Wer bei Angelsport nur an den größtmöglichen Fang und bei Bachforelle zuerst an Buttersauce denkt ist hier falsch: Mit viel Einsatz kümmert sich der Angelsportverein Wehr zusammen mit Züchter Günter Wassmer um die Stärkung der Bauchforellenpopulation in der Wehra. „Bei vielen Vereinen gibt es ein Umdenken, weg von einem Besatz so viel und billig wie möglich“ so Ingo Kramer, Geschäftsführer des Landesfischereiverbands in Freiburg. Statt auf die Regenbogenforelle – schnell wachsen und lange ein beliebter „Fleischfisch“ – wollen die Fischer lieber die eigenen Populationen stärken. „Das ist auch das Ergebnis von viel Aufklärungsarbeit“, so Peter Weisser, Fischereiaufseher des Regierungspräsidiums Freiburg.

Ausflug mit Fisch: In der Mambacher Fischzuchtanlage von Günter Wassmer werden die Wehrer Bachforellen nachgezüchtet. Im Herbst wurden ...
Ausflug mit Fisch: In der Mambacher Fischzuchtanlage von Günter Wassmer werden die Wehrer Bachforellen nachgezüchtet. Im Herbst wurden die Elternfische gefangen, die befruchteten Eier sind im Januar und Februar geschlüpft. Im April oder Mai sollen die Jungfische dann wieder in die Wehra gebracht werden. | Bild: Julia Becker

Am Ende dieser Aufklärungsarbeit stehen Züchter wie Günter Wassmer aus Mambach: Fischzüchter in dritter Generation, anders als noch sein Großvater aber nicht mehr hauptberuflich. Von seiner Anlage unterhalb des Rehbergs blickt man ins Wiesental, die Forellen ziehen jedoch die Tiefen der Fischteiche vor. In der unscheinbaren Hütte, in einem Gewimmel aus Kabeln und Schläuchen findet man den Kindergarten der Wehrer Bachforellen. In einem Brutschrank, sortiert nach Alter reifen die befruchteten Fischeier, darüber wuseln die frisch geschlüpften Jungfische. Alles wird ständig durchspült mit frischem Wasser aus dem kleinen Bach. „Das Wasser hier hat eine ähnliche Qualität wie die Wehra„ so Wassmer.

Gute Voraussetzungen für die Nachzucht

Denn für eine erfolgreiche Fischzucht gilt es vieles zu beachten. Im November hatten die Angelsportler die Elterntiere aus der Wehra gefangen. Doch nicht alle Tiere sind zur gleichen Zeit fortpflanzungswillig – darum die vielen Schubladen im Fischkindergarten. Von zu hoher Wassertemperatur über Erschütterungen der empfindlichen Brut bis hin zu Schlamm, der die zarten Kiemen verstopft gibt es eine Menge von Gefahren für die Jungfische. Und so wird Günter Wassmer zum Helikoptervater seiner Schützlinge: Mindesten s einmal am Tag kontrolliert er den Nachwuchs, prüft die Temperatur, schaut auf mögliche Erkrankungen und füttert die älteren Fische.

Bild zum Infokasten: Erwachsene Bachforelle
Bild zum Infokasten: Erwachsene Bachforelle | Bild: Julia Becker

„Wir schulen die Vereine in Baden-Württemberg regelmäßig, um allgemein ein Bewusstsein zu schaffen und auch um die nötige Fachkenntnis zu vermitteln“, so Kramer vom Landesfischereiverband Getragen wird die Bestandsförderung von einem recht einfachen Gedanken: Was aus einem Fluss stammt ist auch am besten für diese Lebensbedingungen angepasst. „Der Angelsportverein Wehr geht hier mit großen Schritten voran,“ freut sich Kramer. Denn durch billig angekaufte Forellen aus ganz Europa werde nicht nur der originale Stamm verfälscht. Es können auch schnell Krankheiten eingeschleppt. Nicht überall mache diese Art der Bestandsförderung allerdings Sinn, so der Fischereiaufseher Weisser: „Wenn man ein gesundes Gewässer hat, regelt die Natur die Repopulation von selbst“.

Große Vorsicht sei auch geboten, dass man bei der Fangaktion nicht noch Krankheiten in andere Flussbereiche einschleppe. In der unteren Wehra habe sich etwa der amerikanische Signalkrebs breit gemacht. Nicht nur ist die nicht heimische Art ein großer Futterkonkurrent der einheimischen Dohlenkrebse, er überträgt auch die Krebspest, erklärt Wiesser. Wenn Vereine heimische Fische nachzüchten möchten, braucht es die Abstimmung mit dem Verein“, erklärt Weisser.

So sehen frisch geschlüpfte Bachforellen aus Video: Julia Becker

Raubtierfütterung: Im Außenbecken leben ältere Forellen, die Günter Wassmer unter anderem für lokale Gastronomen züchtet. Dank der ...
Raubtierfütterung: Im Außenbecken leben ältere Forellen, die Günter Wassmer unter anderem für lokale Gastronomen züchtet. Dank der tiefen Becken konnten die drei bis vier Jahre alten Tiere hier den heißen Sommer gut überstehen. | Bild: Julia Becker

Warum betreibt Günter Wassmer also all dieser Aufwand? Bezahlt wird er nicht von den Angelsportlern. Und von fettem Futter und schneller Zucht hält er wenig. Trotz all der Arbeit hat er sogar alte Zuchtanlagen übernommen, von Züchtern, die keinen Nachfolger mehr hatten. Neben Forellen leben hier auch Barsche und ein Hecht. Letztere hat einen ganzen Teich für sich alleine, der Raubfisch verträgt sich naturgemäß nicht mit Mitbewohner. „Wenn ich mit Futter zum Teich gehe, merkt er die Schritte und schwimmt nach vorne“, so Günter Wassmer mit einem fast unmerklichen Lächeln, „Das hier ist Balsam für die Seele.“

Im März oder April muss sich Wassmer von einigen Seiner Schützlinge verabschieden. Von den rund 50 Elterntieren konnte er über 3000 Jungfische nachzüchten. Wenn die Fische kräftig genug sind und Ende April oder Anfang Mai das Wetter stimmt steht für den nachwuchs ein Umzug an: Dann werden die bis dahin etwa sieben Zentimeter langen Bachforellen wieder in den Seitenarmen der Wehra von Gersbach bis runter ins Enkendorf in ihre eigentliche Heimat und zu den hier wieder ausgesetzten Elterntieren zurückkehren.