Ingo Donnhauser

Wie verheerend Überschwemmungen sein können, wurde in den vergangenen Wochen vielen Menschen wieder einmal vor Augen geführt. Auch der hiesige Rheinabschnitt hat im Lauf der Geschichte immer wieder für Unruhe gesorgt. Im Stadtarchiv Waldshut-Tiengen, auch für umweltgeschichtliche Fragestellungen mit Materialien ausgestattet, können zumindest für die Zeit ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die schlimmsten Hochwasserfälle anhand der alten Unterlagen rekonstruiert werden.

Auch die Gebäude am Rheinweg waren beim Hochwasser 1910 schwer getroffen.
Auch die Gebäude am Rheinweg waren beim Hochwasser 1910 schwer getroffen. | Bild: Repro: Ingo Donnhauser/Stadtarchiv

Nachdem bereits im August 1851 durch Hochwasser viele Menschen hilfsbedürftig geworden waren, so dass zu Spenden aufgerufen wurde, traf es die Waldshuter nur ein Jahr später noch heftiger. Mitte September 1852 übertraf der Rheinpegel vermutlich selbst den heute bekannten „Rekordstand“ von 1999. Im Alb-Boten veröffentlicht wurde die hiesige Pegelhöhe jedoch erstmals im nächsten Katastrophenjahr 1876 (fast sieben Meter). Auch damals spielten sich dramatische Szenen ab. Nach tagelangem Starkregen trat der Rhein am Mittag des 12. Juni über die Ufer. Anwohner auf beiden Seiten des Stroms verließen fluchtartig ihre Häuser, nur das Allernötigste mitnehmen könnend.

Im Lauf des Tages wurde auf der Waldshuter Seite die gesamte Ebene bis zum Fahrhaus überflutet. In den Fluten sah man massenhaft ausgerissene Bäume, Haustüren und Möbelstücke, sogar eine komplette Mühle vorbeitreiben; letztere war in Rheinheim mitgerissen worden, zerstörte hier das Seil der Rheinfähre und zerschellte schließlich an der Laufenburger Steinbrücke. Der 75-jährige frühere Waldshuter Schiffer Andreas Karolin wurde damals zum Held: unter Lebensgefahr steuerte er sein kleines Boot nach Full, das völlig unter Wasser stand, um die hilflosen Bewohner der eingeschlossenen Häuser mit ihren Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen. Bis zu den Bergrücken war die Fuller Ebene damals vollgelaufen.

Der Rhein riss 1910 sogar zwei Grenzaufseherhütten und Teile der Waldshuter Badeanstalt mit sich fort.
Der Rhein riss 1910 sogar zwei Grenzaufseherhütten und Teile der Waldshuter Badeanstalt mit sich fort. | Bild: Repro: Ingo Donnhauser/Stadtarchiv

Während auf der Schweizer Seite auch Koblenz komplett unter Wasser stand, waren in Waldshut hauptsächlich die Richtung Ufer gelegenen Häuser betroffen. Die Bewohner konnten erst nach Tagen wieder in ihre völlig verwüsteten Wohnungen zurückkehren. Neben den Gebäuden waren auch Straßen schwer beschädigt, vor allem aber die Wiesen und Felder in Äule und Schmittenau (damals noch unbebaut) ruiniert: die Bäume, sofern nicht entwurzelt, standen dort bis zu den Kronen im Wasser, und als jenes endlich zurückging, hinterließ es nichts als schlammige Sand- und Geröllwüsten. Viele Waldshuter verloren damit ihre ganze Ernte, auf Jahre sollte sich der Boden nicht erholen.

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Und nur fünf Jahre später war es schon wieder soweit: Anfang September 1881 richtete der Rhein erneut große Schäden an. Diesmal trat er mitten in der Nacht über die Ufer und setzte die dort gelegenen Gebäude unter Wasser; die öffentliche Feier des Sedanstags musste in Waldshut damals unterbleiben, wie der Alb-Bote mit Bedauern feststellte. Die nächste Katastrophe folgte bereits im Dezember 1882: den schwer gebeutelten Landwirten wurde schon wieder der Boden mit der Saat einfach weggeschwemmt. Nachdem es endlich wieder einige ruhige Jahre gab, blieb auch Waldshut nicht von den europaweiten schweren Überschwemmungen des Jahres 1910 verschont.

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In der Nacht vom 15. auf den 16. Juni, kurz vor Mitternacht, trat der Rhein über; erneut waren Äule und Schmittenau komplett unter schmutzig-gelblichem Wasser versunken, das über die Felder raste und den Humus mitriss. Schon im Vorjahr war durch Hochwasser die Ernte verlorengegangen, nun war die Arbeit der Eigentümer erneut umsonst gewesen. Vor allem wurden dort damals Gemüse, Kartoffeln und Getreide angebaut. Insgesamt war eine Fläche von 28 Hektar komplett überschwemmt. Noch Wochen später standen Wiesen unter Wasser, auch die rund 100 Obstbäume des Telegraphisten Eduard Rettich. Für die Dutzenden Geschädigten wurden Spenden gesammelt.

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Auch die Gebäude am Rheinweg waren erneut schwer getroffen, etwa das Haus des Fährmanns Hermann Brudsche; das Metallseil für die Fähre nach Jüppe wurde erneut von vorbeigetriebenen Holzteilen abgerissen. Der Rhein (Pegel: über 6 Meter) riss sogar zwei Grenzaufseherhütten und Teile der Waldshuter Badeanstalt mit sich. Die Vorkommnisse befeuerten die Diskussionen, eine Straßenbrücke über den Rhein zu bauen, weil der Fährverkehr als unsicher galt. Bis zum Bau sollten jedoch noch zwei Jahrzehnte vergehen. Zurück blieben auch 1910 wieder verwüstete Felder, nasse Wohnungen und allgemeine Ratlosigkeit, wie den Naturgewalten zu trotzen sein könnte.