Noch am Donnerstagmorgen, 23. Mai, sah es so aus, als gäbe es nur Verlierer: Eine Gemeinde hatte zwei vielversprechende Mitarbeiter verloren. 170 Grundschulkinder ihre Betreuer. Und eine junge Allensbacherin und ein junger Allensbacher ihre Arbeitsplätze am Ort. Was war geschehen?

Bis vor Kurzem waren zwei vom Deutschen Roten Kreuz angestellte junge Erwachsene im Auftrag der Gemeinde an der Allensbacher Grundschule tätig, wo sie im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahres bei der Kinderbetreuung mithalfen. Vor zwei Wochen trennte man sich von ihnen. Kurioserweise hatte dieser Rausschmiss aber nichts mit ihrer eigentlichen Arbeit an der Schule zu tun. Stattdessen ging der Trennung ein Disput im Rathaus voraus. Dorthin hatte man die beiden am 10. Mai bestellt. Der Hintergrund: Sie sollten helfen, einen Nachdruck des Gemeinde-Mitteilungsblatts zu verteilen.

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Sandra Bißler, Vorsitzende des Elternbeirats der Grundschule, erklärt: „Wegen eines internen Fehlers in der Verwaltung hatte man tags zuvor versäumt, die Wahlkampftermine der CDU im Blättle abzudrucken.“ Deshalb habe man sich im Rathaus dazu entschlossen, einen Nachdruck anzufertigen. Nun musste dieser Nachdruck an die Haushalte verteilt werden – und das an einem Freitag, außerhalb der normalen Arbeitszeiten der Austräger. Hauptamtsleiter Stefan Weiss habe daraufhin spontan die Entscheidung getroffen, dass die FSJler beim Verteilen aushelfen sollen.

Ein lautstarker Disput

Der junge Mann hätte an diesem Freitag ab 13 Uhr Feierabend gehabt, seine FSJ-Kollegin wäre planmäßig bis 14 Uhr an der Grundschule eingebunden gewesen. Da beide im Laufe ihres Freiwilligendiensts ausschließlich Betreuungsaufgaben übernommen hatten, hätten sie ihrem Unmut über den unerwarteten Arbeitsauftrag Luft gemacht. Aus Sandra Bißlers Sicht nachvollziehbar. „Sie hatten vorher ja auch noch nie etwas mit den Verantwortlichen im Rathaus zu tun“, sagt die Elternbeiratsvorsitzende. Wie sie im Nachhinein erfuhr und wie Bürgermeister Stefan Friedrich gegenüber dem SÜDKURIER bestätigt, kam es im Vorzimmer des Bürgermeisters an jenem Freitag zu einer lautstarken Auseinandersetzung. Das Resultat: „Der Hauptamtsleiter hat den beiden mitgeteilt, dass sie entlassen sind“, berichtet Sandra Bißler.

Konkret bedeutet das, dass die Gemeinde dem Deutschen Roten Kreuz mitteilte, dass die FSJler nicht mehr in der Gemeinde und damit auch nicht mehr an der Grundschule eingesetzt werden sollen. Selbst nachdem die Freiwilligen noch einmal das persönliche Gespräch suchten und der Leiter der Grundschule Gerrit Grahl versuchte, zwischen den Streitparteien zu vermitteln, blieb Weiss bei seiner Entscheidung. Der Bürgermeister stellte sich in dieser Phase hinter seinen Hauptamtsleiter.

„Wir finden die Entscheidung überzogen“

Auch Sandra Bißler und Alice Dähmcke, die sich im Namen der Eltern für den Verbleib der FSJler an der Grundschule einsetzen, konnten Friedrich nicht davon überzeugen, etwas gegen die Entscheidung des Hauptamtsleiters zu unternehmen. Akzeptieren wollten die Mütter den Rauswurf trotzdem nicht. „Wir finden die Entscheidung überzogen“, betont Alice Dähmcke. „Jetzt kommt es an der Schule zu Engpässen in der Betreuung. Das fällt besonders ins Gewicht, weil wir schon seit zwei Jahren auf eine Schulsozialarbeiter-Stelle warten.“

„Wenn wir sie gebraucht haben, sind sie immer gleich gekommen.“, Lenny, 9 Jahre
„Wenn wir sie gebraucht haben, sind sie immer gleich gekommen.“, Lenny, 9 Jahre | Bild: Oliver Hanser

Ähnlich sehen das die 25 Eltern von Grundschülern, die sich gestern Morgen mit dem Schulleiter, einer Lehrerin sowie Dritt- und Viertklässlern auf dem Rathausplatz einfanden, um sich an den Wahlkampfständen der CDU und der Freien Wähler öffentlichkeitswirksam für den Verbleib der Freiwilligen einzusetzen. „Die beiden haben uns immer bei den Hausaufgaben geholfen, sie haben mit uns gespielt und waren bei den AGs dabei“, erzählten Lorena und Lando, die die Klasse 3a besuchen. Ihr Klassenkamerad Lenny ergänzte: „Wenn wir sie gebraucht haben, sind sie immer gleich gekommen.“ Und: In der vergangenen Woche sei es direkt viel hektischer gewesen, weil die Freiwilligen nicht mehr da waren. Auch Schulleiter Gerrit Grahl betonte noch einmal, wie wichtig die Mitarbeit der FSJler gerade bei der täglichen Kernzeitbetreuung sei.

Dann äußert sich der Bürgermeister

Pius Wehrle (Freie Wähler) und Ludwig Egenhofer (CDU) signalisierten direkt, dass sie die Einschätzung von Eltern, Lehrern und Kindern nachvollziehen können. Nachdem sie Kontakt zum Bürgermeister aufnahmen, erschien dann kurz darauf auch Stefan Friedrich auf dem Rathausplatz. „Aus meiner Sicht war das Verhalten der Freiwilligen nicht in Ordnung“, sagte der Bürgermeister. In einer Notsituation hätten sie ihre Hilfe verweigert, weshalb er seinen Hauptamtsleiter – der diese Woche krank sei – in Schutz nehmen wolle.

Der Bürgermeister im Gespräch mit Eltern, Gemeinderäten und Lehrern.
Der Bürgermeister im Gespräch mit Eltern, Gemeinderäten und Lehrern. | Bild: Oliver Hanser

Gleichzeitig zeige ihm vor allem der Einsatz der Kinder, wie wichtig die Arbeit der FSJler sei. „Offensichtlich sind sie an der Schule gut aufgehoben“. Deshalb sei er dazu bereit, ein Acht-Augen-Gespräch mit dem Schulleiter und den jungen Menschen zu führen, sagte Friedrich. „Wenn die beiden dazu bereit sind, ihr Verhalten zu überdenken, wollen wir das Gleiche tun.“ Das Treffen von Grahl, Friedrich und den Freiwilligen soll bereits am Freitag, 24. Mai, stattfinden. Denn noch – das bestätigte der Schulleiter – seien die FSJler keiner neuen Arbeitsstelle zugeteilt worden.