Wutach – Der vergangene Winter hat an den Tag gebracht, was die Naturschutzwarte bisher nur befürchtet haben: Trotz der regelmäßig ausgegebenen, ausdrücklichen Warnungen betreten Spaziergänger und Wanderer auch in der kalten Jahreszeit das Naturschutzgebiet Wutachschlucht. Das ist nachgewiesen. „Wir betreiben Zählgeräte in der Schlucht“, erläutert Wutachrangerin Mareike Matt, „und die liefern ein eindeutiges Ergebnis.“

Bei den Zählern handelt es sich um unauffällige Boxen, die vorbeilaufende Personen mittels unsichtbarer Infrarotstrahlen erfassen wie eine Lichtschranke. Die Geräte werden üblicherweise vor dem Winter abgebaut, weil die Kälte die Akkus beschädigen kann. Es sollte schließlich auch nichts zu registrieren geben. Doch testweise haben die Naturschutzwächter im vergangenen Winter drei Zählgeräte hängen lassen. Und die haben gezeigt: Manche Zeitgenossen lassen sich auch von den eindringlichsten Warnungen nicht beeindrucken. Zwar nicht in Massen, jedoch immer wieder wurden Personen mittels Infrarotlicht ertappt.

Diese Personen gehen ein hohes Risiko ein, sagt die Wutachrangerin. „Die Wege werden nach den Herbstferien nicht mehr geräumt“, erklärt sie, „der Schwarzwaldverein stellt dann seine Aktivität ein.“ Geröll, Felsbrocken, Äste und umgestürzte Bäume bleiben bis zum Frühjahr auf den Wanderwegen liegen und machen sie zunehmend unpassierbar. Jederzeit ist besonders im Winter in der Schlucht mit plötzlich herabstürzenden Steinen zu rechnen, weil Sturm, Regen und Schnee die Hänge in Bewegung bringen.

Und als ob das noch nicht genug wäre: Auch die Wege selbst werden extrem gefährlich, wenn es nass wird. Schnee und Eis braucht es dazu noch nicht einmal. „Es handelt sich hier um Muschelkalkgestein“, erklärt die Wutachrangerin. „Wenn das feucht wird, ist es rutschig wie Schmierseife. Man hat keinen Halt mehr.“ Das betreffe die gesamte Wutachschlucht, warnt die Rangerin, wirklich trocken werde der Untergrund nur im Hochsommer.

In der jüngsten Vergangenheit seien zwar keine schweren Verletzungen zu verzeichnen gewesen. Doch vor einigen Jahren hatte es in den Wutachflühen offenbar einen tödlichen Unglücksfall gegeben. Weil die näheren Umstände unklar waren, wurde der Vorfall nicht in der Öffentlichkeit breitgetreten. „Betroffen ist die gleiche Zeit, in der man auch mit Winterreifen fährt“, sagt Mareike Matt. „In der kalten Jahreszeit, sozusagen von Oktober bis Ostern, raten wir jedem dringend davon ab, in die Schlucht zu gehen. Ab November wird‘s kritisch.“ Auch sie selbst vermeide es in dieser Zeit, das Gebiet zu betreten. „Wer das trotzdem tut, muss wissen, dass er nicht nur sich selbst gefährdet“, sagt Mareike Matt. „Diese Menschen spielen auch mit dem Leben und der Gesundheit der Retter, die sie im Notfall aus der Schlucht holen müssen“, gibt sie zu bedenken.

Das kann Lukas Michelfelder bestätigen, er ist ehrenamtlicher Bergretter von der Bergwacht Wutach. „Viele Stellen in der Schlucht sind nicht befahrbar“, sagt er, Rettungskräfte müssten daher oft lange Wege zu Fuß zurücklegen. „Natürlich sind wir darauf vorbereitet und dafür ausgebildet“, betont Michelfelder, „wir erreichen im Notfall jeden Patienten. Aber es bleibt auch für uns ein großes Risiko.“ Besonders schwierig werde es, wenn ein Verunglückter nicht mehr laufen kann und auf einer Trage transportiert werden muss. „Das funktioniert im Sommer noch ganz gut“, sagt Michelfelder. „Aber bei Frost wird‘s haarig.“ Auch Michelfelder warnt eindringlich vor Winterwanderungen durch die Wutachschlucht. „Auch wenn der Weg an einem milden Tag am Anfang sicher zu sein scheint – das kann ein paar hundert Meter weiter ganz anders aussehen“, erklärt der Bergretter.

Einfach zusperren, um die Leichtsinnigen vor sich selbst zu schützen, könne man die Schlucht nicht, sagt Mareike Matt, „das Betretungsrecht wird in Deutschland sehr hochgehalten“. Begehungsverbote seien daher kaum durchsetzbar. Jeder müsse allerdings wissen, dass er die Schlucht auf eigene Gefahr betritt. Auch der Natur tue man einen Gefallen damit, dort im Winter keine Spaziergänge zu unternehmen. „Die Tiere haben in der kalten Jahreszeit ein viel größeres Ruhebedürfnis“, erklärt die Wutachrangerin. Das betreffe zum Beispiel den gefährdeten Eisvogel oder auch den seltenen Vogel Gänsesäger. Etliche Exemplare dieser Gattung machen in der Schlucht Winterurlaub.