Der Geburtstag ist ein ganz besonderer Tag, an dem es nur um das Geburtstagskind geht. Das ist normalerweise so, aber nicht, wenn man wie Erich Hauser am 24.Dezember geboren ist. Er erblickte am Heiligen Abend 1939 das Licht der Welt und wird heute 80 Jahre alt. Mit zwei Schwestern im Elternhaus in Gurtweil aufgewachsen, verbrachte er Schul- und Lehrzeit in seinem Heimatort, 1963 folgte die Meisterprüfung und ein eigener Malerbetrieb.
Freunde, Verwandte, Kuchen und Geschenke zum Geburtstag, das alles gab es für Erich Hauser in der Kindheit nicht. Dieser besondere Tag ging nämlich immer am Weihnachtsfest unter. Für die meisten Nachkriegskinder in der Gegend gab es ohnehin keinen Luxus. Er erlebte noch, als es nötig war, mit Mutter und Schwestern auf den abgeernteten Feldern liegengebliebene Ähren und Kartoffeln einzusammeln. In der Gurtweiler Mühle konnten die ausgeschüttelten Weizen- oder Gerstenkörner in Mehl getauscht werden.
Unter dem Christbaum lagen wie bei seinen Schwestern neue Wollstrümpfe oder Socken und auch mal Handschuhe oder eine Mütze, ein paar Weihnachtplätzchen, Äpfel und Nüsse. Geburtstagsgeschenke – Fehlanzeige. Damals trugen die Buben im Winter „Liebli mit Strumpfrinken“ (Leibchen mit Strumpfhaltern) und Wollstrümpfe unter kurzen Hosen. An Weihnachten war Erich in der Kirche als Ministrant. Dass sein Geburtstag am Heiligen Abend nicht berücksichtigt wurde, war ihm erst bewusst, als er schon größer war. Dann fragte er seine Mutter: „Ich hab doch auch Geburtstag, was ist denn damit?“

Ein Holzroller mit Gummimantel um die Holzräder, den er im Schaufenster bei Eisenwaren Bartholomä entdeckt hatte, war sein sehnlichster Wunsch damals. Und er plagte und bettelte so lange, bis die Eltern nachgaben. Das blieb ihm in Erinnerung und war das tollste Geburtstags-Weihnachtsgeschenk seiner Kindheit. Als Jugendlicher freute er sich, wenn die Freunde am Heiligen Abend kurz zum Gratulieren kamen. Sie waren immer schnell wieder weg, weil ja Weihnachten, Heiliger Abend war. Da konnte man einfach keinen Geburtstag feiern.
1967 lernte der Jubilar seine Frau Ingeborg in Birkendorf kennen. Sie war die Tochter des Malermeisters Julius Kaiser. 1970 heirateten die beiden. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, drei Söhne und eine Tochter. Erich Hauser gab nach der Heirat den Malerbetrieb in Gurtweil auf und übernahm das Geschäft des Schwiegervaters.
Die Familie wohnte im Drei-Generationen-Haus mit Gästepension und Malerwerkstatt. Ab dem 40. Geburtstag führte Ehefrau Ingeborg ein, dass auch das Wiegenfest ihres Mannes (zumindest morgens) für die Familie, Verwandte, Freundeskreis und Hausgästen gefeiert wurde.
Da Erich auch Mitglied im Elferrat und Kegelclub in Birkendorf war, füllte sich die große weihnachtlich geschmückte Bauernstube im Kaiserhaus schon am Morgen des Heiligen Abends mit Gratulanten. Die Kerzen am Christbaum wurden aber erst am Abend angezündet. Das Haus „Pension Kaiserhaus“ war stets ein Haus der offenen Türen und bis heute eine Besonderheit im Ortszentrum. Es fällt durch die mit Ornamenten und dem heiligen Sebastian verzierte Fassade auf, die Erich Hauser 1979 mit Unterstützung von Fachleuten aus der Familie verschönerte.

30 Jahre führte das Ehepaar Hauser den Malerbetrieb und 50 Jahre die Pension. Im nächsten Jahr übernimmt der jüngste Sohn Benjamin Hauser die Bewirtschaftung der Pension. Erich und Ingeborg zogen im Frühjahr 2019 in ihr „Libdighus“ (Alterswohnhaus). Damit ging ein langgehegter Wunsch vor allem der Ehefrau in Erfüllung. „Besser spät als nie“, meint sie. So wird nach 50 Jahren zum ersten Mal der Geburtstag des Jubilars und das Weihnachtsfest im neuen Haus gefeiert.
„Das ist für mich im positiven Sinn „Weihnachten und Geburtstag zusammen“, meint der 80-Jährige, der das neue Heim und die Ruhe ohne Pensionsgäste am meisten genießt, obwohl er mit Wehmut das Kaiserhaus verließ, in dem er mit Herzblut viel Arbeits- und Lebenszeit investiert hatte. Am Heiligen Abend werden die Geburtstagsgratulanten ins neue Haus kommen und mit dem Jubilar zum 80. Geburtstag anstoßen, bevor sie zu Hause Heilig Abend feiern und auch die Familie Hauser sich um den Christbaum versammelt.