Dutzende Bände historischer Zeitungen lagern im Stadtarchiv Waldshut-Tiengen. Doch der Zahn der Zeit nagt an den zum Teil mehr als eineinhalb Jahrhunderte alten Ausgaben. „Das Material wird nicht besser.“ Der natürliche Papierzerfall habe bereits eingesetzt, erklärt Stadtarchivar Ingo Donnhauser gegenüber dieser Zeitung. Um die in den gedruckten Zeitungen enthaltenen Informationen dauerhaft zu erhalten, lässt das Stadtarchiv in einem mehrjährigen Projekt insgesamt über 160.000 einzelne Zeitungsseiten digitalisieren, darunter auch zahlreiche Ausgaben der Heimatzeitungen Alb-Bote und SÜDKURIER.

„Unser Ziel ist vorrangig die Rettung der Informationen“, sagt Ingo Donnhauser über das Digitalisierungsprojekt, das bis zu seinem Abschluss jährliche Kosten von 8000 Euro im städtischen Haushalt verursacht und dem der Gemeinderat der Doppelstadt 2019 zugestimmt hatte. „Ich hoffe, dass nach acht Jahren das Projekt abgeschlossen wird“, sagt der Stadtarchivar. Im vergangenen Jahr hat die Digitalisierung begonnen. „Bislang haben wir 40.000 Seiten einscannen lassen“, berichtet Ingo Donnhauser.

Ingo Donnhauser blickt im Stadtarchiv Waldshut-Tiengen in eine gedruckte Ausgabe des Alb-Bote.
Ingo Donnhauser blickt im Stadtarchiv Waldshut-Tiengen in eine gedruckte Ausgabe des Alb-Bote. | Bild: Juliane Schlichter

Die Digitalisierung übernimmt ein externer Dienstleister, der darauf spezialisiert ist, die zum Teil vergilbten und an den Rändern eingerissenen Zeitungsseiten digital so umzuwandeln, das sie später gut am Computerbildschirm lesbar sind. „Wichtig bei der Wahl des Anbieters war, dass auch die alte Frakturschrift ausgelesen werden kann“, erklärt Ingo Donnhauser im Gespräch mit dieser Zeitung.

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Bereits abgeschlossen ist laut dem Stadtarchivar die Digitalisierung der Alb-Bote-Jahrgänge 1933 bis 1939. Später sollen auch die Alb-Bote-Bände ab 1851 sowie bis 1964 digital eingelesen werden. Hinzu kommen die SÜDKURIER-Jahrgänge 1945 bis 1949 – dem Zeitraum, in dem der Alb-Bote durch die Alliierten verboten wurde. „Erst ab 1850 gab es wie im Alb-Bote journalistische Beiträge. Vorher hatten Zeitungen den Charakter von amtlichen Verkündungsblättern“, weiß der studierte Historiker, der seit 2013 für das Stadtarchiv zuständig ist. „Deswegen setzen wir ab da mit der Digitalisierung an“, fügt er hinzu.

Ab dem Jahrgang 1965 sei vonseiten der Stadt keine Digitalisierung geplant. „Ab da sind die Zeitungsseiten beim Mikrofilmarchiv der deutschsprachigen Presse erhältlich“, erklärt Donnhauser. Ausgaben jüngeren Datums in digitaler Form besitzt auch das SÜDKURIER Medienhaus. Der Verlag, zu dem der Alb-Bote seit 1972 gehört, bietet zudem den Nachdruck historischer Titelseiten an.

Für alle, die erfahren möchten, was an ihrem oder an dem Geburtstag eines Freundes oder Verwandten passiert ist, bietet das SÜDKURIER Medienhaus die Titelseiten aus vergangenen Jahrzehnten als Nachdruck zum Kauf an. Erhältlich sind die SÜDKURIER-Titelseiten von September 1945 bis Dezember 1983 und ab 2002 bis heute. Für Abonnenten ist der Versand kostenfrei. Weitere Infos und Bestellmöglichkeit gibt es im Internet.

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Um die historischen Zeitungsdokumente zu schützen, hätte es laut Ingo Donnhauser eine alternative Möglichkeit zur Digitalisierung gegeben. „Man könnte die Bestandteile des Papiers entsäuern. Dadurch wird der natürliche Zerfallsprozess gestoppt“, erklärt der diplomierte Archivar. Diese Variante sei jedoch deutlich teurer als die Digitalisierung. Die Umwandlung der papiernen Seiten in sogenannte PDF-Dokumente hat Donnhauser zufolge neben der Bestandserhaltung einen weiteren Vorteil: „Es ist bequemer, wenn man am Bildschirm per Mausklick recherchieren kann, als wenn man die schweren Bände aus dem Regal heben und Seite für Seite umblättern muss.“ Die Zeitungsausgaben eines ganzen Jahres sind je nach Umfang in einem bis vier Bände zusammengefasst.

„Eine ganz enorme Erleichterung“ ist für den Archivar die Volltextsuche innerhalb der digitalisierten Zeitungen. An einem Computerarbeitsplatz im Stadtarchiv, der künftig auch nach vorheriger Terminvereinbarung interessierten Nutzern für Recherchen zur Verfügung steht, demonstriert Donnhauser das Vorgehen: In eine Suchmaske gibt er als Beispiel den Begriff „Oberalpfen“ ein. Nach wenigen Augenblicken markiert der PC innerhalb der PDF-Version des Alb-Bote-Jahrgangs 1933 sämtliche Stellen farbig, an denen im Text der Name des 1971 zu Waldshut-Tiengen eingemeindeten Ortsteils erscheint.

Diese gedruckten Bände des Alb-Bote stammen aus dem Jahr 1940. Auch sie sollen digital für die Nachwelt erhalten bleiben.
Diese gedruckten Bände des Alb-Bote stammen aus dem Jahr 1940. Auch sie sollen digital für die Nachwelt erhalten bleiben. | Bild: Juliane Schlichter

Vor allem die Jahrgänge aus der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit werden von den Archivnutzern, für die die historischen Tageszeitungen die Hauptquelle ihrer Recherchen seien, stark genutzt, weiß Ingo Donnhauser. Entsprechend stark dem Zerfall ausgesetzt seien die gedruckten Ausgaben aus jener Zeit. „Man muss sie im wahrsten Sinne des Wortes mit Samthandschuhen anfassen. Es war nicht mehr tragbar, sie zur Verfügung zu stellen“, betont er.

Als Rarität bezeichnet der Stadtarchivar die 1905 gegründete „Neue Waldshuter Zeitung“, die 1928 in „Tagblatt vom Oberrhein“ umbenannt wurde und zuletzt 1933 erschien. „Ich kenne keine Einrichtung außer uns, die die Bände führt“, erklärt Ingo Donnhauser stolz. Um die einzigartigen Ausgaben zu bewahren, seien sie für das Projekt des Waldshut-Tiengener Stadtarchivs als Erstes digitalisiert worden.

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