Dora Schöls

Frau Lüttner, Herr Bojti, wie viele Corona-Impfungen haben Sie schon verteilt?

Lüttner: Wir haben mehr als 3000 Dosen verimpft. Das meiste davon am Anfang, wobei wir erst nur wenig Impfstoff bekamen. Als wir endlich mehr bestellen konnten, haben wir auch gleich viel bestellt. Und jetzt haben wir zu viel.

Das Interesse an der Corona-Impfung nimmt also ab?

Bojti: Ja. Obwohl wir jetzt alle, sogar praxisfremde Patienten in kürzester Zeit impfen können. Sich impfen zu lassen, war noch nie so einfach. Die Gründe für das gesunkene Interesse sind vielfältig. Viele sind schon geimpft, Urlaubszeit, Angst. Und das Scheinsicherheitsgefühl: Die Menschen denken, die Corona-Pandemie sei um. Nein, leider ist es nicht so. Nach Gesprächen mit Kollegen, die auf Intensivstationen arbeiten, weiß ich: Corona ist weiterhin da, viele, sogar jüngere Patienten sterben daran. Aber praktisch nur Ungeimpfte. Also lautet die große Devise: impfen, impfen, impfen.

Tibor Bojti warnt davor, das Coronavirus zu unterschätzen. Besonders Ungeimpfte seien gefährdet.
Tibor Bojti warnt davor, das Coronavirus zu unterschätzen. Besonders Ungeimpfte seien gefährdet. | Bild: privat

Merken Sie in der Praxis etwas von Ängsten vor dem Impfstoff?

Bojti: Ja. Selbstverständlich hat man Angst vor einer neuen Technologie. Jeder hat das Recht, skeptisch zu sein. Aber: Die eventuellen Spätfolgen der Impfung sind reine Spekulationen. Corona ist aber da. Keine Spekulation. Menschen sterben daran oder werden chronisch krank.

Lüttner: Natürlich klären wir die Patienten vor der Impfung auf, und da wird auch nach den Risiken gefragt. Manche entscheiden sich erst danach für die Impfung. Aber die, die sich überhaupt nicht impfen lassen wollen, kommen gar nicht zu uns. Nur: Jeder will seine Freiheiten wieder haben, reisen, in die Wirtschaft gehen. Und gesund zu sein, reicht da ja oft nicht, man braucht auch die Impfung.

Patricia Lüttner weist auf den Organisationsaufwand für die Terminierung von Impfungen hin.
Patricia Lüttner weist auf den Organisationsaufwand für die Terminierung von Impfungen hin. | Bild: privat

Trotzdem haben Sie Dosen übrig.

Lüttner: Ende nächster Woche laufen bei uns 180 Biontech-Dosen ab, die halten nur vier Wochen. Bis dahin haben wir noch ein paar Termine und wir haben auch schon Dosen an andere Praxen abgegeben. Aber es kann sein, dass wir 100 bis 150 Dosen wegschmeißen müssen.

Vermissen Sie dabei Unterstützung aus der Politik?

Bojti: Leider waren die Impfstoffversorgung und der Bedarf an Impfungen nie im Einklang. Anfangs hätten wir ohne Ende impfen können und es gab kaum Impfstoff. Jetzt, wo wir genug Impfstoff haben, fehlt die Impfbereitschaft. Man braucht den Senf zur Wurst, nicht danach.

Lüttner: Das Robert-Koch-Institut ändert auch immer wieder die Bestimmungen, zum Beispiel den Abstand zwischen den Impfungen oder zur Kreuzimpfung mit verschiedenen Impfstoffen. Wir müssen das dann schnell umstellen. Aber auch für die Politiker ist das schwierig, wir wissen ja vieles noch gar nicht genau.

Das könnte Sie auch interessieren

Würden Sie die Menschen dazu aufrufen, sich impfen zu lassen?

Bojti: Ja, unbedingt. Man kann es nicht genug betonen. Wenn wir unser normales Leben zurückbekommen und behalten möchten, wenn wir uns selbst und unsere Umgebung schützen möchten, führt kein Weg an der Impfung vorbei. Und auch wenn Geimpfte auch erkranken können und andere anstecken – der Verlauf ist dann wohl nicht so heftig. Und jetzt kann sich nur derjenige nicht impfen lassen, der nicht will. Also trägt die Verantwortung jeder selbst.