Vergleichsweise unspektakulär ist der Fall zu Ende gegangen, der in der Vergangenheit deutschlandweit für Schlagzeilen sorgte: Die 34-jährige Felicitas Rohrer ist vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen mit ihrer Klage gegen das Pharma-Unternehmen Bayern gescheitert. Sie forderte 200.000 Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz für die gesundheitlichen Schäden, die sie durch die Einnahme der Antibabypille „Yasminelle“ erfahren habe.

Urteilsverkündung vor leeren Rängen

Die Vorsitzende Richterin Claudia Jarsumbek verlas in einem fast leeren Sitzungssaal das Urteil. Weder die Klägerin noch ein Vertreter des Bayer-Konzerns noch Publikum waren zu der öffentlichen Verhandlung am Donnerstag erschienen. 

In diesem Sitzungssaal des Landgerichts Waldshut-Tiengen wurde die Klage von Felicitas Rohrer gegen den Pharmakonzern Bayer abgewiesen.
In diesem Sitzungssaal des Landgerichts Waldshut-Tiengen wurde die Klage von Felicitas Rohrer gegen den Pharmakonzern Bayer abgewiesen. | Bild: Juliane Schlichter

2011 reichte Felicitas Rohrer gegen Klage Bayer ein, nachdem sie im Juli 2009 eine Thrombose im linken Bein und eine beidseitige Lungenembolie erlitten hatte, die sie beinahe das Leben kostete. Noch heute leide sie an den Folgen, könne aufgrund der Blutverdünner, die sie seitdem einnehmen muss, nur unter erhöhtem Risiko schwanger werden und sei nicht mehr in der Lage, ihren Beruf als Tierärztin auszuüben, wie sie beim Prozessauftakt im Dezember 2015 vor Gericht schilderte.

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Zudem leide sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Verantwortlich für ihren Gesundheitszustand macht die Klägerin die Antibabypille „Yasminelle“, die sie neun Monate lang eingenommen hatte, bevor es zum körperlichen Zusammenbruch kam. In ihren Augen habe der Hersteller des Verhütungsmittels, der Welt-Konzern Bayer, nicht ausreichend im Beipackzettel auf das Thrombose-Risiko durch den Wirkstoff Drospirenon hingewiesen.

Gericht sieht keinen kausalen Zusammenhang

Diesen Vorwurf hat das Landgericht Waldshut-Tiengen nun zurückgewiesen. In ihrer Urteilsbegründung sagte die Vorsitzende Richterin Claudia Jarsumbek: „Es steht für uns nicht fest, dass die Einnahme von „Yasminelle“ die lebensbedrohliche Lungenembolie verursacht habe.“ Gleichzeitig könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine mehrwöchige Flugreise, die Felicitas Rohrer im Frühjahr 2009 nach Thailand unternommen hatte, in Verbindung mit einer angeborenen Venen-Anomalie Auslöser der Thrombose und der Lungenembolie waren.

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Einer Forderung nach Schmerzensgeld und Schadenersatz hätte nur stattgegeben werden können, wenn zweifelsfrei nachweisbar gewesen wäre, dass die Gesundheitsschäden „zumindest auch durch die Einnahme der Pille „Yasminelle“ verursacht worden sind“, heißt es in der Urteilsbegründung. Wie ein Gutachter bei der Sitzung im vergangenen Oktober vor Gericht aber aussagte, sei es denkbar, dass sich die Klägerin bei den Langstreckenflügen nach Bangkok und zurück eine so genannte Reise-Thrombose zugezogen habe.

Die Antibabypille „Yasminelle“ ist seit 2000 zugelassen.
Die Antibabypille „Yasminelle“ ist seit 2000 zugelassen. | Bild: Laura Marinovic

Dabei kann sich aufgrund des langen Sitzens im Flugzeug ein Gerinnsel in den Blutgefäßen bilden. Wie die Richterin bei der Verhandlung anmerkte, traten bereits Ende März 2009, kurz nachdem sie aus Thailand zurückgekehrt war, erste Beschwerden wie Atemnot und Erschöpfungszustände bei Felicitas Rohrer auf. Darüber hinaus leide sie an einer angeborenen Fehlbildung in Form einer doppelten unteren Hohlvene. Beide Faktoren zusammen können die Verstopfung in den Lungenflügeln ausgelöst haben.

In der Urteilsbegründung angesprochen wurde auch der Vorwurf, dass Bayer Patientinnen nicht ausreichend über die Risiken bei der Einnahme der Yasminelle informiert habe. Claudia Jarsumbek zitierte aus dem Beipackzettel, in dem es heißt: „Die Einnahme von Yasminelle erhöht das Risiko, eine venöse Thrombose zu entwickeln, im Vergleich zu Frauen, die keine Pille einnehmen.“ Die Richterin erwähnte auch, dass das Pharma-Unternehmen Bayer Gynäkologen Broschüren mit Hinweisen zur Yasminelle zur Verfügung stellt, die diese an ihre Patientinnen verteilen können.

Rohrer muss Großteil der Prozesskosten tragen

Felicitas Rohrer stammt aus Bad Säckingen im Landkreis Waldshut und lebt heute in der Ortenau. Nachdem sie ihren Beruf als Veterinärmedizinerin nicht mehr ausüben kann, arbeitet sie heute als freie Journalistin. Aufgrund der Entscheidung der Ersten Zivilkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen, die Rohrers Klage gegen Bayer abwies, muss die junge Frau fünf Sechstel der Prozesskosten tragen. Mitte Oktober hatte das Gericht den Kontrahenten nahegelegt, sich außergerichtlich zu einigen. Dieser Aufforderung sei jedoch keiner der Beteiligten gefolgt, sagte die Vorsitzende Richterin Jarsumbek.

"Das stimmt nicht", sagt Rohrers Anwalt Martin Jensch dem SÜDKURIER. "Wir hätten uns das Angebot angehört". Bayer bestätigte gegenüber dieser Zeitung, kein Angebot für einen Vergleich gemacht zu haben. Anwalt Jensch will zunächst das schriftliche Urteil abwarten, gab aber an, "die Möglichkeiten einer Berufung" dann genau zu prüfen. "Der Rechtsstreit war noch nicht entscheidungsreif", erklärte er unter Verweis auf weitere Beweisanträge. Zudem habe der Gutachter sich „positiv zur Kausalität“ zwischen Rohrers Lungenembolie und der Einnahme der Pille geäußert.