Sie sprießen in der Stadt wie Pilze aus dem Boden. In leuchtender Schrift steht an den Schaufenstern: American Nails, Star Nails oder Nail City. Das Geschäft mit bunten, langen und außergewöhnlichen Fingernägeln scheint unendlich. Unendlich scheint auch die Geduld der Kunden, die zum Teil Schlange stehen, um auf einen Termin zu warten. Und das, obwohl es in der Waldshuter Innenstadt mittlerweile acht dieser asiatisch geführten Nagelstudios gibt. In einer Stadt, die nicht einmal 13 000 Einwohner hat. Da wundert es nicht, dass immer wieder Passanten vor den Geschäften stehen bleiben und sich über die Vielzahl der Nagelstudios wundern.
Dem Waldshuter Werbe- und Förderungskreis ist ist die Anzahl der Studios ein Dorn im Auge. Thomas Wartner, stellvertretender Vorsitzender: „In der Innenstadt leidet die Angebotsvielfalt darunter.“ Hinzu komme, dass einige der Studios mit Leuchtreklamen auf sich aufmerksam machen wollen. Das hat die Stadt mittlerweile – nachdem der Werbe- und Förderungskreis eine Anfrage diesbezüglich gestellt hat – den Geschäften unterbunden.
Denn es gibt klare Regeln: Die Leuchtreklame richtet sich nach der Gestaltungssatzung Waldshut und darf beispielsweise nicht blinken oder wechseln, informiert Fabian Prause vom städtischen Ordnungsamt. Dass in einigen Geschäften Personal laut Anwohnern und Geschäftsleuten in den Gewerberäumen wohnt, ist laut Stadt und Landratsamt bekannt. Allerdings sehe die Gewerbeaufsicht keine Handlungsgrundlage, dagegen vorzugehen.
Das Verlockende für die meisten Frauen an den besagten Studios ist, dass sie gerade einmal rund 22 bis 25 Euro für eine Komplettauflage an künstlichen Fingernägeln zahlen. Branchenkenner fragen sich unterdessen, wie bei diesen Preisen die Kosten gedeckt und Gewinne erzielt werden können. Soweit die betreffenden Studios überhaupt auf Anfragen reagierten, gaben sie zu dieser Frage keine Stellung. Zum Vergleich: Bei Nageldesignerinnen, die zu Hause arbeiten (sogenannten Homestudios) liegen die Preise in der Regel zwischen 45 bis 60 Euro. Nicht einmal eine Stunde dauert die Prozedur in den Asia-Studios, bis sich Frau über Gel- oder Acrylnägel freuen kann. Und das kommt gut an. Gab es in der Waldshuter Innenstadt noch vor wenigen Jahren gerade einmal ein asiatisch geführtes Nagelstudio, sind es heute acht. Das letzte hat jüngst in der Kaiserstraße geöffnet.
Sollte es eine Begrenzung geben?
Doch nicht alle freuen sich über diese Geschäfte. Immer wieder kommt die Frage auf, weshalb die Stadt die Anzahl der Nagelstudios nicht begrenzt, so wie sie es vor einigen Jahren mit den Gastronomiebetrieben im Erdgeschoss der Kaiserstraße getan hat. Fabian Prause vom städtischen Ordnungsamt: „Fünf der Nagelstudios befinden sich nach Bebauungsplan Altstadt Nord im Mischgebiet und im besonderen Wohngebiet. Hier sind Gewerbebetriebe allgemein zulässig. Der Ausschluss einzelner Gewerbebetriebe, wie zum Beispiel Nagelstudios, ist theoretisch möglich, aber nur, wenn besondere städtebauliche Gründe vorliegen. Diese Hürde ist sehr hoch, die Begründung zum Ausschluss zu liefern, sieht sich das Bauverwaltungs- beziehungsweise Stadtplanungsamt rechtlich nicht imstande.“ Weiter sagt Prause: „Für die zwei Nagelstudios in der Kaiserstraße läuft im Moment noch eine Prüfung. Hierzu können aktuell noch keine Aussagen getroffen werden.“
Aber nicht nur in Waldshut, sondern auch in anderen Städten der Region wie Bad Säckingen, Rheinfelden und Lörrach nimmt die Zahl der Nagelstudios stetig zu. Besonders extrem ist die Situation aber in Großstädten. So berichtete ein Vietnamese, der in Großstädten mehrere solcher Studios hatte, von seinen Erfahrungen gegenüber „Zeit online“. Drei bis vier Euro Stundenlohn würden bezahlt – weit entfernt vom gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro. Der Aussteiger habe mehrere Nagelstudios in deutschen Einkaufsstraßen besessen. Schluss sei gewesen, als ihm der Preiskampf zu viel wurde. Gegenüber „Zeit online“ sagte er: „Das Nagelset hat bei mir 49 Euro gekostet – mit den billigen Materialien.“ Wer 20 Euro für eine Neumodellage anbiete, könne nie auf seine Kosten kommen, geschweige denn faire Löhne, Sozial- und Krankenversicherungsbeiträge zahlen oder Steuern entrichten. Deshalb müsse mehr kontrolliert werden. Laut Hauptzollamt Singen wurde in Waldshut bereits kontrolliert. Weil die Ermittlungen noch laufen, kann der Zoll bisher zu den Studios keine Auskünfte geben, sagt Pressesprecher Michael Hauck.
Auf Facebook hat diese Zeitung eine Umfrage gestartet, was Kundinnen in die günstigen asiatischen Studios zieht. Fazit: schnell, günstig, keine Terminvereinbarung. Doch auch negative Stimmen gab es. So schreibt Selma Daglarkiran aus Grafenhausen: „Habe einige Studios ausprobiert. Homestudios sind besser. Man bezahlt dafür mehr, aber umso besser wird es auch. Ich bin bei den Studios nie zufrieden gewesen, da sie kaum auf die Kundenwünsche eingehen. Liegt meistens daran, dass sie uns nicht verstehen. Und es ist nicht immer ganz schmerzfrei. Dies liegt daran, dass sie die Arbeit schnell erledigen wollen und somit grob sind. Sie arbeiten zügig aber dementsprechend sehen die Nägel am Ende ungenau aus. Da zahle ich dann lieber etwas mehr und habe dafür gleich lange und schöne Nägel.“ Sabrina W. aus dem Kreis Waldshut, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, absolviert gerade eine Ausbildung und hat nicht viel Geld übrig. Sie meint: „Mir gefällt es, gepflegte Nägel zu haben. Und in diesen Studios bekomme ich eine Auffüllung für knapp 20 Euro. In einem Homestudio zahle ich schnell 40 Euro. Und das kann ich mir alle zwei bis drei Wochen nicht leisten.
Deshalb gehe ich regelmäßig zu den asiatischen Studios.“ Gedanken über die Hygiene hat sich die 18-Jährige noch nicht gemacht. „Bisher ist bei mir alles gut gegangen und auch das Ergebnis gefällt mir“, sagt sie und betrachtet ihre mit Mustern bemalten 2,5 Zentimeter langen spitzen Nägel. Auch wenn die Hygiene für Sabrina W. kein Thema ist, ist es das für andere. Denn bei unserer Umfrage auf Facebook wurde vor allem die Hygiene in den günstigen Studios von einigen in Frage gestellt. Nageldesignerin Melanie Kaysi, die in Tiengen ein Homestudio hat, sagt: „Bei mir hat jede Kundin beispielsweise ihre eigene Feile. Wird immer die Gleiche benutzt, muss sie sorgfältig desinfiziert werden. So können Infektionen verhindert werden.“ Bei der Umfrage bemängelt wurden auch die Gerüche der Chemikalien in den günstigen Studios; einige fragen sich, ob das vielleicht sogar gesundheitsschädlich ist.
Wie das Gesundheitsamt des Landkreises Waldshut mitteilt, würden weder das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg noch das Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg eine besondere Problematik im Bereich der Nagelstudios sehen. So hat das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg dem Gesundheitsamt in Waldshut im Dezember 2016 auf Nachfrage mitgeteilt, dass man keine besondere Problematik im Bereich der Nagestudios erkennen könne. Es gebe zwar immer wieder Beschwerden, vor allem gehe es um mögliche Übertragungen von Nagelpilzen. Dem Landesgesundheitsamt sei jedoch kein Fall bekannt, in dem eine Infektionskette nachgewiesen werden konnte. Und auch dem Ministerium für Soziales und Integration liegen keine weitergehenden Erkenntnisse zum Infektionsrisiko in Nagelstudios vor.
Gebe es aber Anhaltspunkte der Kunden, dass die Anforderungen der Hygiene nicht eingehalten werden, ist aus Sicht des Sozialministeriums eine infektionshygienische Überwachung ratsam. Michael Swientek, Pressesprecher beim Landratsamt in Waldshut: „Selbstverständlich wird unser Gesundheitsamt tätig, wenn dort Hinweise eingehen, dass es zu Infektionen nach Inanspruchnahme von Dienstleistungen in einem Nagelstudio gekommen ist oder sich Kundinnen über große Hygieneverstöße beschweren.“
Das Geheimnis der Asia-Studios
Stefanie Pöschl, Geschäftsführerin der Alessandro Academy in Stuttgart, arbeitet seit 2001 als Nageldesignerin. Sie ist geprüfte und zertifizierte Naildesignerin der Handwerkskammer Heilbronn, bildet aus und war als Dozentin der Handwerkskammer Heilbronn tätig sowie als Jurorin bei Wettbewerben.
- Vorteil: An erster Stelle stehen laut Pöschl für viele die günstigen Preise in den Asia-Studios. Wichtig für einige Kunden ist auch, dass sie keine Termine vereinbaren müssen.
- Nachteil: Oft würden die Kunden mit günstigen Angeboten in den Laden gelockt, dafür müssten sie beispielsweise für das Lackieren extra bezahlen. Schnell liegt die Rechnung dann bei 35 Euro. Pöschl: „Hier spricht man von sogenannten Lockpreisen.“ Ein großes Problem ist auch die mangelnde Kommunikation. So sprächen einige Mitarbeiter kaum oder gar kein Deutsch, sodass auf Sonderwünsche nicht eingegangen werden könne. „Allerdings ist die fehlende Kommunikation während der Arbeit auch ein Vorteil, weil man schneller fertig ist“, weiß Pöschl.
- Material: Darüber will Stefanie Pöschl nicht urteilen. Sie weiß aber, dass es in Goßstädten Großeinkäufer gibt, die die Produkte für zahlreiche Studios kaufen. Durch die Menge würde der Einkauf günstiger.
- Tipp: Wer sich bei einem Studio unsicher ist, soll zuerst auf die Hygiene achten. „Sind Tisch und Feilen geputzt und frisch desinfiziert, ist das schon einmal ein gutes Zeichen. Geht doch etwas schief, kann man die Kunstnägel auch entfernen lassen.“ Deutschen Nageldesignerinnen rät Stefanie Pöschl, nicht die Preise der Asia-Studios zu übernehmen. Kunden, die sich für ein nicht asiatisches Studio entscheiden, setzten auf Service und Beratung. Das bedeute mehr Zeit und dadurch höhere Preis.