Rheinfelden Bei einem Online-Zeitzeugengespräch mit dem Holocaust-Überlebenden Leon Weintraub bekamen die neunten Klassen der Gemeinschaftsschule Rheinfelden jüngst einen Einblick in die menschenverachtende Naziherrschaft im Dritten Reich. Der Kontakt zum 100 Jahre alten Leon Weintraub kam über das Maximilian-Kolbe-Werk zustande, das Hilfe für die Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager und Ghettos leistet. Für die Gemeinschaftsschule Rheinfelden war Klassenlehrerin Ramona Luhr für den Kontakt mitverantwortlich. Sie besuchte mit ihrer Klasse das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof, wo auch Leon Weintraub untergebracht war, bis er von französischen Soldaten 1945 befreit wurde.
Die Auseinandersetzung mit der Nazidiktatur und den Folgen, vor allem für die Juden in Deutschland und die besetzten Gebiete, ist aber auch für Schulleiter Hans Peter Brugger ein wichtiger Bestandteil des Lehrplans. Er sagte kurz vor der Video-Schalte zu Weintraub, dass die neunten Klassen jedes Jahr das ehemalige KZ besuchen, um dort Eindrücke vom Schicksal der damaligen Lagerinsassen zu gewinnen. In Bezug auf den Antisemitismus jener Jahre und den nach wie vor schwelenden Antisemitismus in heutiger Zeit sagte er, dass er an seiner Schule bislang keine solche Tendenz wahrnehmen konnte.
Die Schüler verfolgten gespannt, aber auch mit Schrecken die Lebensgeschichte des Holocaustüberlebenden. Sehr detailliert, versehen mit persönlichen Erfahrungen, schilderte Leon Weintraub, der mittlerweile in Schweden lebt, seine erschütternde Geschichte. So auch seine Erlebnisse nach der Ghettoisierung in seiner Heimatstadt Lodz, nachdem Deutschland Polen am 1. September 1939 überfallen hatte. Leon Weintraub spricht auch von der Furcht vor den deutschen Wehrmachtssoldaten und meinte, „damals wurde die Furcht geweckt“. Diese lasse ihn bis heute nicht los. Er erzählte auch, dass er als Kind und in seinen Jugendjahren zunächst eine sehr romantische Vorstellung vom Krieg hatte, bevor er all die Grausamkeiten in den Folgejahren im Ghetto Litzmannstadt und in den Konzentrationslagern Auschwitz-Birkenau, Groß-Rosen, Flossenbürg und Natzweiler-Struthof miterleben musste.
Am Ende des Zeitzeugengesprächs sprach sich Leon Weintraub gegen jedwede Diskriminierung, gegen Rassismus und Antisemitismus aus. Er betonte, dass er aufgrund seiner Erlebnisse in der Hitler-Diktatur nicht verzeihen könne. Schließlich hätten die Nazis vier von fünf seiner Familienmitglieder umgebracht. Den Schülern der neunten Klassen rief er zu: „Es gibt keine Menschenrassen, es gibt nur einen Homo sapiens.“ Schulleiter Hans Peter Brugger sagte, dass es ihm eine besondere Ehre gewesen sei, einem der Holocaustüberlebenden zuhören zu dürfen, zur Erinnerung und als Mahnung, dass so etwas nie wieder geschehen dürfe.