Das Rathaus in Tiengen bekommt ein modernes Bürgerbüro. Doch Stand heute wird es für Rollstuhlfahrer sowie für Menschen mit Rollatoren oder Kinderwagen unerreichbar sein. Denn das historische Gebäude in der Altstadt ist nicht barrierefrei.
Bürger machen Unmut Luft
Das möchte die Stadtverwaltung im Zuge des Umbaus ändern. Und zwar mit einer Rampe, die vor dem Haupteingang gebaut werden soll. Doch dagegen regt sich heftiger Widerstand. Deutlich wurde der Unmut der Bürger am Donnerstag bei einer öffentlichen Info-Veranstaltung im Rathaus. Sie fordern statt der Rampe einen Aufzug.

Einig sind sich Befürworter und Gegner der Rampe, dass das Rathaus barrierefrei werden muss. Doch am Weg dorthin scheiden sich die Geister. Während Lorenz Wehrle, Leiter des Hochbauamts, die Vorteile der Rampe hervorhob, lehnten unter anderem Kurt Reckermann und Mike Schüz das Bauwerk ab.
Sie fordern stattdessen, die Barrierefreiheit mittels Aufzug herzustellen. Entweder durch einen Außenaufzug an der Rückseite zur Weihergasse hin oder durch einen Innenaufzug, erreichbar ebenfalls von der Weihergasse aus. Die Rampe, so argumentierten sie, verenge die Fußgängerzone unnötig und mache sie auch nicht schöner
Für die Barrierefreiheit am Tiengener Rathaus gibt es vier Alternativen. Das letzte Wort hat der Gemeinderat in seiner öffentlichen Sitzung am 18. November.
An der breitesten Stelle würde die Rampe 2,45 Meter in die Fußgängerzone ragen. Die künftig engste Stelle in diesem Bereich, also zum gegenüberliegenden Haus, wäre 6,80 Meter breit. Die Stahlkonstruktion bekäme einen Belag aus Granit, die Sicherheit der Benutzer soll ein 80 Zentimeter hohes Geländer gewährleisten.
Am anderen Ende soll die Rampe und damit das Rathaus über drei Stufen erreichbar sein. Weiter ist geplant, dass kreisförmig um die Rampe der Straßenbelag mit großen Platten neu gestaltet werden soll.

Die Barrierefreiheit, so Bürgermeister Joachim Baumert sei wichtig, um allen Menschen mit Beeinträchtigungen eine uneingeschränkte Erreichbarkeit in Publikumsräume des Rathauses zu gewährleisten. Und zwar, wie Lorenz Wehrle erklärte, durch den Haupteingang.
Wie die meisten der anwesenden Bürger plädierte auch der frühere CDU-Fraktionssprecher im Gemeinderat, Helmut Maier, für einen barrierefreien Zugang ins Rathaus von der Rückseite her. Wenn dies nicht möglich sei und es doch auf eine Rampe hinauslaufe, müsse diese direkt an die Hauswand gesetzt werden. Andernfalls würde das gesamte Gebäude verschandelt.
Alte Dame Rathaus
Aktuell sieht die Planung eine Lücke zwischen Rampe und Wand in einer Breite von 45 Zentimetern vor. Zudem forderte Maier ein filigraneres Geländer. Ein direktes Andocken sei abdichtungstechnisch nicht in den Griff zu bekommen, entgegnete Hochbauamtsleiter Lorenz Wehrle auf den Maier-Vorschlag. „Damit würden wir der alten Dame Rathaus schaden.“
Verwaltung muss kämpfen
Kurt Reckermann, Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Tiengen, forderte eine Aufzugslösung. Am liebsten einen innenliegenden Lift. Dass hierfür die Denkmalschutzbehörde überzeugt werden müsse, ist ihm klar. Aber: „Für einen Innenaufzug muss nur eine Decke durchbohrt werden.“ Dafür müsse die Verwaltungsspitze halt kämpfen. Lili Reckermann, von Beruf Architektin, bemängelte, dass nur die Rampen-Variante konkret geplant und berechnet worden sei.
Alle Varianten durchrechnen
Sie forderte deshalb, vor der Gemeinderatssitzung alle Varianten zu planen und zu berechnen. Genau die Kostenkeule habe er nicht schwingen wollen, erwiderte Lorenz Wehrle. „Unser Ansatz ist ein anderer. Uns ging es um die inhaltlich beste Lösung für die künftige Barrierefreiheit.“ Und so gesehen spreche alles für die Rampe.
„Die historische Innenstadt wird unter der Rampe leiden.“ Davon ist Oskar Haug überzeugt. Für ihn sei alles „viel zu kurz gesprungen“. Er forderte eine große Lösung mit einer Erweiterung des Rathauses zur Weihergasse hin. Mike Schüz hätte sich eine frühzeitigere Information gewünscht und bemängelte den Platzverlust in der Fußgängerzone durch eine Rampe. Schüz: „Es soll alles hopphopp durchgezogen werden.“
Nicht die endgültige Lösung
Für CDU-Stadtrat Waldemar Werner zeige das Interesse an der Veranstaltung, dass eine Rampe nicht die endgültige Lösung sein könne. Die Forderung von Grünen-Stadträtin Claudia Linke, dass ein Vertreter des Denkmalschutzes zur Sitzung des Gemeinderats eingeladen werden soll, stieß bei Bürgermeister Baumert auf offene Ohren.