Der Handel am Hochrhein rettet Lebensmittel – und das auf vielen Wegen. Von den 18 Millionen Tonnen Lebensmittelabfällen jährlich in Deutschland gehen rund 2,6 Tonnen auf den Handel zurück – so eine Studie des WWF Deutschland. Neben den tatsächlichen Verlusten, etwa durch Verderb, wäre vieles aber noch genießbar. Der Handel am Hochrhein hat längst reagiert: Von den Tafeln bis hin zur App landen aussortiere Lebensmittel über die verschiedensten Wege doch noch in den Kochtöpfen.
„Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft mit viel zu geringer Wertschätzung für Lebensmittel“, erklärt Geschäftsführer Dieter Hieber. Seit Langem unterstützten seine Märkte bereits die Tafel. Darüber hinaus gebe es aber auch Lebensmittel, welche die Tafel nicht verwenden könnten: Etwa die Paprika mit Druckstelle oder der Joghurt, der bereits einen Tag das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hat. „Man sollte einfach Augen, Nase und Mund trauen und probieren. Wegwerfen geht immer noch“, so Hieber. Um auch diese Lebensmittel vor der Mülltonne zu bewahrten, gibt es ein Regal und einen kleinen Kühlschrank im Eingangsbereich der Märkte. „Wir füllen regelmäßig auf, aber eigentlich sind die Schränke immer leer“ freut sich Hieber.
Hiebers Märkte sind ein Beispiel von mehreren Initiativen zur Lebensmittelrettung von Händlern in der Region. Denn: „Man sieht, dass sich etwas tut. Von der Industrie über den Handel bis zum Kunden gibt es einen Wandel“, sagt Dieter Hieber.
Foodsharing und Bio-Tüten
Bei Alnatura in Bad Säckingen werde eigentlich nichts mehr weggeworfen, erklärt die stellvertretende Marktleiterin Jana Klementschek – selbst der Grünabfall nach dem Putzen von Obst und Gemüse werde von einem Landwirt abgeholt. „Wir arbeiten außerdem mit dem Foodsharing im Schlosspark und der App ‚To good to go‘“, erklärt Marktleiter Daniel Schäfer.

Über das Foodsharing werden Brot und frische Molkereiprodukte abgegeben, über die App bekommen die etwas braune Banane und die Radieschen mit welkem Grün eine zweite Chance: „Wir packen täglich zwei bis vier Tüten im Wert von zwölf bis 14 Euro. Über die App kann die Tüte dann für 3,90 Euro bestellt und abgeholt werden“, erklärt Klementschek. Das Angebot werde sehr gut nachgefragt, besonders von Familien: „Ich freue mich darüber, wenn sich die alleinerziehende Mutter auch Biogemüse leisten kann. Und die Kinder sind immer schon ganz gespannt, was es diesmal gibt“, freut sich Klementschek.
Hier gibt es gerettete Lebensmittel
Lebensmitteltüten für kleines Geld
Tütenweise gerettete Lebensmittel gibt es seit Kurzem auch in den Schmidt‘s Märkten, aber ohne den Zwischenschritt mit einer App: „Die Tüten waren eine Idee eines neuen Mitarbeiters, der bei uns in der Leitung tätig ist. Es wird seit wenigen Wochen testweise umgesetzt und kommt im Moment sehr gut bei unseren Kunden an“, so Geschäftsführer Michael Schmidt. Schon seit Jahren sind seine Märkte auch starke Unterstützer der Tafeln. Schmidt hat selbst im vergangenen Frühjahr vor Ort mitgearbeitet und ist voller Lob für die engagierten Ehrenamtler.
Zukünftig möchte er für die nicht durch die Tafel nutzbaren Lebensmittel einen weiteren Verwendungsweg nehmen: „Mir ist es wichtig, das die Lebensmittel zu den Menschen kommen, die sie am dringendsten brauchen. Ich gehen davon aus, dass aktuell die Not eher größer wird, darum möchte ich Obdachlose unterstützen.“ In Planung sein bereits die Zusammenarbeit mit einem Obdachlosenheim: Mit den geretteten Lebensmitteln sollen hier Mahlzeiten zubereitet werden.
In der Schweiz ist die App-Lösung populär
In der Schweiz ist Lebensmittelrettung ebenfalls ein großes Thema. Die App „To good to go“ ist hier laut Betreiber stärker verbreitet als in Deutschland. „Die Migros setzt sich bereits jetzt und seit Langem mit verschiedensten Maßnahmen dafür ein, Lebensmittelverluste so tief wie möglich zu halten. ‘To good to go‘ bietet in diesem Bereich eine sehr sinnvolle und innovative Ergänzung: So kann die Migros auch Lebensmittel vergünstigt weitergeben, für die trotz bestehender Maßnahmen keine anderweitige Verwendung mehr möglich ist“, erklärt Patrick Stüpper von der Migros-Medienstelle.
Nach einem Jahr Zusammenarbeit konnten bereits 250.000 Überraschungspäckchen abgegeben werden – sowohl mit Obst und Gemüse und Frischeprodukten als auch mit Salaten, Sandwichs und Gerichten aus der Migros-Gastronomie. Das Angebot werde beständig ausgebaut, so Stüpper: So könne man in Luzern über die App nun auch Blumen retten.