Herr König, einen Zirkusverein zu gründen ist nicht gerade alltäglich – wie kam es dazu?
Während meiner Referendarzeit an einer Schule nahe dem Bodensee haben wir Einräder als Pausenbeschäftigung für die Kinder gekauft. Das kam gut an und ist dann Stück um Stück erweitert worden mit Materialien wie beispielsweise Bällen und Keulen zum Jonglieren oder Diabolos. Irgendwann wurde daraus eine Zirkus-Arbeitsgemeinschaft. Und als ich dann Ende 2008 ans Klettgau-Gymnasium nach Tiengen kam, wollte ich auch hier was in der Richtung machen. Auf einen Aufruf hin meldeten sich genug Schüler, um eine Arbeitsgemeinschaft zu gründen. Der damalige Schulleiter Bernd Crößmann bewilligte uns ein Startkapital von 600 Euro für die Anschaffung von Materialien. Los ging es mit dem Kauf von Jongliermaterialien wie Diabolos und Keulen und von Einrädern. Unser erster offizieller Auftritt war beim Schwyzertag 2009. Wir bekamen danach Anfragen, ob wir auch anderswo auftreten. So hat sich das immer mehr gesteigert. Heute haben wir 15 bis 20 Auftritte im Jahr.
Warum blieb es nicht bei der Arbeitsgemeinschaft, warum gründeten Sie einen Verein?
Der Schwierigkeitsgrad, der Trainingsaufwand und die Ausgaben für die Materialien haben zunehmend den Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft gesprengt. Zusammen mit dem Schulleiter Manfred Römersperger haben wir deshalb 2018 beschlossen, ein Verein zu werden. Wir sind jetzt für uns selbst verantwortlich, haben aber auch viele Vorteile. Zum Beispiel können wir jetzt auch Jungen und Mädchen anderer Schulen aufnehmen und sie können auch nach der Schule bleiben. Wir haben welche, die dabei geblieben sind, obwohl sie jetzt studieren oder eine Ausbildung machen.

Wie groß ist das Zirkusteam denn aktuell?
Der Verein hat rund 30 Mitglieder einschließlich des Vorstands. Aktive sind wir rund 15 bis 20, der allergrößte Teil sind Mädchen. Ab zehn, elf Jahren, also so ab der fünften Klasse bis ins junge Erwachsenenalter hinein kann jeder bei uns mitmachen. Wir sind immer offen für neue Mitglieder, besonders über ein paar Jungs mehr würden wir uns freuen. Der Mitgliedsbeitrag ist nur symbolisch und beträgt einen Euro im Jahr.
Braucht man Vorkenntnisse?
Nein, man muss nur die Freude am Zirkus und den Sachen, die man in einem Zirkus macht, mitbringen. Jeder kann das lernen und trainieren, wozu er Lust hat. Ein Mädchen zum Beispiel wollte zaubern und wir haben das dann in eine unserer Shows mit aufgenommen. Es ist aber schon so, dass jeder gewisse Begabungen mitbringt und verschieden schnell gelernt wird. Manche können zum Beispiel besser mit den Händen arbeiten, andere besser mit den Füßen. Wichtig ist neben der Begeisterung für den Zirkus ein gutes Sozialverhalten. Man muss sich in eine Gruppe integrieren, zusammen arbeiten und sich aufeinander verlassen können. Ego-Shooter werden bei uns nicht glücklich.
Vor Kurzem beim Kindertag in Tiengen habe ich ein Mädchen hoch oben mit dem Kopf nach unten am Vertikaltuch „hängen“ gesehen. Das ist nicht ganz ungefährlich, oder?
Was wir machen, ist ein Sport wie jeder andere, kleinere Verletzungen gibt es daher auch bei uns immer mal wieder. In all den Jahren waren es bisher aber nur sehr wenige Verletzungen. Bestimmte Tricks, zum Beispiel am Vertikaltuch oder mit Feuer, sind nicht ungefährlich, aber es macht immer erst dann jemand gefährliche Sachen, wenn er oder sie sich absolut sicher fühlt und alle Handgriffe beherrscht.

Beim Vertikaltuch zum Beispiel muss absolut korrekt gewickelt werden. Es macht einen Unterschied, ob das Tuch links oder rechts ums Bein gewickelt wird. Aber unsere Mädchen sind da mittlerweile solche Expertinnen, dass sie selber genau sehen, wenn was nicht richtig ist. Die Meisten wollen immer neue, schwierigere Sachen machen und wenn dann noch eine gewisse Gefährlichkeit dazu kommt, erhöht das den Reiz.
Wie viel Training steckt hinter den Shows?
Wir trainieren ein Mal in der Woche am Samstag von 10 bis 14 Uhr beim Klettgau-Gymnasium. Einzelne Mitglieder besuchen auch ab und zu professionelle Workshops, zum Beispiel in Stuttgart, wo gezielt Trainer bestimmte Disziplinen unterrichten. Neben dem Training am Samstag lernen die Mädchen und Jungen auch durch Anleitungen im Internet und durch Training zuhause.
Gibt es etwas, was der Zirkus Zebrasco bislang noch gar nicht gezeigt hat?
Ja, Rola Bola zum Beispiel. Das ist Balanceakrobatik auf einem Brett über einer Rolle. Vielleicht schaffen wir uns das noch an.
Würden Sie sagen, die Mädchen und Jungen profitieren auf jeden Fall, wenn sie „Zirkus machen“?
Ja. Es ist nicht nur eine körperliche Ertüchtigung, sondern bei der Jonglage zum Beispiel wird auch das Gehirn trainiert, das ist nachgewiesen. Da vieles nur gemeinsam geht, werden die sozialen Fähigkeiten gefördert und vor Leuten aufzutreten, ist gut für das Selbstvertrauen. Und die Kinder und Jugendlichen lernen, auch mit Enttäuschungen umzugehen. Manchmal läuft es nicht so gut wie gewünscht oder geplant.

Worüber wir noch gar nicht gesprochen haben ist das Geld – Sie haben anfangs schon angedeutet, dass Materialien viel Geld kosten. Wie finanziert sich der Zirkus Zebrasco?
Unser Ziel ist es natürlich nicht, mit dem Zirkus Geld zu verdienen, aber die Materialien kosten wirklich viel Geld. Wir haben seit Beginn sicher schon Tausende Euro investiert. Wir finanzieren uns über die Auftritte. Bei vielen Auftritten, wie beispielsweise bei den Kindertagen in Tiengen, machen wir Hutsammlungen. Da variieren die Einnahmen sehr, manchmal können da schon mal bis zu 300 Euro zusammen kommen. Und dann gibt es noch Auftritte, für die wir von Privat, zum Beispiel für Kindergeburtstage oder von Firmen und Organisationen für Veranstaltungen wie Jubiläums- oder Weihnachtsfeiern, gebucht werden. Da verlangen wir eine Gage. Es kommt auch vor, dass wir gar kein Geld nehmen, zum Beispiel bei Benefizveranstaltungen. Grundsätzlich wird alles, was wir einnehmen, sofort wieder investiert. Nicht nur in Materialien, sondern zum Beispiel auch in einheitliche Bekleidung oder in die Technik. Wir treten an ganz unterschiedlichen Orten auf, das heißt wir brauchen eine Musikanlage und einen Laptop.
Was waren bislang ganz besondere Auftritte und wo ist der Zirkus Zebrasco als nächstes zu erleben?
Ein Höhepunkt war sicher unser Auftritt in Blois, der französischen Partnerstadt von Waldshut-Tiengen im Dezember 2016 mit Übernachtung in einer Jugendherberge im Rahmen von WT Pur. Ein weiterer war im Juli 2021 im Technorama in Winterthur: Wir zeigten Akrobatik am Vertikaltuch, das an einer 17 Meter hohen Brücke über dem Wasser hing. Auftritte im Europark Rust und unsere Bodensee-Touren in den Sommerferien sind auch immer etwas ganz Besonderes. Beim Stuttgarter Jugendzirkusfestival waren wir auch schon dabei. Der größte Teil unserer Auftritte ist aber in der Umgebung. Im Juni sind wir beim Dorffest in Reckingen, beim Mittsommerfest in Grießen und beim Waldfest in Lauchringen zu sehen. Im Juli ist der erste von einer ganzen Reihe von Auftritten beim Schwyzertag in Tiengen. Auf unserer Homepage (www.zirkus-zebrasco.de) bekommt man alle Informationen über uns.
Gibt es so etwas wie einen Traum oder Wunsch, den der Zirkus Zebrasco sich noch gerne erfüllen würde?
Es wäre natürlich total cool, mal ein eigenes Zirkuszelt zu besitzen, was aber ehrlich gesagt, völlig unrealistisch ist.