Der Schock über die unangekündigte Entlassung zahlreicher Angestellter des traditionsreichen Glasherstellers Weck in Öflingen sitzt tief. Laut Medienberichten wurde bis zu 45 von 60 dort beschäftigten Arbeitskräften am 4. September gekündigt. Namentlich möchte niemand über das Geschehene sprechen.
Hinter vorgehaltener Hand heißt es: „Ich darf mich nicht äußern, denn ich kann meinen Arbeitsplatz noch behalten und möchte kein Risiko eingehen.“
Andere hingegen sind bereit, über das zu sprechen, was sie seit der Übernahme durch den Finanzinvestor Aurelius aus München im November 2023 vor Ort erlebt haben. „Denn für viele von uns ist Weck wie eine Familie. Es gibt hier Kollegen, die ihren Job seit über 40 Jahren machen, bei ihnen liegen die Nerven blank“ – so heißt es aus dem Kreis der Belegschaft des traditionsreichen Glasherstellers am Hochrhein.
Wie liefen die Entlassungen ab?
Die unangekündigten Entlassungen schildern sie mit drastischen Worten: „Am 4. September wurde allen kurzfristig mitgeteilt, dass es gleich eine außerordentliche Mitarbeiterversammlung gäbe. Diese begann wenige Minuten später. Die Geschäftsführung informierte uns über die Entlassungen und nicht Betroffene mussten den Raum verlassen. Unsere Namen wurden dann der Reihe nach verlesen, jeder musste einzeln vorkommen, ein Dokument unterzeichnen und erhielt die Kündigung ausgehändigt. Es lief wie im Akkord ab, alle waren in einer Schockstarre und konnten nicht einmal lesen, was sie unterschrieben haben. Wer an der kurzen Versammlung nicht teilnehmen konnte, erhielt die Kündigung am nächsten Tag in einer Klarsichtfolie in den Privatbriefkasten. Dies geschah wenige Tage, bevor die notwendigen Maßnahmen zur Wahl eines Betriebsrates in Öflingen offiziell anlaufen sollten.“
Die Stimmung bei Weck ist im Keller
Seit der Übernahme von Weck durch den Investor Aurelius sei „die Stimmung immer mehr in den Keller gerutscht“, heißt es weiter. Nach einer großen Rabattaktion zum Jahresanfang 2024 habe es kurzfristig sehr viel zu tun gegeben, „und die Aktion musste bis Ende März unter großer Belastung abgearbeitet werden. Wir haben mit unserer Arbeitskraft nicht nachgelassen, waren motiviert und bereit, Überstunden zu machen – wir haben für Weck und seine Tradition gearbeitet. Die Überstunden mussten wir uns dann ausbezahlen lassen“, erzählt eine enttäuschte Arbeitskraft von Weck.
Am Arbeitsplatz gab es Druck auf die Angestellten
Seit April und Mai seien jedoch Beschäftigte nach Hause geschickt worden, da es nicht mehr genug Arbeit gegeben habe. Manche seien sogar zurückgerufen und dann wieder weggeschickt worden, heißt es weiter. Während es hierdurch in der Versandabteilung ruhiger geworden sei, habe sich die Stimmung in anderen Abteilungen stetig verschlechtert. „Wir wurden immer wieder unter Druck gesetzt, es hieß zum Beispiel, dass wir nicht genug verkaufen“, klagt eine Mitarbeiterin. „Es gab Kollegen, die haben gesagt, dass sie das nicht mehr mitmachen und von sich aus gekündigt haben.“
„Wenn Kollegen gegangen sind oder ein Arbeitsvertrag auslief, wurde in Öflingen niemand neu eingestellt, dann mussten die Übrigen einfach mehr arbeiten. Neueinstellungen gab es nur auf der Leitungsebene und am Standort Bonn. Da mancher nach vier Wochen wieder entlassen wurde und es viele Wechsel auf der Leitungsebene gab, hatten wir keine richtigen Ansprechpartner, auch weil die Geschäftsführung nur sporadisch in Öflingen ist.“
„Wir gehen nicht auf unsere eigene Beerdigung“
Etwas Hoffnung sei allerdings auf einer Mitarbeiterversammlung im Mai 2024 aufgekommen: „Damals hieß es, Aurelius habe Weck eine Finanzspritze gegeben, alles werde bis zum Jahresende bleiben, wie es ist und wir haben uns darauf verlassen. Deshalb kam es für uns auch so überraschend, dass nun auf einmal so viele entlassen werden – es gab für uns keine Anzeichen dafür“, heißt es aus dem Kreis der Betroffenen.
Gekündigt wurde nach deren Auskunft nicht nur Angestellten der Versandabteilung, sondern auch der IT-Abteilung, der Betriebskantine, des Werksverkaufes, sowie der Personalreferentin, den Reinigungskräften und dem Hausmeister.
Wie es für sie weitergehen werde, können viele Beschäftige von Weck nicht sagen. Eines sei für sie jedoch klar: Einer Einladung vom Frühjahr 2024 auf ein Betriebsfest in Bonn im September möchten sie nicht folgen. „Ich gehe doch nicht auf meine eigene Beerdigung“, heißt es aus ihren Reihen. „Und eines ist sicher, wir halten jetzt bei Weck zusammen und lassen von der Unternehmensleitung keinen Keil zwischen uns treiben“, wird einmütig hinzugefügt.
Was sagt der Sprecher der Weck?
Von den betriebsbedingten Kündigungen in Öflingen sind laut Nik Gledic, Direktor Marketing und E-Commerce der Weck glass and packaging GmbH, 32 Arbeitskräfte betroffen, rund 25 seien nicht betroffen. Am Hochrhein verbleiben nach seiner jüngsten Auskunft gegenüber dem SÜDKURIER vom 11. September „die Funktionen Marketing, Customer Service, Vertriebsinnendienst und Teile der Finanzbuchhaltung. Die Mitarbeiter wurden am 4. September über die Schließung des Bereichs Verpackung am Standort Öflingen informiert. Die Kündigungen gelten jedoch erst frühestens zum 28.02.2025. Damit bekommen die meisten Mitarbeiter eine verlängerte Kündigungsfrist über die gesetzliche Kündigungsfrist hinaus. Die Kündigungen wurden bereits jetzt kommuniziert, um den Mitarbeitern einen möglichst langen Zeitraum zur Neuorientierung zu geben. Weiterhin ist Weck in Gesprächen mit den betroffenen Mitarbeitern, um diese zu unterstützen.“
Bereits am 6. September hatte Gledic dem SÜDKURIER mitgeteilt: „Die betroffenen Mitarbeiter werden in den kommenden Monaten, wo möglich, von Weck im Übergangsprozess unterstützt.“ Den Vorwurf mangelnder Kommunikation wies der Marketingdirektor in einer Stellungnahme vom 10. September gegenüber dem SÜDKURIER zurück: „Für den Standort Wehr ist kein Betriebsrat errichtet. Die Entlassungen wurden frühestmöglich kommuniziert.“ Darüber hinaus sei den Entlassenen mehrheitlich „über die vertragliche und gesetzliche Kündigungsfrist hinaus, der größtmögliche Zeitrahmen zur Neuorientierung ermöglicht.“
Wie äußert sich die Gewerkschaft?

Sonja Dif, Bezirksleiterin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE) sieht in den Ereignissen „ein dramatisches Element der Massenentlassung“, da seit dem vergangenen Juni von der IGBCE die Gründung eines Betriebsrates vorbereitet worden sei. „Anfang dieser Woche sollten die Einladungen zur ersten Wahlversammlung herausgehen, das muss irgendwann durchgesickert sein. Für mich ist im zeitlichen Ablauf ein Zufall zuviel im Spiel, mit den Entlassungen wurde der Gründung des Rates vorgegriffen“, erläuterte sie am 12. September gegenüber dem SÜDKURIER.
Die langen Kündigungsfristen ergeben sich für sie aus den gesetzlichen Regelungen, „da handelt es sich nicht um ein Entgegenkommen der Weck-Geschäftsführung.“ Die Gründung des Betriebsrates sei nun „auf Eis gelegt“, doch ergreife die Gewerkschaft die Initiative: „In Öflingen fehlt der Schutz der Arbeitnehmerrechte durch einen Betriebsrat, doch werden wir als Gewerkschaft tun, was in unserer Macht steht. Es handelt sich nicht um einen rechtsfreien Raum und wir lassen unsere Mitglieder nicht fallen. Sie bekommen unseren Rechtsschutz, denn es geht um gesetzliche Regelungen und Entschädigungen“, führt Dif weiter aus.