Sie können 14 Meter lang und drei Meter breit sein. Sie können drei Meter lang und zwei Meter breit sein. Sie können auch alles dazwischen sein. Für das Aldinger Unternehmen Müller Schäfer- und Zirkuswagenbau ist die Größe der Fabrikhalle das Limit bei der Fertigung ihrer Anhänger – und natürlich auch die deutschen Straßen, die keine Breiten über drei Meter zulassen.
Die Zielgruppe
Doch mit diesen Maßen kommt das Unternehmen bestens zurecht. Der Trend geht dabei zu den großen Anhängern, denn über die Jahre sind die Kunden andere geworden. Schäfer und Zirkusleute gehören eher nicht dazu, wie Inhaber Milan Podnar schmunzelnd sagt. Für Schäfer sind die Wagen oft zu sperrig – „sie übernachten lieber im Auto“, sagt der frühere Inhaber des Unternehmens, Markus Regele. Und die meisten Zirkusse haben nicht mehr die finanziellen Mittel, um sich die aufwendig gefertigten Wagen leisten zu können.
Doch es gibt andere Abnehmer. So zeigte sich rasch nach Gründung des Unternehmens, dass es für die Ausstattung von Waldkindergärten einen gewaltigen Bedarf gibt. „Zeitweise machte dieser Bereich um die 70 Prozent unserer Aufträge aus“, sagt Podnar.
Jeder Wagen ist eine Sonderanfertigung. Kindergartenträger wie Städte, Gemeinden und Vereine nennen ihre Anforderungen und Wünsche, auf deren Grundlage dann der Ausbau erfolgt. In der Regel dauert es ungefähr ein Jahr von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Auslieferung.
Das Unternehmen profitiert dabei von einer enormen Zunahme an Waldkindergärten – eine Erfolgsgeschichte, die mit der Einrichtung eines ersten Waldkindergartens im Jahr 1993 ihren Anfang nahm. Nach Informationen des Bundesverbandes Natur- und Waldkindergärten gibt es in Deutschland mittlerweile 3000 Einrichtungen dieser Art. Zumeist halten diese einen Wagen oder eine Hütte für bestimmte Projekte und bei extremen Wetterlagen vor.
Die Nutzer
„Wir bewahren darin auch Materialien auf“, sagt Anima Wahl, Erzieherin in einem Waldkindergarten. Die Hütten und Wagen seien wichtige Rückzugsmöglichkeiten. Oft gebe es Öfen in diesen Wagen, damit sich die Kinder nach den Abenteuern im Freien dort aufwärmen können. „Nur bei Gewitter und Sturm sind die Wagen tabu, denn dann besteht die Gefahr, dass ein Baum darauf fällt“, sagt Anima Wahl.

Seine Expertise ist die Oberklasse
Die eigentliche Fertigung mit allen Gewerken nimmt dann bis zu einem halben Jahr in Anspruch. Die Wagenbauer machen dabei die Erfahrung, dass die Ansprüche der Auftraggeber größer geworden sind. Doch was bisweilen die Sache schwieriger macht, ist auch ein Vorteil der Schreiner aus Aldingen: Weil es viel Erfahrung und Expertise zur Befriedigung der Kundenwünsche braucht, hält sich die Konkurrenz in Grenzen, wie Podnar betont.
Zwischen 100.000 und 150.000 Euro werden für die voluminöse Oberklasse im Wagenbau fällig.
Sonderwunsch: eingebaute Modelleisenbahn
Dieser Tage sind die Aufträge für Waldkindergärten etwas zurückgegangen, berichtet der Inhaber. Er vermutet, dass die finanziellen Probleme vieler Kommunen für diese Entwicklung verantwortlich sind.
Wenn die öffentlichen Kassen leer sind, dann gibt es aber offenbar immer noch Privatleute, die sich für Wagen begeistern können. Vor kurzem sei ein Wagen an einen Vater mit Sohn ausgeliefert worden, die als Dauercamper auf die Technik aus Aixheim bauen.
Wie flexibel die Wagenbauer sind, zeigte sich an einem Sonderwunsch des Vaters: Der wollte seine Modelleisenbahn in den Wagen integrieren, was auch gelang. So wurde die Wände durchbrochen, um den Zug von einem Zimmer ins andere fahren zu lassen.
Wer einen solchen Wagen als kleine Wohnung, als Tiny House, nutzen will, der lässt sich gute Dämmung einbauen: Die Wagenbauer aus dem Teilort von Aldingen vertrauen dabei auf das Naturprodukt Hanf.
So vielfältig ist die Kundschaft
Ein anderer Kunde ließ sich einen Wagen für seinen Traktor bauen, mit dem er über einige Jahre an den Außengrenzen Deutschlands entlangfuhr. „Wir haben es schon mit speziellen Menschen zu tun“, sagt Regele.
So helfen die Schreiner aus Aixheim Individualisten, Vagabunden, Freiheitsliebende und Romantiker dabei, ihre Lebensträume zu verwirklichen. Kaum ein Ansinnen ist zu verrückt, als dass er nicht erfüllt werden könnte. Geht nicht gibt‘s nicht: Therapiewagen werden gebaut, die Universität Wien hat sich ein Gefährt für die Vogelaufzucht bestellt, viele Hühnerwagen des Unternehmens seien unterwegs.
Rollende Kirche
Zu den außergewöhnlichen Anfragen zählte ein Auftrag der evangelischen Kirchengemeinde Hinterzarten, zu der auch Breitnau, Feldberg und Titisee gehören. Als das Gemeindezentrum in Feldberg-Falkau verkauft werden musste, entstand die Idee mit der rollenden Holzkirche, um die Gläubigen auch in den letzten Winkeln des Südschwarzwaldes zu erreichen. Dazu hängt Pfarrerin Ulrike Bruinings seit knapp zwei Jahren die Schäferwagenkirche an ihr Auto, um damit die verschiedenen Gottesdienststationen anzusteuern.
Für eine Feier im Freien können Altar und Lesepult sowie 20 Bierbänke aus dem Inneren des Wagens herausgetragen werden. Eine Solaranlage auf dem Dach sorgt für die Energieversorgung. Auch wenn diese Kirche mit ihren Abmessungen nicht gerade Kathedralenformat hat, so weist ein kleiner Glockenturm und ein dunkles Kreuz an der Eingangstür doch auf die klerikale Nutzung hin.
Das Material
Für den Bau der Wagen ziehen die Schreiner aus Aixheim weitere Experten hinzu. So kommen Elektriker, Flaschner, Dachdecker und Silikonierer in das Unternehmen, um mit ihrem Know how die Wagen optimal auszustatten.
Die Anhänger sind dann für eine halbe Ewigkeit gebaut. „Drei Generationen sollen die Wagen halten“, sagt Regele. Ein Vierteljahrhundert betrage die Garantie. Von Anfang an war es Ziel des Unternehmens, auf heimische Produkte zu vertrauen. Das meiste Holz komme aus der Region, betont Podnar. Fichte, Douglasie, Lärche, Eiche und Weißtanne werden verarbeitet. Der Holzweg führt zum Ziel.
Podnar ist der dritte Inhaber des Unternehmens, das 2012 von Jochen Müller gegründet worden war. Als Müller nach schwerer Krankheit überraschend starb, übernahm sein Freund Markus Regele, der ebenfalls an diese Geschäftsidee glaubte. Mit Podnar ist nun wieder ein gelernter Schreiner Chef des Unternehmens, das drei feste Mitarbeiter und drei Minijobber beschäftigt.
Mehr als 200 dieser Wagen haben die Schreinerei 2012 verlassen, sagt Milan Podnar. Er ist nach wie vor davon überzeugt, dass er einen Wachstumsmarkt bedient.