Die Bilder aus den Hochwassergebieten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind dramatisch – und sie rütteln wach. Dies wurde nicht zuletzt in der jüngsten Gemeinderatssitzung deutlich, wo das Thema diskutiert wurde, obwohl es gar nicht auf der Tagesordnung stand. Denn ähnliche Szenarien wie in der Eifel sind grundsätzlich auch bei uns denkbar. Die Fragen drängen sich auf: Wo droht konkret Gefahr? Wie kann die Stadt vorbeugen? Und wie sind die Bürger auf einen Katastrophenfall vorbereitet?

Kleine Bäche reißen bei Starkregen alles mit

Bürgermeister Michael Thater ist klar: Die größte Gefahr geht nicht von Wehra oder Hasel aus und auch nicht vom Stausee: „Wehra und Hasel haben wir weitestgehend im Griff“, so Bürgermeister Michael Thater. Ein Problem seien aber die kleinen Bäche, die vom Hotzenwald ins Tal fließen: „Wir können die Bäche realistisch nicht halten“, so Thater. Das Katastrophen-Szenario ist nicht abwegig: Durch die Westausrichtung ist die Hotzenwaldkante prädestiniert dafür, dass sich hier Gewitterwolken abregnen und sich nur ganz langsam fortbewegen. Bei einem extremen Starkregenereignis schwellen die Bäche zu Sturzbächen an, treten über die Ufer und nehmen Erdreich, Bäume und andere Gegenstände mit. Besonders gefährlich wird es, wenn sich die Bäche durch das Treibgut erneut aufstauen und die so entstanden Dämme wieder brechen. Dann könnte die Kraft darin unberechenbar werden und verheerende Folgen haben.

Die Gefahr ist in den Wohngebieten fast unsichtbar

Viele Seitenbäche sind in den Wohngebieten kaum präsent, da sie in Rohren, sogenannten Dohlen, verlaufen. Zum Beispiel der Krebsbach, der zunächst durch das Gebiet Lind fließt und dann ab der Nollenstraße unterirdisch verläuft. Oder in Öflingen der Mühlebach. Hier gab es in der Vergangenheit immer wieder Überflutungen, weil der Rechen am Einlauf zur Dohle verstopft war. „Wenn die Dohle es nicht schafft, gibt es Hochwasser, das ist auch durch größere Dohlen nicht zu lösen,“ so Thater. Dies könne vor allem dann zu einem Problem werden, wenn etwa bei einem Gewitter mit Starkregen komme und der Boden bereits gesättigt sei, so Thater: „Dann gibt es nahezu im gesamten Stadtgebiet Schlammlawinen. Das ist so, davor können wir uns auch nicht schützen.“

Planung: Ordnungsamtsleiter Stefan Schmitz (links) und Bürgermeister Michael Thater mit Plänen zum Katastrophenschutz und ...
Planung: Ordnungsamtsleiter Stefan Schmitz (links) und Bürgermeister Michael Thater mit Plänen zum Katastrophenschutz und Hochwassergefahrenkarten für das Wehratal. Im herbst soll mit mehr Öffentlichkeitsarbeit die Zusammenarbeit der Gemeinden und die Information der Bevölkerung vorangebracht werden. BILD: J. BECKER | Bild: Julia Becker

Acht Seitenbäche mit zehn Quadratkilometer Einzugsbereich

Rückhaltungen für die Bäche zu installieren sei nicht möglich: „Es sind acht bis neun Bäche, das ist zu viel. Und es wäre ein zu massiver Eingriff in die Natur – und es ist nicht genug bei extremen Mengen Niederschlagswasser“, so Thater. Fast das gesamte Stadtgebiet östlich der Wehra ist letztlich betroffen, der Einzugsbereich der Bäche beträgt über zehn Quadratkilometer. Im Norden fließt der Fischbach ins Gebiet Klostermatt, der Krebsbach ins Gebiet Breitmatt und nach Niederwehr der Klingengraben. Weiter im Süden sind es der Finsterbach und der Ziegbach, in Öflingen der Mühlebach, der Dorfbach, der Mättlengraben und der Rötelbach, der bis nach Brennet fließt.

Die Überflutungsgefahr am Beispiel des Krebsbachs, der große Teile des Wohngebiets Breitmatt überspülen könnte.
Die Überflutungsgefahr am Beispiel des Krebsbachs, der große Teile des Wohngebiets Breitmatt überspülen könnte. | Bild: Steller, Jessica

Sensoren, die die Bäche überwachen, seien zwar denkbar, diese müssten aber auch funktionieren. Ordnungsamtleiter Stefan Schmitz, der für den Katastrophenschutz zuständig ist, berichtet von einer Unsitte einiger Anwohner, die immer wieder Grünschnitt in den Bächen entsorgen. „Die kleinen Bäche sind dann schnell hoch gestaut.“ Mit Sensoren würde sich dann in falscher Sicherheit gewiegt. Und so verweist man im Rathaus auch auf die Eigenverantwortung der Bürger: Um sich vor Überschwemmungen zu schützen, könnte man „bauliche Lösungen am eigenen Haus finden“, so Thater. Es gebe es beim Umweltministerium des Landes Informationsmaterial für Vorsorge im Hochwasserfall, ergänzt Schmitz. Bis zu einem gewissen Punkt könne man auch auf die städtische Kanalisation setzten: Diese sei für den Ort wegen der damaligen Industrieabwässer überdimensioniert und könne somit auch mehr Regenwasser aufnehmen, erklärt Schmitz.

Prognosen sehr schweirig

Als 2014 die Karten zum Hochwasserschutz erschienen und diese das Baurecht erheblich einschränkten, gab es aus dem Rathaus Kritik: zu ungenau seien die Angaben, zu großzügig dimensioniert die möglichen Überschwemmungsgebiete. „Je kleiner das betrachtete Gebiet, desto ungenauer wird die Prognose“, so Thater. So sei die Prognose für die acht Seitenbäche seiner Meinung nach zu ungenau gewesen. Es wurde nachberechnet, ganz zufrieden ist der Bürgermeister aber trotzdem nicht: „Es ist aber spannend, da wir so auf die Risiken der Bäche hinweisen können. Das versöhnt mich etwas.“ Im städtischen Mitteilungsblatt sollen nun die Hochwasserschutzkarten erneut abgedruckt werden und die Bevölkerung für das Problem sensibilisiert werden.

Linktipp: Die Hochwassergefahrenkarten können hier eingesehen werden.

Kommunaler Katastrophenschutz

  1. .Wofür ist die Kommune im Katastrophenfall zuständig? Im Notfall helfen zuerst Feuerwehr und DRK, je nach Größe des Unglücks kommen Helfer aus den Nachbarorten hinzu, erklärt Ortungsamtsleiter Schmitz. Für den Schutz der Zivilbevölkerung ist dann die Stadt zuständig: Für Evakuierungen, Unterbringung und Versorgung der Bevölkerung genauso wie für die Sicherstellung der Wasser- und Stromversorgung.
  2. .Was wird aktuell geplant? Feuerwehr und Bürgerstiftung sind bereits mit Notstromaggregaten ausgerüstet, Wasserwerk und Kläranlage sollen laut Bürgermeister frühestens im nächsten Jahr folgen: „Das ist im Haushalt 2022 eingeplant,“ so Thater Für die Hasel sei außerdem eine Hochwasserrückhaltung in Planung – in Abhängigigkeit von der Trassierung der Wehratalbahn.
  3. .Was soll im Rathaus verbessert werden? Um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein gibt es Order mit Informationen und wer als Ansprechpartner alarmiert werden soll. „Die Telefonnummern der Verwaltungsmitarbeiter stehen im Ordner – ob sie aber wissen was zu tun ist?“, so Thater. Eine Übung für die in den Katastrophenschutz eingebundenen Rathausmitarbeiter habe es noch nicht gegeben. „Die Möglichkeit hätten wir schon. Das gab es noch nicht, aber wir werden es machen“, so Thater. Ebenfalls noch nicht geübt wurde, was passiert, wenn auch die Handynetze ausfallen, so Thater weiter. Für die Notdienste gebe es hier aber Funkgeräte, erklärt Schmitz. (job)