In Berau gibt es drei Mütter unter einem Dach. Die Familie Zumpe spricht anlässlich des Muttertages über den Wandel der Rolle als Mutter in vier Generationen.
Die 1. Generation: Elsa Kuscher (94)
Die 94-jährige Elsa Kuscher erzählt: Von Frauen und Müttern wurde Fürsorglichkeit, Häuslichkeit und nicht zuletzt Fruchtbarkeit erwartet. Beruf und Ausbildung für Mädchen war nicht üblich. Den Haushalt führen war das, was eine gute Frau beherrschte. „Wir hatten eine kleine Landwirtschaft mit vier Kühen und mussten morgens und abends füttern, melken und den Stall säubern. Mutter und Tochter versorgten den Haushalt gemeinsam, Kinder wurden frühzeitig in die Arbeit miteingebunden – Mädchen im Haushalt – Buben in der Landwirtschaft.
Als Elsa Kuscher im Jahr 1942 unehelich Mutter von Tochter Agnes wurde, zeigten die Eltern Emma und Franz Götz Verständnis und nahmen es als Schicksal an. Nach Elsas Heirat mit Ernst Kuscher 1949 führten sie weiter einen gemeinsamen Haushalt mit den Eltern. Privatsphäre war rar. Die Arbeit war klar geteilt. Etwas schwierig wurde es zwischen den Männern, wer das Sagen hatte. „Ansonsten haben wir uns immer gut verstanden“, erzählt Elsa. Glücklicherweise gab es im abgelegenen Haus 1949 endlich elektrischen Strom. Bis dahin war eine Karbidlampe bei Dunkelheit Lichtquelle, um Zeitung zu lesen. Als Elsas Mann 1957 einen Arbeitsplatz fand, zog die junge Familie nach Freiamt.
Die 2. Generation: Agnes Zumpe (76)
Einer Ordensschwester aus Berau war es zu verdanken, dass Elsas Tochter Agnes Zumpe in Blumberg eine Berufsausbildung machen konnte. Mit nicht einmal 14 Jahren war sie die einzige ihres Jahrgangs, der sich diese Möglichkeit bot. Mit 20 DM Monatslohn machte sie eine Kochlehre. Zwei neue Schürzen hatte der Großvater für sie gekauft. Alle anderen Kleidungsstücke waren nur „einfach“ da und mussten am Abend ausgewaschen werden, um am nächsten Tag wieder etwas Frisches anzuhaben. Nach weiteren zwei Jahren Berufstätigkeit zog Agnes nach der Heirat mit Fritz Zumpe zu den Großeltern zurück. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor.
„Ich kenne nichts anderes als den Mehrgenerationenhaushalt“, sagt Agnes Zumpe (76). Die Arbeit im Haushalt und in der Landwirtschaft ging nie aus. Statt Traktor zog Vieh Pflug und Erntewagen. Rund 80 Obstbäume auf dem Grundstück mussten gepflegt und geerntet werden. Aber das Geld war immer knapp.“ Agnes verdiente als Bedienung bei Festen etwas dazu, wenn es in der Landwirtschaft ruhiger war. Die Kinder waren bei den Großeltern gut aufgehoben. Damit die wachsende Familie Platz hatte, wurde immer wieder an- und umgebaut, was finanziell eine große Belastung war. „Wir waren neun Personen an einem Tisch.“ Nach dem Tod der Großeltern, kamen Anfang der 80er Jahre noch drei Neffen und Nichten als DDR-Flüchtlinge dazu und die Mutter, Elsa Kuscher, kam als Witwe 1991 wieder in die Familie. Sie bekam eine eigene Wohnung im Obergeschoss.
Die 3. Generation: Beate Zumpe (36)
Marc Zumpe, jüngster Sohn von Agnes Zumpe, baute 2003 den Ökonomieteil aus und übernahm das Elternhaus, was Agnes und Fritz Zumpe als Glücksfall empfanden. Fritz Zumpe verstarb vor Erreichung des Rentenalters nach langer Krankheit. Mit Marc und Beate Zumpe (36) und den Enkeln Linus, Josefina und Gabriel, leben Elsa Kuscher und Agnes Zumpe seit 2003 unter einem Dach. Anders als früher, hat jeder seine eigene Wohnung und Privatsphäre. Als ausgebildete Erzieherin hat Beate Zumpe etwas andere Vorstellungen von Familie und Erziehung, als man sie früher hatte. „Wir brauchen gegenseitiges Verständnis füreinander. Denn heute ist die Rolle der Mutter anders als früher“, sagt Beate Zumpe. Ich schätze das Wissen der beiden Großmütter, auf das wir immer zurückgreifen können“, meint sie.
„Wir lernen voneinander. Es gibt unterschiedliche Ansichten, die uns fordern. Die Möglichkeiten für Mütter haben sich wesentlich verbessert, aber es gibt weiterhin große Herausforderungen, die man früher nicht gekannt hat.“ Beate Zumpe ist seit Kurzem wieder berufstätig. Das sei zum einen, was sie erfülle und zum helfe, sich etwas mehr leisten zu können.“ Elsa Kuschers Enkelin Silvia Brenninger lebt ebenfalls in Berau. Sie ist von Beruf Friseurin und hatte nach ihrer Heirat gleich eine eigene Wohnung. Ihr Plan, einen Friseursalon in Berau zu eröffnen, war ohne Meisterbrief nicht erlaubt. Es war ein Balanceakt für die vierfache Mutter zwischen Familie und Beruf. Sie schaffte es und eröffnete nach zwei Jahren ihr eigenes Geschäft.
Die 4. Generation: Melanie Brenninger (28)
Inzwischen nimmt sich Silvia Brenninger gern Zeit für ihre Enkelkinder, die Elsa Kuscher zur Ururoma machten. Ihre Schwiegertochter Melanie Brenninger die zur Zeit noch in Elternzeit ist, antwortete auf die Frage nach dem Zusammenkommen bei den Großmüttern spontan: „Wir treffen uns oft!“ „Ja, es gibt bei uns immer Geburtstage, Weiße Sonntage, Hochzeiten, Taufen, Weihnachten oder sonstige Anlässe, bei denen die Großfamilie gemeinsam feiert. Dann sind manchmal alle fünf Generationen da. Da wird es sehr turbulent im Haus.“ Es sei gut, dass alle ihre eigene Wohnung haben. „Wir sind immer füreinander da, miteinander reden und lachen genießen alle und ist das Wertvollste in der Großfamilie“, sind sich am Ende des Gesprächs alle vier Generationen einig.
Die Familie
Elsa Kuscher (94) hat sieben Kinder, 22 Enkelkinder, 45 Ur- und 14 Ururenkel. Agnes Zumpe (ihre Tochter, 76) hat fünf Kinder, 14 Enkel und 14 Urenkel. Marc Zumpe (Enkel) und Ehefrau Beate haben drei Kinder. Silvia Brenninger (Enkelin, 55) hat vier Kinder, ein Pflegekind und sieben Enkelkinder und drei Pflegeenkelkinder. Melanie Brenninger (Urenkelin, 28) hat drei Kinder (Ururenkelkinder von Elsa Kuscher). Die Familien-Mitglieder-Liste ist nicht vollständig.