Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat Öflingen eine Zeit des Aufbruchs erlebt. 1901/02 wurde ein modernes Wohnhaus für Lehrer erbaut, 1903 die Pfarrkirche St. Ulrich eingeweiht und 1910 das neue Schulhaus feierlich seiner Bestimmung übergeben. Schließlich wurde 1911/12 das alte Schulhaus zum Sitz der Gemeindeverwaltung umgewandelt. Drei historische Aufnahmen von Öflinger Bürgerinnen und Bürgern spiegeln diesen Aufschwung wider.
Der Bäckermeister Georg Herrmann betrieb damals oberhalb der MBB eine Bäckerei mit Ladengeschäft. Seine Hauptkunden waren gewiss die in den „Bayerhäusern“ lebenden Fabrikarbeiter. Um 1905 ließ er eine Postkarte zu Werbezwecken drucken. Sie wurde nach einem Foto stilisiert und befindet sich im Besitz seines Nachfahren Richard Herrmann. Im Zentrum dieser Dorfansicht steht verständlicherweise die Bäckerei. Außerdem zeigt sie das Fabrikgebäude der MBB. Von großem Interesse für heutige Zeitgenossen ist in unserem Zusammenhang jedoch die akkurate „Generalansicht“ des Öflinger Zentrums um 1905.

Bei der 1903 eingeweihten Pfarrkirche St. Ulrich fehlt noch das 1906/07 erbaute Pfarrhaus. Das kleine Haus der ledigen Elisabeth Weiß (Nr. 1), die 1907 mit 77 Jahren starb und es ihrem Pflegesohn Joseph Sutter vererbte, steht auf der rechten Seite der Dorfstraße wie auch das größere Wohnhaus (Nr. 2) direkt daneben. Es gehörte Joseph Huber und dem Wehrer Eduard Büche. Rechts davon steht die alte Öflinger Schule (Nr. 3) von 1831 mit Lehrerwohnung und Schulgarten.
Um 1900 platzte sie förmlich aus allen Nähten. Durch die Industrialisierung wuchs die Öflinger Bevölkerung und mit ihr die Zahl der Schulkinder sprunghaft an. Ein neues Schulhaus konnte sich die Gemeinde nicht leisten. Als Zwischenlösung ließ man 1901/02 ein Lehrerhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite (Nr. 4) erbauen. So wurde kurzfristig Raum für die rasch wachsende Schülerzahl geschaffen.

Eine andere Perspektive zeigt eine Postkarte aus dem Besitz von Helga Oranth. Sie wurde ebenfalls um 1905 vom Ladenbesitzer Johann Thomann verlegt und beruht auf einer Originalfotografie, die allerdings koloriert wurde. Der dreistöckige Bau auf der rechten Seite ist das 1902 bezogene Lehrerhaus.
Das alte Schulhaus ist nicht zu sehen. Es wird von Thomanns Geschäft verdeckt. Auf der linken Straßenseite neben dem Schulplatz sieht man das Wohnhaus Huber/Büche. Auch St. Ulrich ist, obwohl bereits erbaut, nicht zu sehen. Der Standort des Fotografen ließ den Blick auf die Kirche nicht zu.

Aus ähnlicher Perspektive, aber ein Stück die Dorfstraße aufwärts, stand jener Fotograf, der die Aufnahme aus dem Besitz von Leo Urich aus den Jahren 1912/13 schoss. Auf der rechten Seite gab es keine Veränderung. Aber links sieht man die neue Schule und den Giebel sowie eine Gebäudeecke der inzwischen zum Rathaus umfunktionierten alten Schule.
Die Schule gehört in den Ortskern
Nach Interventionen vorgesetzter Behörden (auch weil in Sälen von Gaststätten unterrichtet wurde) stimmte die klamme Gemeinde Anfang Januar 1907 dem Bau einer neuen Schule zu. Gegen einen abseitig gelegenen Bauplatz im Gewann Steinen, den das Bezirksamt favorisiert hatte, setzte sich der Gemeinderat zur Wehr. Man wollte die neue Schule im Dorfzentrum haben – nicht allein wegen der Wege für die Schüler, sondern auch, um den Ortskern durch einen repräsentativen Bau aufzuwerten.
Also wurden die Häuser Huber/Büche und Sutter 1908 erworben und abgebrochen. Die Planung wurde in Kooperation des Freiburger Architekturbüros Schuster & Holtz mit dem in Freiburg lebenden Architekten August Rotzler vorgenommen. Rotzler stammte aus einer alten Öflinger Maurer-Familie und besaß noch vorzügliche Verbindungen in sein Heimatdorf.
Weck-Chef stellt Kredit zur Verfügung
Als mitten in den Planungsarbeiten kein Geringerer als Georg van Eyck, seines Zeichens Chef der aufstrebenden Weck AG, im September 1907 in den Öflinger Gemeinderat gewählt wurde, war auch für die Finanzierung des Neubaus gesorgt. Der vermögende Rheinländer stellte einen Kredit von 100.000 Mark zu vier Prozent Zinsen zur Verfügung, der in Jahresraten von 3000 Mark getilgt werden sollte. Den Kindern seiner zugezogenen und teils hoch qualifizierten Mitarbeiter wollte er eine adäquate Volksschule bieten.
Am 25. September 1910 wurde das repräsentative Gebäude mit Blasmusik, Gesang und Reden eingeweiht. Die Schüler erhielten „je eine Wurst zu 20 Pf. und einen Wecken zu 10 Pf“. Doch nicht genug. Die Gemeinderäte waren auf den Bau-Geschmack gekommen und machten sich sofort an den Umbau der alten Schule zum Bürgermeisteramt. Zur Finanzierung wurde im Juli 1911 beim „Kreditverein Öflingen ein Darlehen in Höhe von 29.500 M“ aufgenommen. Anfang 1912 fand die erste Sitzung des Gemeinderats im neuen Ratssaal statt – ein Meilenstein.