Badezimmerschrank, Sofa, Waschmaschine, Fernseher, gelbe Säcke, Zigarettenpackungen, leere Flaschen, Spoiler, Radkappen und andere Autoteile – das alles gehört eigentlich auf den Recyclinghof. Doch Andreas Otte aus Tiengen hat diese Dinge und noch viel mehr in den vergangenen zwei Jahren in Tiengen gefunden. Weit über eine Tonne Müll hat der 68-Jährige in dieser Zeit von der Straße, aus Büschen und Wäldern heraus gesammelt.

Andreas Otte sammelt am kommenden Samstag wieder mit der Kolpingfamilie Tiengen Müll. Das Foto entstand bei einer früheren Aktion im April.
Andreas Otte sammelt am kommenden Samstag wieder mit der Kolpingfamilie Tiengen Müll. Das Foto entstand bei einer früheren Aktion im April. | Bild: privat

„Mancher Müll ist auf den ersten Blick zu erkennen, anderer dagegen erst, wenn man gezielt danach sucht“, sagt Andreas Otte, der zum privaten Müllsammler geworden ist, weil ihn die Vermüllung der Natur, seiner Natur, erst beelendet hat und dann geärgert hat.

Weil Andreas Otte aber mit dem Sammeln nicht alleine hinterherkommt, hat er nun die Kolpingfamilie Tiengen gebeten und ermuntert, ihn dabei zu unterstützen. So gibt es jetzt die Kolping-Cleaners von der Kolpingfamilie Tiengen, die am vergangenem Samstag, 17. April, zum ersten Mal in und um Tiengen aktiv geworden ist.

Gemäß dem Motto „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ ist jeder einzelne beziehungsweise familienweise für sich losgelaufen, um einzelne Gebiete und Straßen von Müll zu befreien. Sammelpunkt war der Parkplatz am Bahnübergang am Bahnhof Tiengen. Die rund 30 Freiwilligen haben insgesamt 170 Kilogramm Müll in Säcken und Eimern zusammen bekommen.

Andreas Otte hat entlang der Straße zwischen Aichen und Gutenberg eine Waschmaschine gefunden.
Andreas Otte hat entlang der Straße zwischen Aichen und Gutenberg eine Waschmaschine gefunden. | Bild: privat

Der Müll wurde am Montag vom städtischen Baubetriebshof abgeholt, informiert Otte. „Vor der Aktion, an der Ältere, aber auch Jugendliche und vor allem junge Familien mit ihren Kindern, Omas und Opas mit Enkeln und altgedienten Kolpingler teilgenommen haben, um den Unrat auf Plätzen, an Wegen, an Böschungen und im Gelände zu Leibe zu rücken, haben wir natürlich einen Plan ausgearbeitet, damit jeder Teilnehmer für sich eine bestimmte Strecke ablaufen kann. Lediglich auf dem Sammelplatz ist man den anderen Teilnehmern begegnet, weshalb dort Maskenpflicht bestand, ebenso wie die Abstandsregeln“, informiert Otte.

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Die Aktion ist bei allen gut angekommen. Auch in den sozialen Netzwerken wurde der Einsatz der Müllsammler gelobt. „Einziger Wermutstropfen ist, dass noch sehr viel mehr Müll herumliegt, die Natur verschandelt und zerstört. Deswegen soll die Aktion auch nur ein Startpunkt für regelmäßige gemeinsame Aktionen sein, denn die Teilnehmer haben jetzt eine Überzeugung, ein Gemeinschaftsgefühl auch in Corona-Zeiten, sie haben eigene Greifer, Eimer, Tüten und Freude über das Ergebnis“, resümiert Otte. Alle ein bis zwei Monate wolle man sich in Zukunft treffen.

Nicht nur leere Flaschen, auch Auto-Felgen und Müllsäcke findet Andreas Otte bei seinen Müllsammel-Aktionen.
Nicht nur leere Flaschen, auch Auto-Felgen und Müllsäcke findet Andreas Otte bei seinen Müllsammel-Aktionen. | Bild: privat

„Angefangen habe ich mit dem Aufsammeln vor zwei Jahren an der Berghausstraße in Tiengen, weil das meine Haus-Radstrecke ist. Inzwischen habe ich viele Dutzend Bilder von Müll, den ich hier in meinem Umkreis von circa zehn Kilometern gesammelt habe. Wer diese Bilder sieht, den erfasst nur ungläubiges Entsetzen, wie viel und was man alles finden kann, wenn man nur genauer hinschaut“, sagt Andreas Otte, der vor seinem Ruhestand Apotheker war und sich heute um die Verwaltung des Ärztehauses in Tiengen kümmert.

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„Vor einem halben Jahr wurde ich dann durch einen SÜDKURIER-Artikel aufmerksam auf die Klettgau-Cleaners, die von Rado Rábl initiiert wurden, aber auch andere Ortschafts-Sammeltrupps zeigen, was möglich ist.“ Aufgrund der Corona-Pandemie fällt zudem die jährliche städtisch organisierte Müllsammlung (Stadtputzete) aus, was Otte in keiner Weise nachvollziehen kann. „Es kommen ja nicht Hunderte dazu und jeder kann ja, wie bei unserer Aktion, für sich allein laufen.“

Bei der Müllsammel-Aktion am vergangenen Samstag haben Freiwillige rund 170 Kilogramm Müll gesammelt.
Bei der Müllsammel-Aktion am vergangenen Samstag haben Freiwillige rund 170 Kilogramm Müll gesammelt. | Bild: privat

Otte ist ausschließlich mit seinem Fahrrad zum Müllsammeln unterwegs. Alles, was in seine Fahrradtaschen passt, fährt er zu städtischen Mülleimern. Große Teile oder eine große Menge an Müll stellt er an den Straßenrand und informiert den Baubetriebshof.

Eine Erfahrung, an die Otte sich schmunzelnd erinnert, ist, als einmal ein Autofahrer angehalten und ihm seine PET-Wasserflasche aus Fenster entgegenstreckt hat, um ihm das Pfandgeld zu schenken. „Gibt Pfand“, sagte er damals zu mir. Daraufhin Otte: „Nein, ich sammle nur Müll entlang der Straße.“

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Andreas Otte gehe es auch darum, bei der Jugend ein Bewusstsein zu schaffen, „dass wir ein Augenmerk auf unsere Umwelt haben müssen, denn gerade die Jugend muss noch lange damit leben“. Andreas Otte macht auch darauf aufmerksam, dass auch die Tiere unter der Vermüllung leiden.

„Tiere verletzen sich an Glasscherben, verletzen sich das Maul, wenn sie zum Beispiel an die süße Cola in der Dose kommen wollen oder sie fressen Plastik mit, wenn dieses mit Essen/Fressen verbunden ist.“ Weiter sagt er: „Irgendwann erreichen alle Dinge auch uns Menschen wieder, auch wenn es erst die Enkelgeneration ist.“

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