Der Mord geschah bei Hegne im Jahr 1699. Und der Täter soll ein Mann namens Christian Valaster aus Montafon gewesen sein. So steht es im Verzeichnis der Reichenauer Akten, die im Landesarchiv in Karlsruhe verwahrt werden. Das gilt als historisch recht sichere Quelle. Und auch wenn im Verzeichnis nichts von einer Hinrichtung steht, lässt sich aufgrund der Umstände vermuten, dass auch dieser mutmaßliche Mörder auf der Richtstätte bei Allensbach sein Leben lassen musste.
Die Grabungen neben der B33 sind abgeschlossen
Was in der Originalakte aus alten Klosterzeiten selbst steht, müsse aber erst noch ein Historiker prüfen, betont der Kreisarchäologe Jürgen Hald. Das gelte für alle bisher überlieferten Fälle von Hinrichtungen, die dort bis ins späte 18. Jahrhundert vollzogen wurden. Er und sein Team haben nun die Grabung auf dem früheren Galgenacker westlich von Allensbach und direkt neben der B33 abgeschlossen.
Doch jetzt beginnt die Forschungsarbeit erst so richtig für Hald, den Anthropologen Michael Francken und eben einen Historiker. Vielleicht lasse sich dann sogar das eine oder andere Einzelschicksal klären, so Hald. Der eingangs genannte Mord bei Hegne ist nur einer von drei weiteren Fällen, die der Reichenauer Kulturchef Karl Wehrle in besagtem Aktenverzeichnis gefunden hat.
In einem weiteren aus dem Jahr 1579 ist von einer „Hexenverbrennung auf der Reichenau“ die Rede. Wehrle und Hald gehen aber davon aus, dass auch diese grausame Hinrichtung bei Allensbach stattfand. Denn auf der Reichenau auf dem Diebsweidle in Mittelzell wurden zwar mindestens bis Mitte des 16. Jahrhunderts von einem Hochgericht Todesurteile gefällt (später dann wohl eher in Konstanz), doch weil die Erde der Klosterinsel als heilig galt, wurden die Verurteilten über den See zur Vollstreckung nach Allensbach gebracht.
Bei lebendigem Leib verbrannt?
Demnach könnte sich in der betreffenden Akte ein erster Beleg finden, dass auf der Richtstätte auch Menschen bei lebendigem Leib verbrannt wurden. Interessant daran ist auch, dass bei den bisher überlieferten drei Fällen, in denen Frauen unter dem haarsträubenden Vorwurf der Hexerei dort getötet worden sein sollen, dies jeweils durch Enthauptung geschehen sein soll.
Und schließlich hat Wehrle einen Eintrag aus den Jahren 1746/47 gefunden. Dort heißt es, der (vermutlich aufgrund von Verwesung) vom Galgen gefallene Körper eines Übeltäters (“Malifikanten“) sei auf der Richtstätte begraben worden. Es ist natürlich reine Spekulation, aber zufällig passt dieser Fall zu dem letzten Skelett, das Hald kurz vor Ende der Grabung entdeckt hat.

Dabei handelte es sich vermutlich um einen jüngeren Mann, der noch keine 25 Jahre alt war. Ungewöhnlich sei jedoch die Körperhaltung des Toten beim Verscharren gewesen, so Hald. Der Schädel lag auf dem Becken, der Körper war offenbar richtiggehend zusammengeklappt. Anatomisch sei das selbst bei einem Toten kaum möglich, daher vermute er, dass der Körper schon teilweise verwest gewesen sei, als er begraben wurde.
Die Todesursache sei noch unklar, so Hald, aber: „Ich würde eher von Hängen ausgehen.“ Interessant sei dabei auch, dass ein Knopf sowie Haken und Ösen bei dem Skelett gefunden wurden. Das sei ein weiterer Hinweis, dass die Delinquenten in ihrer normalen Kleidung hingerichtet worden seien und nicht etwa in einem Büßerhemd, wie es mitunter dargestellt werde.
Scharfrichter trugen ihre „beste Sonntagskleidung“
Ein falsches Bild gebe es auch von den Scharfrichtern, erklärt Hald. Diese hätten oft in ihrer besten Sonntagskleidung ihr grausames Amt verrichtet. Und: „Ein Henker hat keine Kapuze getragen. Der musste sehen, was er tut, ein präzises Schwert führen.“
Hald und sein Team haben zuletzt noch weitere interessante Funde gemacht. Zum einen entdeckten sie in einer der Brandgruben eine circa 1,20 Meter lange, massive Eisenkette, an einem Ende mit einem Haken, am anderen eine Öse. Er habe hierzu zwei Vermutungen als Erklärung, so Hald.

An der Kette, die sonst vielleicht in der Land- und Forstwirtschaft verwendet worden sei, könnte ein Delinquent erhängt und anschließend verbrannt worden sein; oder sie könnte dazu gedient haben, ein Opfer auf dem Scheiterhaufen zu fixieren.
Auf der Suche nach weiteren Belegen
Hald berichtet zudem, er sei in Kontakt mit einem polnischen Historiker, der Hinweise habe, dass es zumindest in Polen auch Verbrennungen über oder in Gruben gegeben habe. „Da sind wir noch auf der Suche nach weiteren Belegen“, so der Kreisarchäologe, aber: „Das wäre eine Erklärung für unsere Befunde.“
Denn in rund einem Dutzend solcher Brandgruben wurden bei Allensbach zahlreiche verkohlte Knochenreste gefunden. Bei einem oberirdischen Scheiterhaufen wäre nichts übrig geblieben von dem Opfer. Und dann haben Hald und sein Team noch zwei Gruben geöffnet mit auffälligen Erdverfärbungen, die auf Holz schließen lassen.
Zumindest in einem Fall könne er schon sagen, dass dort ein Holzpfosten gestanden habe mit einem Durchmesser von 30 bis 35 Zentimetern, so Hald. Dies könnte von einem einfachen Holzgalgen stammen oder von einem Pfahl mit Rad oben drauf, auf dem die Hingerichteten zur Schau gestellt worden seien.