Das Donnern dutzender Hufe oder laute Rufe in der Nacht – Laute dieser Art würde man vielleicht in der Prärie Nordamerikas oder der afrikanischen Savanne vermuten, nicht aber im zahmen Süden Deutschlands. Und doch sind sie in der Region zu vernehmen. Denn im Landkreis Konstanz sind zwei der wildesten Tierarten beheimatet – Strauße auf der Straußenfarm Hegau-Bodensee im Stockacher Ortsteil Airach und Bisons in der Bisonzucht Bodenwald nahe Bodman.
Dies erfreut Wanderer und Touristen, die mit solch einer exotischen Begegnung am Bodensee kaum rechnen. Und es lässt auch die Herzen von Köchen und Gourmets höher schlagen. Denn das exotische Fleisch dieser Tiere landet auch auf dem Teller.
Vom Zootier zum Fleischlieferanten
Bisons, auch Wisente genannt, werden in Deutschland seit den 1960er-Jahren gezüchtet. Die ersten Tiere wurden vor allem aus Kanada und den USA importiert – anfangs zur Schau in Wildparks und Zoos. Erst ab den 1970er-Jahren entwickelte sich daraus eine landwirtschaftlich genutzte Zucht zur Fleischproduktion.
Diese wird vom Deutschen Bisonzuchtverband geregelt. Mittlerweile gibt es in Deutschland rund drei Dutzend Betriebe, die Bisons für Fleisch halten und meist direkt vermarkten, wie Metzgermeister Bernhorst Koch, der seit über zehn Jahren mit der Bisonzucht Bodenwald zusammenarbeitet, berichtet. Die Tiere gelten laut ihm als extrem widerstandsfähig, robust, wenig krankheitsanfällig und liefern hochwertiges, mageres Fleisch.
Sie benötigten keine Stallhaltung, nur Weideflächen mit Windschutz – was Investitionen senke. Daher sei die Bisonhaltung auch für kleinere Betriebe wie den Familienbetrieb Bisonzucht Bodenwald interessant, zumal Bisonfleisch ein hochpreisiges Nischenprodukt ist.
Die Genetik der Bisons und ihr natürlicher Jahreszyklus bestimmen: Im Winter baut das Wildtier Muskeln und Fett ab und ist im Februar quasi abgemagert, berichtet Koch weiter. Erst mit Beginn der Vegetationszeit werden wieder Muskeln aufgebaut. Eine Schlachtung zu Jahresbeginn wäre darum unrentabel, erklärt der Metzgermeister.
Darum werden Strauße gehalten
Auch beim Strauß dürften die hohe Qualität des Fleisches und seine gute Futterverwertung Gründe für die Züchtung dieses Vogels gewesen sein. Züchter wie Ingrid Frick, Inhaberin der Straußenfarm in Airach, schätzen zudem das hochwertige Straußenleder, die Federn und die essbaren Eier, berichtet diese.
Seit den 1990er-Jahren habe sich die Zahl der Betriebe mit Straußenhaltung auf rund 200 erhöht – von kleinen mit zehn bis zu großen mit 250 Tieren wie auf der Straußenfarm Hegau-Bodensee. Auch hier spielt die Direktvermarktung eine zentrale Rolle.
Wann schmeckt das Fleisch am besten?
Bei der Bisonzucht Bodenwald werden im November fünf Tiere im Alter von fünf bis sieben Jahren per Weideschuss von einem Förster geschlachtet. Metzgermeister Bernhorst Koch sagt: „Bullen unter fünf Jahren und Kühe, die nicht gekalbt haben, sollten nicht geschlachtet werden. Eine Kuh, die gekalbt hat, kann auch 17 Jahre alt werden. Dann hat das Fleisch eine Reife.“
Geschmacklich gebe es keinen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Tieren – anders als beim Hausrind, wo laut Koch durch Züchtung viele natürliche Merkmale verloren gehen. Koch schätzt am Bisonfleisch besonders den edlen Wildgeschmack sowie die gesundheitlichen Eigenschaften, nämlich viel Eiweiß und Eisen.
Straußenbein als Delikatesse
Ein Strauß kann in freier Wildbahn auf der Suche nach Futter oder zur Fortpflanzung 15 Kilometer oder mehr zurücklegen. Als wahre Laufmaschine mit einer Geschwindigkeit von bis zu 70 Kilometern pro Stunde liefern seine muskulösen Beine die Edelteile für den Verzehr.
Zwar ist die Laufleistung der hiesigen Zuchtstrauße auf Weiden mit bis zu 1000 Quadratmetern reduziert, der Bewegungsdrang und die Muskelentwicklung bleiben dennoch stark, informiert Ingrid Frick. Der Fett- und Cholesteringehalt liegt unter zwei Prozent, dafür ist das Fleisch reich an Eiweiß, Eisen und Omega-3-Fettsäuren – darum wurde es von der Weltgesundheitsorganisation WHO zum gesündesten Fleisch der Welt erklärt. Auch der Geschmack ist wildartig.
Die Straußenhaltung unterliegt hierzulande besonderen Auflagen wie großen Freiflächen, Auslauf und witterungsgeschützten Unterständen, wie es das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vorschreibt.
So werden die Tiere geschlachtet
Alle drei Wochen wird eine Gruppe von sechs Straußen auf der Straußenfarm Waldburg bei Ravensburg geschlachtet – nach strengen Tierschutz- und Hygienebestimmungen, sagt Frick. Der Transport erfolge mit einem rutschfesten, sichtgeschützten Hänger. Die Schlachtung selbst erfolge mit Elektrobetäubung und Entbluten im hängenden Zustand durch Schnitt an der Halsschlagader.
„Besondere Vorsicht ist geboten, denn ein Strauß kann bis zu 150 Kilogramm wiegen und sein Tritt kann tödlich sein“, warnt Ingrid Frick. Ihr Mann Georg Frick musste bereits einige schmerzhafte Tritte einstecken, verrät sie. Entsprechend gibt es nur wenige Betriebe in Deutschland, die für die Schlachtung von Straußen zugelassen sind.
Alles wird nach der Schlachtung verwertet
Nach der Entblutung werden wie bei anderen Nutztieren die Eingeweide entfernt und das Tier in Teilstücke zerlegt – Steak, Filet, Braten, Gulasch, Hals, Herz, Muskelmagen oder Leber. Alles wird verwertet, auch Lunge, Sehnen oder Knochen, die bei Hundehaltern beliebt sind. Anders als beim Strauß werden die Knochen des Bisons jedoch nicht verwertet. Einzig Fell und Kopf werden an Liebhaber vermarktet, weiß Bernhorst Koch.
Ingrid Frick und Bernhorst Koch sind überzeugt: Es lohne sich auf jeden Fall, seine Geschmacksknospen mal auf eine Reise zu schicken in die Weiten der afrikanischen Savanne und der nordamerikanischen Prärie oder auch einfach nur an den Bodensee.