So viel vorneweg: „Extremereignisse hat es immer schon gegeben und es wird sie auch wieder geben“, erklärt Klimaexperte Gian-Kasper Plattner. Der Schweizer Wissenschaftler an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft hat unter anderem am fünften Bericht des Weltklimarats mitgearbeitet. Und er ist vorsichtig, jedes ungewöhnliche Wetterphänomen auf den Klimawandel zu schieben.
Ein kühler Frühling sei nicht ungewöhnlich, so auch die Meteorologin Barbara Ströbel vom privaten Wetterdienst Meteoblue in Basel. Erst durch die vorangegangenen sehr warmen Sommer fühle sich das jetzt ungewöhnlich an.
Dennoch gebe es klimatische Entwicklungen, die extreme Wetterlagen begünstigen, wie die beiden Experten darstellen. Dau zählen weltweit und auch am Hochrhein die steigenden Durchschnittstemperaturen.
Warum sorgen steigende Durchschnittstemperaturen für mehr Unwetter?
„Es gibt einen eindeutigen Zusammenhang von Hagelunwetter und Starkregen mit der Erderwärmung“, so Helmut Kohler. Der Schwörstädter Hobby-Meteorologe beobachtet bereits seit 1997 das Wetter am Hochrhein und betreut sechs Wetterstationen in der Region. Zusätzlich kann er Daten aus Rheinfelden und Bad Säckingen für Wetterdaten seit den 50-er Jahren nutzen.
Seine Erkenntnis: „Seit den 90-er Jahren sind die Durchschnittstemperaturen stark und schnell gestiegen,“ erklärt Kohler. So lag die Durchschnittstemperatur zwischen 1961 und 1990 bei 10 Grad, zwischen 1991 und 2020 aber schon bei 11,2 Grad. „Das ist ein enormer Anstieg“, betont Kohler.
Dieser Temperaturanstieg findet weltweit statt. Der Hauptgrund: Immer mehr Klimagase in der Atmosphäre wie etwa Kohlendioxid sorgen für einen Treibhauseffekt. Die Gase sorgen dafür, dass ein Teil der Sonnenstrahlung nicht mehr von der Erde reflektiert werden kann. Eine höhere Temperatur bedeutet, dass mehr thermische Energie in der Luft ist. Dadurch kann die Luft mehr Wasser aufnehmen. Diese Energie entlädt sich durch Gewitter, die höhere Wassermenge in der Luft sorgt für Starkregen.
Extremwetter ist schwer vorher zu sagen
Das wechselhafte Wetter in diesem Jahr sei nicht ungewöhnlich, sondern eher der Normalzustand, so Kohler. Nicht üblich seien aber die Gewitter und der Hagel. Doch die Vorhersage dieser Wetterereignisse ist schwer.
Denn ob, wann, wo und wie viel es regnet hängt von einer großen Menge an Faktoren ab, so Plattner. So gibt es regionale Wetterphänomene wie den so genannten „Möhlin-Jet“, ein Wind, der im Volksmund auch als „Fricktäler“ bezeichnet wird. „Dieser Wind sorgt für das bissige Wetter in Bad Säckingen“, so Kohler. Umgekehrt profitieren Schwörstadt und Rheinfelden und dürfen sich über mehr Sonne freuen.
Auch die Topografie sei relevant: „In Basel gibt es im Schnitt 300 Milliliter weniger Niederschlag als in Schwörstadt. Meist haben wir Westlage, die Wolken bleiben am Hotzenwald hängen,“ erklärt Kohler.
Der Klimawandel begünstigt in diesem Gesamtkontext zwar extreme Wetterlagen, aber nicht jedes starke Gewitter ist darauf zurückzuführen, fasst es Plattner zusammen. Tatsächlich gibt es mit der Zuordnungsforschung mittlerweile einen eigenen Forschungszweig, in dem Wetterereignisse auf ihren Zusammenhang mit dem Klimawandel untersucht werden, so die Meteorologin Ströbel. Gleichzeitig wird hier auch versucht, die Wahrscheinlichkeit bestimmter Wetterereignisse zu bestimmen.
Worauf muss man sich in Zukunft einstellen?
Es ist klar belegt, dass es eine Verschiebung zu trockeneren Sommern und feuchteren Wintern gibt, erklärt Klimaforscher Plattner. Es gebe aber keinen Trend zu insgesamt mehr Regen. Wenn es aber regnet, sei öfter mit Starkregen zu rechnen. Es werde mehr Hitzetage geben, gleichzeitig nehmen die Schnee- und Eistage ab.
„Im Hotzenwald wurden bereits Skilifte abgebaut, im letzten Jahr konnte in Herrischried nur dreimal mit Flutlicht gefahren werden. Das war vor 30 Jahren unvorstellbar“, so Kohler.
„Es ist plausibel, dass extreme Ereignisse zunehmen und dass man sich vorbereiten muss“, erklärt Plattner. Das betrifft die Auswahl der Bäume für die Waldwirtschaft über die Sortenwahl und Bearbeitungstechniken in der Landwirtschaft bis hin zur geeignetem Hochwasserschutz auch an kleinen Bächen und der Gestaltung der Innenstädte für eine bessere Luftzirkulation.
Zu letzterem Gebiet betreibt Roland Vogt an der Uni Basel Grundlagenforschung: „Städte sind noch Unbekannte im Bereich der Klimamodellierung.“ Der Meteorologe untersucht etwa den Austausch und Fluss von Kohlendioxid in Städten. „Städte kühlen langsamer aus, dafür gibt es mehr Niederschlag. Das hängt auch von der Struktur der Gebäude und den Grünflächen ab“, so Vogt. Eine kluge Bebauung könnte also in kommenden heißen Sommern für Erleichterung sorgen.