„Schon der Geruch hier“, sagt Marcel Kübler, und atmet tief durch, als er das MPS-Studio betritt. Die Räume, die Geschichte atmen. Räume, die Oscar Peterson und Duke Ellington gesehen haben. Räume, die Musikerherzen höher schlagen lassen.

Neue CD erschienen

Marcel Kübler und seine Bandkollegen Tim Buschmann, Nico Fietz, Tim Dieterle, Michael Castano und Samuel Will halten sich aber nicht allzu lange auf mit einem nostalgischen Rückblick auf selige Zeiten, denn sie wollen dem musealen Charakter dieser heiligen Hallen des Jazz eine neue Facette hinzufügen – und buchen das Studio kurzerhand für die Produktion ihres dritten Albums mit dem Titel „Elephant“.

So rocken sie an gegen die Museumsstille. Die Aufnahmen begannen bereits 2023, wurden dann nachbearbeitet, im Weigheimer Cosmic-Sound-Studio veredelt, um sie nun der Öffentlichkeit präsentieren zu können.

Behutsame Modernisierung

Ihr Vorstoß ist ganz im Sinne von Töni Schifer, Vorsitzender des Vereins MPS-Studio. Er und sein seit drei Jahren bestehender Verein sind derzeit dabei, das Studio mit seiner 60er-Jahre-Ausstattung behutsam zu sanieren und zu modernisieren, um einerseits den Geist ruhmreicher Zeiten zu bewahren, gleichzeitig aber auch Möglichkeiten für eine künftige Nutzung zu eröffnen.

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2024 wurde eine neue Decke ins Studio eingezogen, die sich gut in das bestehende Interieur einpasst. „Wir stehen in engem Kontakt mit dem Denkmalamt“, sagt Schifer. Die Arbeiten werden abgesprochen, und im Verein gibt es ohnehin Sensibilität und Know-how, das Alte zu bewahren, ohne den Blick auf die Funktionalität des Neuen zu verlieren. So ist man immer wieder auch auf der Suche nach historischen Baustoffen, um den Charakter der Räumlichkeiten zu bewahren.

„Wir stauben nicht nur ab, sondern wollen, dass die Geschichte weitergeht“, sagt Schifer. Zwei-Spur-Tonbandgeräte wurden funktionstüchtig gemacht, demnächst soll eine 24-Spur-Tonbandmaschine wieder zum Laufen gebracht werden.

Wer das Studio vom Gang aus betritt und dann die Türe schließt, mein akustisch in einer anderen Welt einzutauchen. Wandverkleidung, Decke und Fußboden verändern die Stimmen so, dass man sich kaum selbst erkennt. „Trocken, nicht tot“, so umschreibt Schifer die klangliche Umgebung.

Inspirierendes Ambiente

Marcel Kübler schwärmt von den Aufnahmen. Die Band habe sich von dem Ambiente hier inspirieren lassen, sagt er. „Wir waren wie ein Körper, ein magischer Abend“, erinnert sich der Sänger und Gitarrist der Band an eine Zeit während der rund zweiwöchigen Aufnahmen, in der sich alles fügte.

Er und seine Band haben eine Häutung hinter sich: keine Cover mehr, nur noch eigene Songs. „Wir wollen uns nur noch auf unsere Musik konzentrieren“, sagt er. „Es war Zeit, erwachsen zu werden“, ergänzt sein Bandkollege Tim Buschmann. Sie wissen, dass sie deshalb von manchen Veranstaltern nicht mehr gebucht werden. Ohne bekanntes Fremdmaterial, so deren Befürchtung, kommt das Publikum nicht in Schwung.

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Doch die seit dem Jahr 2009 bestehende Band präsentiert sich selbstbewusst und vertraut auf das eigene Material – eine Haltung, die beim Hineinhören ins neue Album sehr wohl nachvollziehbar ist. Die neue künstlerische Freiheit können sie sich auch deshalb nehmen, weil sie alle einen Beruf haben und nicht unbedingt auf die Einnahmen als Bandmitglieder angewiesen sind, wie Kübler erklärt.

Dritte CD der Band

Die zwölf neuen Stücke haben sie auch auf einer CD verewigt. Mit Stolz blicken die Musiker auf das schwarze Klappcover mit dem gestreiften Elefanten. In der Band hatte man noch diskutiert, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, mit einer CD auf dem Markt zu gehen, doch etwas in Händen zu halten oder am Rande von Konzerten verkaufen zu können, waren Anreize, weiter auf diesen mittlerweile gut vier Jahrzehnte alten Tonträger zu vertrauen.

„Was ist mit Vinyl?“, schaltet sich Schifer ein. „Zu teuer“, sagt Kübler. Es habe durchaus seinen Reiz, die Lieder auch auf die große schwarze Platte mit dem kleinen Comeback zu bannen, doch die Produktionskosten seien deutlich höher, was die Band vor einem solchen Schritt habe zurückschrecken lassen.

Auch wenn Lieber Anders moderne Technik für die Aufnahmen nutzte, färbte das Studio aus den 60er-Jahren auf die Produktion ab: Wie Kübler berichtet, wurden die Songs zum großen Teil live eingespielt. Das erforderte Geduld und bisweilen einige Anläufe, bis alles passte.

Hauptsächlich digital produziert

Produziert wurde ohne Klicks, also ohne Metronom, das dabei hilft, unterschiedliche Aufnahmen miteinander zu synchronisieren. Diese Entscheidung führt zu kleinen Temposchwankungen in den Songs, die den Sound weniger steril und organischer werden lassen.

Analoge Technik im MPS-Studio.
Analoge Technik im MPS-Studio. | Bild: Markus Schmitz

Dabei nahm die Band ihre neuen Lieder auch im MPS-Studio zum großen Teil digital auf. „Analoge Aufnahmen sind sehr teuer“, erklärt Schifer. Die alten Bänder erlauben kein langes Wiederholen einzelner Passagen, da die Produktion ansonsten das Budget überschreiten würde. Mit digitaler Technik hingegen wurde gespielt bis zum idealen Take.

Gäste von auswärts

Die Musiker von Lieber Anders sind nicht die einzigen, die neues Leben ins alte Studio bringen. Der Verein mit seinen etwa 150 Mitgliedern richtet dort seit dem Ende der Corona-Zeit immer wieder auch Konzerte aus. „Mit dankbarem Publikum“, wie Schifer betont, denn der Name MPS ziehe in Fachkreisen immer noch. So komme ein Ehepaar aus Graubünden regelmäßig nach Villingen, um die Konzerte in historischer Umgebung mitzuerleben.

Um im legendären Studio zu spielen, verzichteten manche Künstlerinnen und Künstler auf ihr übliches Honorar, wie Schifer berichtet. Ein Live-Mitschnitt ihres Auftritts dürfte ihnen dieses Entgegenkommen versüßen.

Nach eineinhalb Stunden verlassen die Musiker das MPS-Studio. „Schon der Geruch hier“, sagt Kübler noch einmal im Treppenhaus. „Komm jetzt, draußen riecht es noch besser“, sagt sein Bandkollege, der soeben hinaustritt in den lauen Frühlingsabend.