Rheinfelden – Schon als Florian Schmidt mit 16 Jahren in der Karsauer Jugendfeuerwehr aktiv war, war er bei Übungen in Möhlin dabei. Er erinnert sich auch an Neujahrsbesuche zwischen den Jahren bei den Schweizer Kameraden bei Bier und Snacks. Seit 1964, seit 60 Jahren, führen Karsau und Möhlin eine Feuerwehrfreundschaft, die laut Schmidt „etwas ganz Besonderes ist“: „Als unsere Generation neu dazukam, wurden wir sofort herzlich aufgenommen von den Möhlinern.“
Schmidt ist heute 40 Jahre alt. Seit 2021 war er der letzte Kommandant der Feuerwehrabteilung Karsau. Die Karsauer Feuerwehr gibt es nicht mehr – die Freundschaft mit den Kameraden aus Möhlin soll die Auflösung der Abteilung überdauern. Zur offiziellen Einweihung des neuen Zentralen Gerätehauses der Abteilung Stadt, in der Karsau aufging, kamen die Möhliner im April mit ihrem Oldtimerfahrzeug über die Rheinbrücke. Ende September waren sie anlässlich des Tags der Offenen Tore im neuen Gerätehaus. An der Möhliner Schlussübung Ende Oktober waren wiederum neun Kameraden aus Rheinfelden mit einem Löschfahrzeug dabei, die meisten davon Karsauer.
„Wir hatten schon Angst, dass unsere Freundschaft verlorengeht“, sagt Richard Urich, Kommandant der Feuerwehr Möhlin, über die Neuorganisation in Rheinfelden: „Aber an Beziehungen muss man arbeiten.“ Urich ist mit Jahrgang 1976 etwas älter als Schmidt: Er kann sich noch an die Anfänge der Freundschaft mit den Karsauern erinnern, die er als Bub erlebte. Sein Vater Walter Urich war ebenfalls in der Feuerwehr und später Kommandant. „Am Vatertag durfte ich ihn und seine Kameraden bereits nach Karsau begleiten“, erzählt Richard Urich.
Alles begann mit einer Lanze, die Teil der alten Karsauer Saug-Druck-Spritze war, wie Florian Schmidt erklärt: Sie sei bei der 100-Jahr-Feier der Feuerwehr Nollingen 1964 vergessen und von den Möhlinern mitgenommen worden. „Die Karsauer fanden das nicht so lustig“, ergänzt Urich, was er von Zeitzeugen weiß: „Die Möhliner sagten ihnen, wenn sie die Lanze zurückwollten, müssten sie sie holen kommen. Wir luden sie dann zu einem Fest ein.“ Dadurch sei das Ritual entstanden, dass die Lanze bei jedem Treffen den Besitzer gewechselt habe. Mittlerweile wurde die Trophäe durch eine Hellebarde ersetzt, die seit dem Besuch der Möhliner im September ihren Ehrenplatz in der Rheinfelder Fahrzeughalle direkt neben dem Karsauer Oldtimer-Löschfahrzeug hat. Die Beziehungen zwischen Karsau und Möhlin gingen aber weit über Spaß und Geselligkeit hinaus: 1977 arbeiteten die Feuerwehren beim Internationalen Orientierungslauf Schweiz–Deutschland zusammen; in den Achtzigern organisierten sie viermal den Internationalen Feuerwehrmarsch zwischen beiden Dörfern als Wanderung und Bootsfahrt. Auch die Märsche sind Urich noch in Erinnerung. 1997 begann Richard Urichs eigene Feuerwehrkarriere. „Wir sind mit dieser Freundschaft aufgewachsen und haben sie mitgestaltet“, sagt er über seine Generation.
Die Feuerwehren organisierten einmal pro Sommer eine gemeinsame Übung, besuchten sich gegenseitig bei ihren Generalversammlungen. Der Weg zueinander ist dabei nicht so weit, wie man des Rheins wegen denken mag: Die beiden Feuerwehren dürfen seit einigen Jahren das Kraftwerk Riburg-Schwörstadt befahren. Erst vor wenigen Jahren halfen die Möhliner bei einem Scheunenbrand in Karsau aus; die Karsauer kamen mehrmals bei Hochwasser nach Möhlin. Die Feuerwehr Möhlin ist allerdings nicht in das offizielle grenzüberschreitende Alarmierungssystem eingebunden wie die Kameraden im Schweizer Rheinfelden.
In der neuen Abteilung Stadt nimmt Florian Schmidt weiterhin Führungsaufgaben wahr, ist aber kein Mitglied der Abteilungsleitung mehr. Er gibt sich bescheiden: Der neue Abteilungskommandant Florian Johner müsse entscheiden, ob er die Federführung in der Beziehung zu Möhlin übernehmen wolle. Er hat bereits eine persönliche Einladung nach Möhlin erhalten. „Ich wäre aber bereit, wenn ich es machen soll“, sagt Schmidt.