Die bisherigen Befunde der gefundenen Skelette geben einen Einblick auf das schreckliche Ende, das die Leben der Frauen unweit von Allensbach fanden: Eine davon dürfte gehängt worden sein, eine weitere wohl enthauptet. Zwei der Frauenskelette lagen nebst zwei Männerskeletten übereinander in einer Grube mitten zwischen den Fundamenten des einst mächtigen, mindestens 3,50 Meter hohen Galgens.

Bei einem Frauenskelett wurde eine Art Kette mit Gagatperlen auf Draht gefunden. Gagat sei fossiles Holz, das früher gern für Schmuck verwendet worden sei, so Hald. „Wir vermuten, dass es sich um die Verzierung einer Haube handelte.“
„Das war der grausamste Fall“
Bei einem Männerskelett ist aufgrund von zahlreichen Knochenbrüchen erkennbar, dass der Delinquent gerädert wurde, danach enthauptet und der Kopf aufgespießt, um diesen zur Schau zu stellen, so Hald: „Das war der grausamste Fall.“

Diese besonders brutale Art der Hinrichtung gab es bei sehr schlimmen Verbrechen wie mehrfachen Mord. Bei einigen männlichen Skeletten lag der Schädel an falscher Stelle, so Hald. Man könne aber bisher nur in zwei Fällen ziemlich sicher sagen, dass eine Enthauptung stattfand.
Wenn die Toten sich ausgraben wollten...
Mitunter sei der Kopf vielleicht durch spätere Eingriffe verschoben oder auch erst nach dem Hängen abgeschlagen worden, um Wiedergänger zu verhindern. Deshalb seien möglicherweise auch vier Skelette in Bauchlage gefunden worden. Wenn die Toten sich ausgraben wollten, hätten sie sich stattdessen in die Tiefe gegraben, so der Aberglaube.

Zudem wurden verstreute, einzelne Knochen gefunden, die nach Halds erster Einschätzung von zwei bis drei oder sogar noch mehr Individuen stammen dürften.
Vermutlich waren dies Gehängte, die zur Abschreckung so lange am Galgen gelassen wurden, bis die Leichname verfault waren und auseinanderfielen.

Zudem fand man elf Brandgruben mit zahlreichen verkohlten Knochenresten. Hald schätzt deshalb, dass mindestens 25 bis 30 Individuen hier den gewaltsamen Tod fanden. Den Schwerpunkt der Hinrichtungen, von denen nun Überreste gefunden wurden, schätzt er im 17. und 18. Jahrhundert – damals war nicht mehr das Reichenauer Kloster, sondern der Bischof von Konstanz Herr über das Hochgericht.
Zusätzlich zu den bereits genannten Toten gibt es schriftliche Hinweise zu bisher zu fünf konkreten Fällen von Hinrichtungen. Ob diese tatsächlich passiert sind, muss noch ein Historiker prüfen.
1531: Der Tod von Bartel Joß aus dem Thurgau
Beim bislang ältesten überlieferten Fall geht es um einen Bartel Joß aus dem Thurgau. Wie und weshalb er hingerichtet wurde, ist noch nicht bekannt. Den Hinweis hat der Allensbacher Heimatforscher Stefan Egenhofer im Verzeichnis der Reichenauer Akten im Landesarchiv gefunden, also eine recht sichere Quelle. Für Wehrle ist aber sicher, dass es schon früher Todesurteile auf der Reichenau und Hinrichtungen bei Allensbach gegeben hat. Darüber schrieb der Geistliche Gallus Oheim bereits um das Jahr 1500 in seiner Klosterchronik.
11. September 1552: Die Jungfrau Elsbalde Muhlmann
Elsbalde Muhlmann aus Markelfingen soll enthauptet worden sein wegen des Vorwurfs der Hexerei. Sie habe „die gefleckte Kuh Frieda mit garstigem Teufelswerk besprochen“. Die Quelle ist ein Bild des weitgehend unbekannten Malers G. Seiler-Hermes, das um das Jahr 1900 entstand und im Fundus des Reichenauer Museums ist.
Hald meint, dass sei reine Historienmalerei und eher Fantasie. Er bezweifelt, dass sich dieser Fall belegen lässt. Wehrle dagegen glaubt nicht, dass der Maler das alles nur erfunden habe. „Ich gehe davon aus, dass er einen Hinweis hatte.“
1591 & 1637: Klosterfrauen der Hexerei bezichtigt
Eine Klosterfrau von St.Peter in Konstanz soll 1591 enthauptet worden sein. Sie habe in unvorsichtiger Weise geäußert, dass sie in ihrer Jugend Hexerei betrieben habe und vom bösen Geist besessen gewesen sei. Dies zeigte jemand an. Und im Verhör bekannte sich die arme Frau dazu – ihr Todesurteil. Den Fall schilderte Franz Xaver Staiger 1860 in dem Buch „Die Insel Reichenau im Untersee mit ihrer ehemaligen berühmten Reichs-Abtei“. Der Autor lieferte keine Quellenangabe dazu, der Wahrheitsgehalt ist also ungewiss. Wehrle meint, Staiger habe das irgendwo abgeschrieben.
Eine weitere Dominikanerin vom Kloster St.Peter in Konstanz sei 1673 als Hexe bezichtigt und mit dem Schwert hingerichtet worden. Das schrieb der Heimatforscher Julius Boltze im ersten Allensbach-Buch im Jahr 1975 – ebenfalls ohne Quellenangabe und daher auch unsicher.
Um 1770: Enthauptung des angeblichen Raubmörders
Der Überlieferung nach fand damals die letzte Hinrichtung bei Allensbach statt. Ein Raubmörder wurde enthauptet. Er war geständig, einen reichen Viehhändler im Wald zwischen Steißlingen und Stockach getötet zu haben. Vor seinem Tod habe er noch die unter den Zuschauern anwesenden Kinder ermahnt, sie sollen brav und ehrlich bleiben. Darüber schrieb Markus Ruf im Allensbacher Almanach von 1964 – ebenfalls ohne Quellenangabe.
Stefan Egenhofer findet es trotzdem „ziemlich glaubhaft“, der Autor habe das vielleicht mündlich überliefert bekommen vom Großvater. Die Familie habe in Hegne gewohnt. Und damals hätten alle Hegner zur Kirche und Schule nach Allensbach gemusst – auf der Landstraße, die direkt am Galgen vorbeiführte.