In Wehr gibt es jetzt einen Treffpunkt für Burn-out-Betroffene. Einmal im Monat, jeden ersten Dienstag, findet ein Treffen zum Austausch für körperlich und seelisch ausgepowerte Menschen statt. Das Angebot ist eine Art Selbsthilfe-Café und wird ehrenamtlich von Tanja Haag, die selbst mal unter Burn-out litt, geleitet. Das Wehrer Burn-out-Café ist somit die erste konkrete und bislang einzige Anlaufstelle im Landkreis Waldshut und Lörrach.

Einzige Anlaufstelle im Landkreis Waldshut

Haag möchte in erster Linie helfen, erzählt sie dem SÜDKURIER im Gespräch. Über einen Kollegen im Coaching-Netzwerk sei sie in der Idee bestärkt worden, seit August in Wehr ein „Anderes-Burn-out-Café“ (ABC) ins Leben zu rufen. Nutzen kann sie dafür unentgeltlich gegen Spendenquittung einen Raum der IMS-Immobilien. Für ihr ehrenamtliches Engagement nutzt die 43-Jährige die bestehenden Organisationsstrukturen des Bundesverbandes Burn-out und Depression, unter der sich weitere ehrenamtliche ABC-Selbsthilfegruppen deutschlandweit bündeln.

Den Standort in Wehr habe sie bewusst gewählt. So können Betroffene aus gleich zwei Landkreisen Lörrach und Waldshut in Wehr Anschluss und Rat finden, denn Wehr liegt geografisch günstig. Unterstützt werde sie außerdem von der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe im Landkreis Waldshut (KISS), die beispielsweise die Anzeige im „Wehratalkurier“ schaltete.

Raum der IMS Immobilien, in Wehr Kirchstraße 10.
Raum der IMS Immobilien, in Wehr Kirchstraße 10. | Bild: Tanja Haag

Das Burn-out-Café in Wehr bietet Lösungen

Unter Gleichgesinnten gelangen Themen auf den Tisch, die man privat weniger besprechen mag. „Durch das Kennenlernen kann man neue soziale Kontakte knüpfen“, sagt Haag, „was wichtig für die Genesung ist.“ Das Angebot richte sich konkret an Menschen, die sich belastet und überlastet fühlen. „Jeder kann ohne Angst vorbeikommen und nur zuhören“, sagt Haag. Die Runde des Burn-out-Cafés findet in einem geschützten Raum statt. Keiner müsse befürchten, dass irgendetwas nach außen getragen werde. Was im Raum besprochen werde, bleibe im Raum, so Haag.

„Herrn Mecker“ in den Urlaub schicken

Strukturiert will Initiatorin Haag die monatlichen Gesprächsrunden zum Thema Burn-out aufbauen. Thema der letzten Runde war beispielsweise der „innere Kritiker“. Methodische Lösung für die vielen Zweifel eines Menschen wäre hier beispielsweise den eigenen Kritikern Namen zu geben und „Herrn Mecker“ einfach in den Urlaub zu schicken, sodass „Frau Nett“ übernehmen kann. Bei jedem Zusammentreffen gebe es ein sogenanntes Impulsthema zum Besprechen. Das sei typisch für das ABC-Konzept des Vereins. Im Gegensatz zu klassischen Selbsthilfegruppen, wo meist Probleme ausgetauscht werden, will das Burn-out-Café in Wehr methodische Lösungen bieten, die die Menschen mit nach Hause nehmen und mit Übungen daran arbeiten können. Wichtig sei für jeden immer die zusätzliche ärztliche Unterstützung.

Symbolbild: Ein Ausweg aus dem Burnout kann eine Selbsthilfegruppe sein, ersetzt aber in vielen Fällen nicht den Besuch einer ...
Symbolbild: Ein Ausweg aus dem Burnout kann eine Selbsthilfegruppe sein, ersetzt aber in vielen Fällen nicht den Besuch einer Psychotherapie. | Bild: Steffi Weickert

Es gibt verschiedene Burn-out-Symptome

Plötzliche Schmerzen, ständige Krankheiten, Reizbarkeit, Vergesslichkeit, Erschöpfung und sozialer Rückzug sind typische Symptome, die auf Burn-out-Syndrom hindeuten können. Lange galt, dass dies keine anerkannte, diagnostizierbare Krankheit sei. Erst im Januar 2022 definierte die WHO im neuen Katalog ICD-11 das Burn-out-Syndrom als eigenständigen Diagnoseschlüssel. In Deutschland laufe weiter unter ICD-10-GM. So ist Burn-out als Krankheitsbild nicht offiziell anerkannt, sodass Ärzte in Deutschland die Diagnose für arbeitsbedingten andauernden Stress stellen und Patienten krankschreiben dürfen.

Folgende drei Dimensionen der Erkrankung lassen sich einordnen: Zum einen sprechen Experten bei den Betroffenen von einem Gefühl der Erschöpfung. Des Weiteren erkennen sie bei den Betroffenen eine negative Haltung bis hin zu geistiger Distanz zum Job und einer damit einhergehenden Leistungsminderung. Auch das immer wieder Hinterfragen gut genug zu sein, das Gedankenkarussell sind typische Symptome.

Flyer vom Bundesverband Burnout und Depression e.V.
Flyer vom Bundesverband Burnout und Depression e.V. | Bild: Steffi Weickert

Sie weiß, wovon sie spricht

Vor 14 Jahren suchte sie sich Hilfe. Tanja Haag weiß noch aus eigener Erfahrung, wie es war, nicht zu wissen, weshalb sie täglich eine solche Erschöpfung spürte. Sie war „ausgebrannt“, konnte nicht länger als zwei Stunden schlafen, war ständig gereizt. Sie litt unter Panikattacken, bis sie sich an einem Wochenende mit Verdacht auf Herzinfarkt selbst ins Krankenhaus einlieferte. Im Mai 2011 dann die Erkenntnis: Burn-out. Damals arbeitete sie in Dornbirn, Vorarlberg (Österreich) als technische Produktmanagerin für Hochspannungsmesssysteme.

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Leidenschaft, die Leiden schafft

„Ich habe bei Aufgaben immer hier geschrien, weil es irgendwie in meiner Natur lag. Ich hatte immer das Gefühl, ich müsste mich beweisen. Nachdem ich Hilfe gesucht hatte, brauchte ich etwa ein Jahr zu erkennen, dass es auch ohne mich läuft“, erzählt sie rückblickend. Burn-out betreffe vor allem diejenigen, die sich leidenschaftlich für eine Sache einsetzen und immer wieder über ihre Grenzen hinausgehen, weiß Haag. Burn-out habe viel mit der eigenen Persönlichkeit zu tun.

Der stetige Wandel und der Druck im Beruf und Privatleben steigt: Tanja Haag will mit Anderes Burnout Café in Wehr helfen.
Der stetige Wandel und der Druck im Beruf und Privatleben steigt: Tanja Haag will mit Anderes Burnout Café in Wehr helfen. | Bild: Steffi Weickert

Wichtig sind soziale Kontakte

Ein Jahr habe sie dann psychologische Beratung in Anspruch genommen, bevor ihr Weg sie im Jahr 2012 zurück in die Heimat nach Deutschland führte. Ein Grund war unter anderem die Erkenntnis, dass für ein gesundes Leben die guten sozialen Kontakte enorm wichtig sind, die einen energetisch aufladen können. Die hatte sie in Österreich nämlich nicht. Ihre neue Arbeitsstelle bei Endress und Hauser gab ihr zusätzlichen Halt. Als Frau in einem technischen Beruf bekäme sie viel Anerkennung, verrät sie und schmunzelt dabei. Seit acht Jahren lebe sie nach Stationen in Maulburg und Ettenheim nun in Schopfheim. Hier fühle sie sich wohl.

Auch nebenberuflich in dem Bereich tätig

Wie wichtig Hilfe ist, hat Tanja Haag selbst erfahren. Da ihr das Thema am Herzen liegt, ist Haag in dem Bereich zudem nebenberuflich tätig. Dafür habe sie in der Coronazeit eine Weiterbildung zur psychologischen Beraterin mit Schwerpunkt Burn-out-Prävention gemacht. Einmal die Woche berät sie heute Menschen zum Thema als Life Coach, in Präsenz oder online. Wie wichtig in der heutigen Zeit Prävention sei, müssten sich ihrer Meinung nach viel mehr Unternehmen überlegen. „Denn die Kosten durch einen Arbeitnehmerausfall aufgrund psychischer Störungen können immens hoch sein“, weiß Haag.