Schopfheim – Es war kein leichter Start für Matthias Lang. Der neue Geschäftsführer des Evangelischen Sozialwerks Wiesental (ESW) wurde bei seinem Arbeitsantritt im Bonhoeffer-Haus mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert. Der Pflegedienst Curare, der auch als Betreiber des Service-Wohnens im Bonhoeffer-Haus firmiert, schreibt tiefrote Zahlen, ebenso wie das Betreute Wohnen am Eisweiher.

Dazu kommt, dass der ambulante Pflegedienst sich zwar intensiv um seine Kunden zwischen Gersbach, Zell und dem Kleinen Wiesental kümmert, aber unter anderem die langen Anfahrten in keiner Abrechnung auftauchen sollen. Für die zehn Bewohner im Eisweiher-Projekt wird eine 24-Stunden-Betreuung angeboten, die Kosten dafür sind aber durch die Beiträge der Bewohner nicht gedeckt. Und auch für das Betreute Wohnen im Bonhoeffer-Haus seien die früher erhobenen Mietpreise von 16 Euro pro Quadratmeter nicht kostendeckend. Die Erhöhung auf 19,20 Euro für acht der 18 Wohnungen sorgte für Unruhe und Leserbriefe. Darin wurden Vorwürfe erhoben, die für Lang, ebenso wie den Vorsitzenden des Verwaltungsrates, Maulburgs Altbürgermeister Jürgen Multner, nicht nachvollziehbar sind. Das ESW sei ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das keine Gelder von Kirche oder Staat erhalte, so Lang und Multner. Man sei zwar eine gemeinnützige GmbH, die nicht auf Gewinn ausgerichtet sei, dennoch müsse man die Kosten decken. „Sonst fährt man die Einrichtungen an die Wand, steuert in die Insolvenz“, sagt Multner. Er legt Wert auf die Feststellung, dass alle ehrenamtlichen Mitglieder in Aufsichts- und Verwaltungsrat sich als Privatpersonen engagieren, sich dem Dienst am Menschen verschrieben haben. Sorgenkinder sind der Pflegedienst Curare und auch die Wohngemeinschaft am Eisweiher. Die Hoffnung, dass man nach Corona in dem vor fünf Jahren gegründeten Pflegedienst aus dem Defizit herauskomme, habe sich bisher nicht bestätigt. Daher habe man 2021 beschlossen, nicht nur im Bereich Curare, der auch zuständig für das Service-Wohnen im Bonhoeffer-Haus ist, nachzukalkulieren.

Für Matthias Lang, der zum 1. Oktober als Nachfolger von Martin Mybes in den Dienst des ESW getreten ist, gab es unter anderem die Aufgabe, alle Betriebszweige zu überprüfen, zu untersuchen, woher die Defizite kommen und wie sie verringert werden können. Dies gelte für den Pflegedienst ebenso wie für das Betreute Wohnen und das Pflegeheim Georg-Reinhardt-Haus. Multner betont, man wolle eine gute Versorgung der Menschen und suche mit den Mitarbeitenden ebenso wie mit Angehörigen und Bewohnern den Dialog, um von den hohen Kosten herunter zu kommen. „Dabei gibt es kein Denkverbot in irgendeine Richtung.“ Lang und Multner thematisieren auch Vorwürfe, die unter anderem in einem an Bürgermeister Dirk Harscher adressierten anonymen Brief erhoben wurden. Den darin geäußerten Vorwurf, dass die Stimmung unter den Mitarbeitenden im Reinhardt-Haus schlecht sei, wollen Geschäftsführer und Vorstand nicht bestätigen. Lang beruft sich auf eine „offene und transparente Kommunikation“ mit allen Beteiligten, dabei habe er keine derartigen Erfahrungen gemacht. Er räumt jedoch ein, dass der „Dienst am Menschen“ ein schwieriger Beruf sei. und, wie überall, bei Krankheitsfällen die übrigen Mitarbeiter zusätzliche Aufgaben übernehmen müssten. Stolz ist er darauf, dass es seit 1. Oktober keine Leihkräfte mehr in der Einrichtung gebe. Außerdem bemühe man sich, die Arbeit zu erleichtern – beispielsweise habe man für 100.000 Euro neue Bettwäsche beschafft und die Reinigung nach außen vergeben. Und ein neu eingeführter Betriebsausflug für die Mitarbeitenden in der Tagespflege sei ein Beleg dafür, dass sich der Vorstand um die Belegschaft sorge. Mit großer Zurückhaltung begegnet der Vorsitzende des Verwaltungsrates dem Vorwurf, dass unter dem alten Geschäftsführer Mybes „alles besser“ gewesen sei.

Der Adressat des anonymen Briefs, Bürgermeister Harscher, reagiert zurückhaltend auf die Vorwürfe – die Stadt sei nicht der richtige Adressat. Er gibt zu bedenken, dass der durchschnittliche Mietpreis in Schopfheim auch schon bei 13 Euro liege – ohne Möglichkeit, direkt vor Ort Service- und Pflegeleistungen in Anspruch nehmen zu können. Außerdem seien andere Pflegeheime in der Region teils deutlich teurer.