Nach dem Motto "lieber ein Ende mit Schrecken", stimmte der Gemeinderat Waldshut-Tiengen am Montagabend mit großer Mehrheit der Vereinbarung zum Ausstieg aus der Spitäler Hochrhein GmbH zu. Votiert der Waldshuter Kreistag in seiner heutigen Sitzung entsprechend, gehen Stadt und Landkreis ab 1. Juli dieses Jahres getrennte Wege in der stationären Gesundheitsversorgung.
Abschied vom eigenen Krankenhaus
Das bedeutet auch, dass das Waldshuter Spital nach mehr als 600 Jahren in den alleinigen Betrieb des Landkreises Waldshut übergeht. Gegen die Vereinbarung stimmten Axel Knoche und Paul Albiez-Kaiser (Grüne); Sylvia Döbele (SPD), Petra Thyen (Grüne) und Paul Klahn (Linke) enthielten sich der Stimme.
Für den lange verhandelten Ausstieg aus der Spitäler Hochrhein GmbH muss Waldshut-Tiengen tief in die Tasche greifen. Neben den bereits gewährten Darlehen und Patronatserklärungen (siehe zweiten Text) muss sich die Stadt mit 14,4 Millionen Euro an der Aufrüstung des Spitals Waldshut beteiligen. Zudem mit 2,3 Millionen Euro an Abfindungen für das Personal des Bad Säckinger Krankenhauses.
Landkreis zahlt Pacht für Spitalgebäude
Die Vereinbarung sieht – zugunsten der Stadt – vor, dass das Gebäude des Waldshuter Spitals (und natürlich das Grundstück, auf dem es steht), im Eigentum des Spitalfonds Waldshut verbleibt. Hierfür soll der Landkreis als dann alleiniger Betreiber des Krankenhauses eine jährliche Erbpacht in Höhe von 184 000 Euro bezahlen. OB Philipp Frank: "Das Tafelsilber bleibt erhalten." Ist das geplante Zentralspital bezogen, kann die Stadt wieder über das Gebäude verfügen.
Erwartungen wurden nie erfüllt
Oberbürgermeister Philipp Frank ließ die kurze Geschichte der Spitäler Hochrhein GmbH Revue passieren. Unter ihrem Dach wurden die beiden Krankenhäuser Waldshut und Bad Säckingen zum 1. Januar 2011 verschmolzen. Doch die darin gesetzten Erwartungen, insbesondere in Sachen Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, hätten sich nicht erfüllt, so OB Frank. Im Herbst 2015 habe die GmbH kurz vor der Zahlungsunfähigkeit gestanden. Diese habe nur durch mehrere Darlehen und Patronatserklärungen (Bürgschaften) abgewendet werden können.
Dass seit seinem Amtsantritt viele Beratungen hinter verschlossenen Türen stattgefunden hätten, begründete Frank mit "schützenswerten Interessen Dritter" und der Gefahr, die Lage durch zu viel Öffentlichkeit noch zu verschlimmern.
"Fusion war ein großer Fehler"
Die Fusion der beiden Spitäler, so das Fazit des Oberbürgermeisters, sei für die Stadt Waldshut-Tiengen ein großer Fehler gewesen. Die Risiken hätten die Chancen deutlich überschritten, so der OB. Er rügte auch, dass der Gemeinderat zu Zeiten der Fusion "nicht hinreichend informiert" gewesen sei. Die Verantwortlichen hätten das Gremium nicht genügend über mögliche Risiken informiert. "Man hat damals Spital-Geschäftsführer Uwe Lorenz und OB Martin Albers vertraut."
Das Votum der Stadt sei seinerzeit ohne juristischen Beistand erfolgt. Als größte Schwachpunkte der damaligen Vereinbarung nannte Frank die Tatsache, dass keine Ausstiegsklausel eingearbeitet worden sei und dass die Beschlüsse nur einstimmig hätten gefasst werden dürfen.
OB Frank: Ein guter Kompromiss
Mit dem jetzt erzielten Ergebnis der "zähen Ausstiegsverhandlungen" zeigte sich Philipp Frank unterm Strich durchaus zufrieden. "Wir konnten uns nicht in allen Fragen durchsetzen, aber es ist ein ausgewogener Kompromiss." Er erinnerte daran, dass Landrat Martin Kistler in einer Sitzung des Gemeinderates einmal gesagt habe, dass er dem Kreistag "Beute bringen" müsse.
Deutliche Kritik am Konsortialvertrag, der der Spitäler Hochrhein GmbH zugrunde liegt, gab es in der Diskussion auch von den Stadträten. So sagte zum Beispiel CDU-Sprecher Helmut Maier: "Der Vertrag hat ein Millionenloch in unsere Stadtkasse gerissen."
Die Daten zum Krankenhaus-Ausstieg
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Spitäler Hochrhein GmbHAm 1. Januar 2011 wurden das Krankenhaus Bad Säckingen und das Spital Waldshut gesellschaftsrechtlich verschmolzen. Zweck war es, den Betrieb beider Häuser unter eine einheitliche Leitung zu stellen – unter dem neuen Namen Spitäler Hochrhein GmbH. Gesellschafter waren fortan der Landkreis Waldshut mit 40 Prozent des Stammkapitals sowie der Spitalfonds Waldshut und somit letztlich die Stadt Waldshut-Tiengen mit 60 Prozent des Stammkapitals. Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung konnten allerdings nur einstimmig gefasst werden.
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Kosten des AusstiegsDer Spitalfonds Waldshut beziehungsweise die Stadt Waldshut-Tiengen haben der Spital Waldshut GmbH und später der Spitäler Hochrhein GmbH seit 2005 Darlehen in Höhe von 8,9 Millionen Euro gewährt. Eine Konsequenz des Ausstiegs ist es, dass die Darlehen nicht zurückgezahlt werden. Auch die Patronatserklärungen (Bürgschaften), mit der Stadt und Landkreis eine Überschuldung der GmbH vermeiden wollten, werden nicht wieder zurückgezahlt. Der Anteil der Stadt beträgt 9,9 Millionen Euro. 6,6 Millionen Euro sind davon bereits geflossen, 3,3 Millionen Euro müssen noch gezahlt werden.
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GewährträgerhaftungIm Zusammenhang mit der Verschmelzung der Spitäler Waldshut und Bad Säckingen hatte die Stadt Waldshut-Tiengen für die Spitäler Hochrhein GmbH gegenüber der Zusatzversorgungskasse (ZVK) eine Gewährträgererklärung abgegeben. Dies bedeutet, dass die Stadt gegenüber der ZVK im Falle einer Zahlungsunfähigkeit der GmbH haften würde. Die Gewährträgerhaftung beträgt nach Angaben der ZVK circa 70 Millionen Euro. Mit dem Ausstieg ist vorgesehen, dass die Gewährträgerhaftung der Stadt auf den Landkreis übergeht.
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ErbbaurechtsvertragZwischen dem Landkreis Waldshut und dem Spitalfonds Waldshut wird ein sogenannter Erbbaurechtsvertrag mit einer Laufzeit von 15 Jahren geschlossen. Durch einen Erbbaurechtsvertrag bleibt der Spitalfonds Eigentümer des Grundstücks, während der Landkreis Eigentümer des Gebäudes wird beziehungsweise eine eigentümerähnliche Stellung für das Gebäude erhält. Dafür zahlt der Landkreis einen Erbbauzins, also ein Pacht, von 184 400 Euro jährlich. Nach Ablauf der 15 Jahre geht das Eigentum am Gebäude wieder auf den Grundstückseigentümer, also den Spitalfonds Waldshut, über. Hinsichtlich der Dauer wurde eine Ausstiegsklausel vereinbart, dass eine Aufhebung des Erbbaurechtvertrags auch vor dem Ablauf von 15 Jahren möglich ist. Also für den Zeitpunkt, an dem das geplante Zentralkrankenhaus seinen Betrieb aufnimmt.
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Konsequenz des AusstiegsBisher galt für alle Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Spitäler Hochrhein GmbH das Einstimmigkeitsprinzip. Durch den Ausstieg des Spitalfonds Waldshut muss der Landkreis Waldshut als alleiniger Träger der Spitäler Hochrhein GmbH keine Rücksicht mehr auf das Einstimmigkeitsprinzip bei künftigen Entwicklungen der Krankenhausstruktur nehmen.
Maximilian Halter
"Wir stimmen zu, um weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden"
Das sagen die Sprecher der Gemeinderats-Fraktionen zum geplanten Ausstieg der Stadt Waldshut-Tiengen aus der Spitäler Hochrhein GmbH und den damit verbundenen Belastungen der städtischen Finanzen.
- Helmut Maier, CDU: „Wir sind allen Zahlungsforderungen der GmbH nachgekommen, haben alle notwendigen Patronatserklärungen gegeben. Aber das war ein finanzieller Kraftakt für unsere Stadt.“ Maier rechnete vor, dass die Stadt insgesamt 38 Millionen Euro zahlen müsse und verband dies mit einer deutlichen Kritik am Gründungsvertrag der GmbH. „Der Vertrag hat ein Millionenloch in die Stadtkasse gerissen.“ Es sei ihm unverständlich, dass der Vertrag keine Ausstiegsmöglichkeit beinhalte. Der jetzt gefundene Kompromiss beinhalte notwendige Punkte. Deshalb gelte für die CDU-Fraktion: „Wir stimmen der Ausstiegsvereinbarung zu, um weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden.“
- Gerhard Vollmer, SPD: „Wir wollen aus dem Vertrag raus.“ Dass es damals keine rechtliche Prüfung seitens der Stadt gegeben habe, „belastet uns heute sehr stark und es wird unseren Haushalt auch in Zukunft sehr stark belasten“. Das Ziel bis zum Jahr 2020 einen städtischen Haushalt, ohne Schulden aufzustellen sei hinfällig. Er hoffe, dass das Regierungspräsidium diese außergewöhnlichen Belastungen bei künftigen Haushaltsprüfungen berücksichtige.
- Harald Würtenberger, FW: „Wir stehen vor einem Scherbenhaufen des Albers-Bollacher-Lorenz-Vertrages. Der eine hat abgedankt, der andere wurde abgewählt, der nächste ist abgehauen – und wir müssen die Suppe auslöffeln.“ Er kritisierte das „unwürdige Verhalten einiger Kreisräte aus dem Westen“. Für die Stadt sei es wichtig, „dass wir aus der Sache rauskommen“.
- Paul Albiez-Kaiser, Grüne: „Die Bedingungen der Ausstiegsvereinbarung sind für mich nicht akzeptabel. Deshalb werde ich zu diesem Preis nicht zustimmen.“ Er rechnete vor, dass zu den bereits gewährten Darlehen und Patronatserklärungen weitere 15 Millionen Euro durch die Stadt finanziert werden müssten. Und dies ginge nur mit neuen Krediten. Dadurch erhöhten sich die städtischen Schulen auf 40 Millionen Euro. Sobald die Zinsen stiegen, seien Steuererhöhungen nicht mehr ausgeschlossen.
- Harald Ebi, FDP: „Wir werden der mit dem Landkreis Waldshut gefundenen Ausstiegsvereinbarung zustimmen.“ Der Landkreis, so Ebi, habe den Vorteil nicht aussteigen zu müssen. Er sei froh, „dass wir aussteigen können“. Der Blick müsse nun nach vorne gerichtet werden. Gut sei, dass das Grundstück, auf dem Waldshuter Spital stehe, beim Spitalfonds bleibe.