen abwägen“, so Schippmann. Ein Beispiel ist die Erhebung einer Zweitwohnsitzsteuer.
Davon betroffen ist eine Gruppe von 583 Bürgern. „Aus dieser Gruppe heraus fallen aber zum Beispiel Menschen, die aus beruflichen Gründen einen Zweitwohnsitz angemeldet haben, ebenso Kinder, die in anderen Städten studieren, und dort ihren Erstwohnsitz haben.“ Je nachdem, wie viele diese Steuer wirklich zahlen müssen, könnte die Stadt Einnahmen zwischen 216.000 und 450.000 Euro generieren. „Wenn der Betrag nicht sechsstellig wird, würde ich die Finger davon lassen“, machte Eberhardt deutlich, dass auch der Aufwand im Verhältnis stehen muss.
Generelle Steuererhöhungen (Grundsteuer, Hundesteuer, Vergnügungsteuer) könnten jährlich knapp 570.000 Euro bringen und auch die Erhöhung der Parkgebühren würde das Ergebnis entlasten. „Wir wollen die Bürger nicht schröpfen, sondern zukunftsfähig für folgende Generationen bleiben.“ Denn an den großen Themen der Zukunft kann und will die Stadt nicht sparen: Bildung, Kita-Betreuung und auch Klimawandel.
Im Herbst werden Gemeinderat und Verwaltung zusammen kommen, und die Sparpotenziale der Klausurtagung diskutieren. „Das ist nicht sonderlich sexy, aber notwendig“, sagte der OB.
Das sagen die Fraktionen
Nach der Klausurtagung am Freitag, bei der sich Verwaltung und Gemeinderat intensiv mit ihren Finanzen und möglichen Einsparpotenzialen befasst hat, loben die Mitglieder vor allem die gute und detaillierte Darstellung der Situation.
- CDU: „Nach der Klausurtagung steht nun alles auf dem Prüfstand“, so Eckhart Hanser auf BZ-Nachfrage. Der CDU-Fraktion ist es wichtig, dass trotz Einsparungen die sozialen Aspekte nicht verloren gehen, denn sie sind das, was eine Stadt lebenswert macht. Man kann ja nicht an den Pflichtaufgaben sparen, sondern muss es bei den freiwilligen Aufgaben tun, und das sind oft die, die eine Kommune ausmachen. Darum tut das für die Bürger schon weh. Paul Renz sprach von einer totalen Kehrtwende. „Wir hätten mit dem Nachtragshaushalt lieber noch abgewartet, bis klar ist, was uns der Rettungsschirm bringt.“ Die fünf Millionen Euro werden schmerzlich fehlen, so Renz beim Pressegespräch.
- SPD: „Es ist auf jeden Fall sehr ernüchternd, wenn man sieht, wo überall eingespart werden muss“, so Karin Paulsen-Zenke. Obwohl das, mit natürlichem Menschenverstand, ja schon vor der Klausurtagung klar gewesen sei. „Es war schon klar, als Anfang des Jahres die Gewerbesteuern eingebrochen sind, und dann kam nun noch die Corona-Krise dazu. Besonders schlucken musste ich, als es darum ging, dass auch Investitionen an Schulen zurückgeschraubt werden müssen. Das tut weh. Vieles wird in die Zukunft geschoben, in der Hoffnung, dass man es später tatsächlich machen kann.“ Bei der Kita-Planung aber gebe es kaum Spielraum. Und: „Wir haben das Dienstleistungsspektrum für die Bürger in den vergangenen Jahren gerne erweitert.“
- Freie Wähler: Dass die Stadt die Bürger an den guten Vorjahren hat teilhaben lassen können, sieht auch Karin Reichert-Moser. Nun sei es aber die Zeit, zwischen Pflicht und Freiwilligkeit zu unterscheiden. Die Klausurtagung war für sie sehr gut vorbereitet und sehr detailliert. „Die Frage ist ja, brauchen wir zum jetzigen Zeitpunkt einen Nachtragshaushalt oder nicht? Ich denke, da kommen wir nicht drumherum. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir uns in diesem Jahr mit dem Haushalt beschäftigen, wir müssen noch die Steuerschätzung abwarten, das war jetzt nur eine Momentaufnahmen. Was mir sehr wichtig ist, ist auch die Transparenz gegenüber den Bürgern.“ Wünsche gebe es viele, aber man müsse sehen, was finanziell möglich sei.
- Grüne: „Die neue Kämmerin Kristin Schippmann hat die finanzielle Situation der Stadt sehr breit und kundig dargestellt, sie bekam am Ende dafür sogar Beifall. Stellenweise hatte es etwas von einem sehr intensiven Seminar, es herrschte eine gute Atmosphäre“, befand Jörg Moritz-Reinbach auf BZ-Nachfrage. Schippmann habe den Fokus bei den zu prüfenden freiwilligen Aufträgen stark auf den sozialen Bereich gelegt. „Wir Grünen werden uns auf jeden Fall dafür stark machen, dass alle Bereiche, zum Beispiel auch der Baubereich, gut durchleuchtet werden.“ Heiner Lohmann, der für die Fraktion am Pressegespräch teilnahm, setzte die Priorität zudem klar auf Klimaschutz. Und: „Wenn man keine freiwilligen Aufgaben mehr hat, kann man als Stadtrat auch zuhause bleiben.“
- FDP: „Bei der Klausurtagung ist meiner Meinung nach sehr klar geworden, dass die Stadt lernen muss, mit den Geldern klarzukommen, die sie einnimmt“, so Benno Mülhaupt. Oberbürgermeister Klaus Eberhardt habe gesagt: „Wir haben kein Ausgabeproblem, sondern ein Einnahmeproblem.“ Aber man müsse eben mit den Einnahmen auskommen, die man hat, und auch Schwankungen ausgleichen können. Die Klausurtagung empfand Mühlhaupt als „sehr transparent und gut ausgearbeitet“. Die Verwaltung habe eine saubere Analyse der Ein- und Ausgaben der vergangenen Jahre vorgelegt. „Gerade für mich als Neueinsteiger war das sehr verständlich und informativ.