Nicolai Kapitz

Not macht erfinderisch – das ist nicht erst seit der Corona-Krise sicher. Aber es zeigt sich in diesen Tagen einmal mehr, dass pfiffige Ideen den Alltag erleichtern können. Wir möchten solche Ideen in einer kleinen Serie vorstellen. Sopranistin und Gesangslehrerin Jacqui Forster aus Wiechs darf keine Schüler mehr zu Hause unterrichten – deshalb gibt sie jetzt Gesangsunterricht via Video-Chat.

Es dürften für viele Nachbarn von Jacqui Forsters Gesangsschülerinnen und Gesangsschüler ganz neuartige Töne sein, die sie da neuerdings hören: Es beginnt mit Zischlauten, dann kommen nasale Laute und dann zählt jemand auf zehn. Weiter geht es mit Tonsprüngen und Stimmübungen. Und schließlich klingt eine Mozart-Arie durchs Haus. Normalerweise unterrichtet die in Schopfheim-Wiechs lebende Profi-Sängerin ihre Schüler bei sich zu Hause. Das geht wegen der Corona-Krise zur Zeit nicht – also gibt‘s Unterricht über das Internet.

Via Skype gibt es eine Video-Schalte von Wohnzimmer zu Wohnzimmer und die Schüler singen nun eben daheim. Wobei tatsächliches Singen nur einen Teil des Unterrichts ausmacht. Zum Einstieg gibt es Entspannungsübungen (daher kommen die Zischlaute), dann kommt das Einsingen unter Anleitung und dann erst geht es ans Eingemachte, an Mozart und Co.

Beim Unterricht vor der Kamera legt sich die Lehrerin genauso engagiert ins Zeug wie im persönlichen: Sie macht alle Übungen vor und schaut sich dann genau an, wie ihre Schützlinge sie umsetzen. Immer wieder gibt sie Korrekturhinweise. „Ich habe viele Kollegen, die sich sehr mit dem virtuellen Unterricht beschäftigt hatten. Ich kenne sogar Geschichten, wo man den Unterricht schon vor 20 Jahren per Festnetz gehalten hat“, erzählt die Lehrerin. „Ich habe mich damit nie so auseinandergesetzt, da ich einfach den Face-to-Face-Kontakt gerne habe und hatte nie die Notwendigkeit, selber online Unterricht erteilen oder nehmen zu müssen.“ Dieses Jahr aber hatte die gebürtige Australierin im Januar zum ersten Mal eine Schülerin, bei der sich keine andere Möglichkeit ergab.

„Wir haben es ausprobiert und es ging sehr gut. Als sich die neue Problematik gezeigt hat, habe ich sofort daran gedacht und war froh, dass ich schon etwas Erfahrung damit gesammelt hatte.“ An der Musikschule Mittleres Wiesental sind einige ihrer Kolleginnen „Tech-Heads“, also technisch versiert, erzählt sie schmunzelnd, „und die haben sofort angeleiert, den Unterricht so anzubieten“. Ihr Mann unterrichtet an der Musikhochschule in Basel schon seit letzter Woche so. Ein großes Problem: „Einige hier haben keine ausreichende Internetverbindung“, sagt Jacqui Forster. „Es gibt auch immer wieder Probleme mit der Qualität der Verbindungen, die zum Teil super und zum Teil sehr mäßig sein kann.“

Und es gibt auch Schüler, die keinen geeigneten Platz haben, Unterricht in Anspruch nehmen zu können. Wer allerdings teilnehmen kann, bekommt so gut es geht Unterricht wie gewohnt. „Es ist natürlich trotzdem eine große Umstellung. Das Unmittelbarste ist, dass man sich nicht ‚in Echt’ hört oder erfährt“, erklärt die Gesangslehrerin.

„Klar sind wir alle gewohnt, Musik über Aufnahmen und Videos zu genießen. Aber nichts ersetzt den echten Effekt von Sachen wie Resonanz und auch die sympathische Resonanzen, die erzeugt werden, wenn man zusammen arbeitet.“ Die Schüler sind dabei gefordert, mehr Selbstbeobachtung zu leisten. „Ich kann einiges sehen, hören und erraten. Aber ich brauche von ihnen noch präziseres Feedback. Das geht allerdings schon sehr gut“, sagt Jacqui Forster. Obwohl sie glücklich ist, dass es mit dem Unterricht über Skype einigermaßen klappt, vermisst sie den normalen Unterricht sehr: „Ich vermisse den Kontakt zu allen meinen Schülern und freue mich, dass ich sie auf diese Art sehen kann. Ich freue mich aber noch mehr auf die Zeit, wo ich alle wieder sehen kann.“ Dann wundert sich auch kein Nachbar mehr über Gesangseinlagen.