Die Ärzteversorgung bleibt eine der großen Zukunftsaufgaben für die Gemeinden im ländlichen Raum. Im Landkreis Waldshut ist aktuell fast jeder zweite Hausarzt über 60 Jahre alt. Mehr als ein Drittel der praktischen Ärzte haben laut einer vom Landratsamt in Auftrag gegebenen Studie mitgeteilt, in absehbarer Zeit ihre Praxen abgeben wollen. Dagegen ist die Bereitschaft junger Mediziner, sich „auf dem Land“ niederzulassen, nach wie vor gering.

Auch in Wehr hat die Zahl der Mediziner in den vergangenen zehn Jahren dramatisch abgenommen: In der Summe fehlen gegenüber dem vergangenen Jahrzehnt vier Hausärzte. Zuletzt hat zum Juli der Mediziner Dr. Gerhard Dieter (77) aus Altersgründen seine Kassenzulassung zurückgegeben, wie sein Kollege Dr. Günter Straub aus dem Wehrer Ärztehaus im Bündtenfeld bestätigt. Gerhard Dieter werde weiterhin im Ärztehaus praktizieren, so Straub, für Kassenpatienten allerdings nur noch als Vertretung für einen der anderen niedergelassenen Ärzte. Etwa 600 bis 700 Patienten müssten sich nun einen neuen Hausarzt suchen, schätzt Straub. Kein leichtes Unterfangen. Da es keine unmittelbare Nachfolge gibt, verteilen sich diese nun auf die anderen Mediziner. Und das hat natürlich Auswirkungen: „Es wird vermutlich nicht mehr ganz so leicht sein, die Termine im gewohnten Rhythmus zu vergeben“, so Straub, der als Internist bereits eine große Zahl fachärztlicher Fälle (beispielsweise Magen- und Darmspiegelungen) von Dr. Dieter übernommen hat.

Günter Straub, der das Ärztehaus mittlerweile gemeinsam mit seinen Kollegen leitet, hofft allerdings, bald einen Nachfolger für Gerhard Dieter präsentieren zu können. „Wir haben Aussicht, eine junge Kardiologin anstellen zu können, die Interesse an Wehr geäußert hat“, so Straub. Sie könnte im kommenden Jahr den noch offenen Facharztsitz im Wehrer Ärztehaus übernehmen. Derzeit ist sie noch im Mutterschutz. Vermittelt wurde sie vom Beratungsunternehmens Ideenwelt Gesundheitsmarkt (IWG), das seit vergangenem Jahr für die Stadt tätig ist.

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„Eine fruchtbare Zusammenarbeit“ nennt Bürgermeister Michael Thater die Kooperation mit dem Beratungsunternehmen. Es sei allerdings ein „dickes Brett, an dem wir mit größter Nachhaltigkeit bohren“, so Thater. Die ersten Ergebnisse seien durchaus vielversprechend: Mit Hussam Abbasi, der seine Praxis in der Villa Rupp hat, geht schon bald der nächste Mediziner in den Ruhestand. Auch Abbasi habe eine Nachfolgerin in Aussicht, so Thater. Erfreulich sei auch, dass in der Öflinger Praxis von Armin Nageleisen zwischenzeitlich mit der Ärztin Ronit Sevilla-Zangvil nun eine weitere Hausärztin praktiziere.

Weiteres Ärztehaus möglich

„Ärzte mit Einzelpraxen werden es immer schwerer haben, Nachfolger zu finden“, beschreibt Günter Straub den allgemeinen Trend. Jungen Mediziner scheuen die Bürokratie und Personalverantwortung und wollen selbst lieber angestellt sein. Die Zukunft gehöre deshalb Ärztehäusern oder zumindest Gemeinschaftspraxen, in den sich die Mediziner die notwendige Infrastruktur teilen können.

Vor diesem Hintergrund hält Thater deshalb mittel- bis langfristig auch ein zusätzliches Wehrer Ärztehaus für realistisch. Idealerweise privatwirtschaftlich organisiert, also von Ärzten selbst initiiert und geführt. Falls dies nicht gelinge, sieht Thater aber auch die Kommune in der Verantwortung: „Unter dem Dach der Bürgerstiftung wäre es die zweitbeste Variante“, so Thater. Günter Straub äußert hingegen Zweifel, ob es gelingt ein weiteres Ärztehaus zu initiieren. Es gebe andernorts genug Beispiele, dass ein neues kommunales Ärztehaus noch keinen zusätzlichen Arzt in die Gemeinde lockt, so Straub. Er sieht eher die Politik in der Pflicht, für eine bessere Verteilung der Mediziner zu sorgen. Als Beispiel nennt er die Studienplatzvergabe, bei der Bewerber, die sich verpflichten, nach ihren Abschluss zwei oder drei Jahre auf dem Land zu arbeiten, bevorzugt werden. „Wenn sie erst einmal unsere Region kennengelernt haben, bleiben sie auch“, ist Straub überzeugt.

Kampagne des Landkreises

Um Ärzte und medizinisches Fachpersonal zu gewinnen, hat der Landkreis Waldshut im Juli eine Imagekampagne gestartet. Deren Herzstück ist eine Homepage (www.patient-hochrhein.de), mit der die Mediziner direkt angesprochen werden sollen. Hier werden die Vorzüge der Region gezeigt, Freizeit- und Familienbetreuungsangebote gemacht und ganz konkret offene Stellen angezeigt. Einer der Protagonisten ist der Wehrer Arzt Günter Straub, der mit einigen Kolleginnen die lebenswerten Seiten des Hochrheins zeigt.

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Die Haus- und Fachärzteversorgung in Wehr

Aktuell praktizieren in Wehr und Öflingen sieben Mediziner als Hausärzte:

  • Ärztehaus im Bündtenfeld: Mit Gerhard Dieter zieht sich der Gründer des Wehrer Ärztehauses nach über 50 Berufsjahren als Arzt aus dem aktiven Geschehen zurück. Nach seiner Zeit im Krankenhaus Waldshut hatte er sich 1975 in Wehr selbständig gemacht und seine eigene Facharztpraxis gegründet. Daraus entwickelte sich im Laufe der Jahre das Wehrer Ärztehaus. Aktuell sind hier neben dem Internisten Günter Straub auch die Hausärztinnen Barbara Eisenhauer und Judith Gladewitz niedergelassen. Hinzu kommt ein weiterer Facharzt: der Lungenfacharzt Volker Seuthe.
  • Gesundheitszentrum Villa Rupp: Seit der Sanierung der Villa Rupp nach dem Großbrand im Jahr 2011 gibt es in der Villa der Wehrer Bürgerstiftung die beiden Hausarztpraxen von Isabel Boedecker und Hussam Abbasi.
  • In Öflingen praktizieren die Hausärzte Armin Nageleisen und Ronit Sevilla-Zangvil in einer gemeinsamen Praxis.
  • Kinderarzt Jochen Sperling rundet mit seiner Praxis am Bahnhofplatz das Angebot der medizinischen Versorgung ab.