Einfach mal ausbrechen aus dem Alltagstrott und den Kopf freibekommen, das dachte sich der ehemalige Geschäftsführer des evangelischen Sozialwerks Wiesental, Martin Mybes. Bekannt ist er im Wiesental für die Sanierung des Schopfheimer Altenheims und als Gründer einer Seniorenwohnanlage. Er fuhr mit seinem Reisemotorrad mehr als 9000 Kilometer zum Nordkap und zurück.
Er nimmt nur das Nötigste mit
Er startete die große Tour nur mit dem Nötigsten. „Zelt, Schlafsack, Koch-Equipment, Ersatzteile, ein bisschen Wechselwäsche, das war‘s“, zählt Mybes auf. „Ein bewusstes Verlassen der Komfortzone“, sagt er. Hotels sind für den 65-Jährigen nur eine Notlösung. „Und ich fahre auf allen Ferntouren immer allein“, erzählt der in Freiburg lebende Mybes. Nur so gelinge der direkte Kontakt zu den Menschen vor Ort. Nur so kann er „dem eigenen Kompass folgen, fahren, wie ich will, bleiben, wo ich will, Touristenansammlungen möglichst vermeiden“. Auf seinem Blog folgten Hunderte seinen Reiseschilderungen durch den Norden Skandinaviens.
Nicht immer ein Zuckerschlecken
Es sei nicht immer ein Zuckerschlecken gewesen, sondern ging auch an die Grenzen mentaler und physischer Anforderungen. Mybes berichtet von extremen Situationen, etwa auf dem Tet (Trans Euro Trail) in Schweden, als das Motorrad mehrfach wegrutschte, umkippte und nur mit größter Kraftanstrengung wieder aufgerichtet werden konnte. „An manchen Tagen fühlte ich die Erschöpfung massiv, Ruhetage wurden notwendig“, berichtet Mybes.
Den GPS-Tracker am Mann
Für Notfälle, aber auch für Streckenmessungen, war er an allen Tagen mit einem GPS-Tracker verbunden. So war immer klar, wo er aktuell unterwegs war. „Bei allem bewussten Verzicht auf unnötige Technik war der Tracker für meine Frau, aber auch für mich eine Beruhigung auf manchen Strecken, etwa dem Tet oder den endlosen Weiten und Wäldern in Finnland.“ Seine Frau war es auch, die die große Leidenschaft ihres Mannes für das Reisen auf zwei Rädern erkannte und ihm ein neues Reisemotorrad zum Geburtstag schenkte.
Die schönsten Momente der Tour
„Die Nordtour hat fast die letzten weißen Flecken meines europäischen Roadbooks geschlossen“, sagt Mybes. „Ich wollte in die vielfältigen und endlosen Landschaften in Schweden und Finnland eintauchen, faszinierende Orte sehen und erleben, die Kultur Lapplands erspüren und anspruchsvolle, herausfordernde Strecken auch Offroad fahren“, so Mybes. Unvergessliche Eindrücke von der atemberaubenden Küstenstraße FV17, die sich über knapp 700 Kilometer an der norwegischen Westküste entlangzieht, oder den Trollstigen am Geirangerfjord, die Lofoten oder die Höhenstraßen am Sognefjellet oder der Hardangervidda zählten zu den schönsten Momenten.
Ein persönlicher Augenblick in Hammerfest
Einen sehr persönlichen Augenblick gab es in Hammerfest, einer kleinen Stadt im nördlichen Norwegen. „Meine Mutter war mit dieser Stadt, der wunderschönen evangelischen Kirche, vor über 30 Jahren emotional eng verbunden“, erzählt Mybes an. Der Besuch in dieser Kirche war für ihn ein ganz besonderer Moment.
Fernab der Touristenströme
„Aus früheren langen Touren, zum Beispiel vor drei Jahren durch Osteuropa und das Baltikum, kenne ich die wunderbare Gastfreundschaft gegenüber Solo-Reisenden in anderen Ländern schon gut“, schildert er. „Ich weiß nicht mehr, wie oft ich von völlig fremden Menschen zum Kaffee, zum Essen oder Bier und Wein eingeladen wurde“, sagt Mybes, der übrigens selbst keinen Alkohol trinkt. „Wie oft ich wichtige Tipps und Hinweise von Einheimischen bekommen habe, ehrliches wechselseitiges Interesse aneinander bestand.“ Es war ihm einmal mehr wichtig, sich von den üblichen Touristenströmen abzusetzen. „So war vieles möglich, was ich sonst hätte nicht erleben können.“
Mybes sagt: „Ich war und bin schon sehr berührt von dem Interesse und der Begeisterung meiner Mitfahrer.“ 560 Mal wurde der Blog während der Tour aufgerufen, darunter auch von vielen Menschen aus den Wiesentälern.
Und dann das große Finale: der Globus
Irgendwann war Martin Mybes am Ziel, dem nördlichsten Punkt Europas, dem Nordkap. Er stand ehrfürchtig vor der Skulptur des Globus, hinter dem das Nordmeer und der Nordpol liegen. „Für mich war die Tour der Schritt durch eine Tür in einer für mich schwierigen Zeit“, schildert Mybes die tiefere Bedeutung des Aufbrechens, Erlebens und Zurückkehrens.
Diese Eindrücke nimmt er mit
Fünf Länder in knapp sechs Wochen, 9.245 Kilometer – dabei habe er mit jedem Kilometer emotionale Distanz zu Dingen gewonnen, die ihn zuvor belasteten. „Ich konnte mich neu ausrichten, habe neue Freude, Freiheit und Gelassenheit gefunden“, so Mybes, der nun auch beruflich noch einmal zu einem Neustart aufbrechen will.